Mit schlechten Schülerergebnissen arbeiten

Du hast eine Aufgabe mit nach Hause genommen und willst an den Schülerergebnissen typische Fehler thematisieren ohne dabei jemanden bloßzustellen?

Nimm dir die beste Arbeit, baue dort verschiedene Fehler der schlechteren Arbeiten ein und weise nach der Besprechung darauf hin, dass die eigentliche Vorlage sogar die beste war. Einer wird mächtig stolz auf sich sein, während der Rest auch gesehen hat, wie wenige Fehler eine gute Arbeit in eine schlechte verändern können. Und niemand fühlt sich vorgeführt.

Kein richtiger Geschichtsunterricht im falschen?

„Das können Sie gerne machen, aber verraten Sie mir davon nichts!“, waren ungefähr die Worte meines Geschichtsfachleiters auf die Frage, was er denn von der Methode des Rollenspiels im Geschichtsunterricht halten würde. Es wäre absurd, aus dem Kontext der heutigen Zeit heraus eine historische Perspektive einnehmen zu können.

Mit dieser Haltung passte meine Fachleiter vielleicht nicht in den geschichtsdidaktischen Mainstream, wohl aber zu Hans-Jürgen Pandels Nachwort im Band „Geschichtsdidaktik“, mit dem sich Christoph Pallaske auszugsweise in einem Beitrag beschäftigt. Pandel nennt diese Form des Unterrichts sogar „falschen Unterricht“. Pallaske relativiert in seiner Randnotiz diese Haltung und verweist darauf, dass eine reine „Abbilddidaktik“ im realen Unterricht an ihre Grenzen stoße und komplexe Inhalte oft altersgemäß unterrichtet werden müssten. Das Absolutsetzen des historischen Verstehens funktioniere nicht im Geschichtsunterricht.

Und genau da trifft Pallaske den Punkt. Denn die Frage, was „falscher Unterricht“ ist, beantwortet sich nicht durch den verengten Blick auf die historische Erkenntnis, sondern durch den Blick auf die Schüler und den historischen Gegenstand. Geschichtsunterricht wird immer dann falsch sein, wenn er die Schüler zugunsten des historischen Gegenstandes übergeht. Da viele curricular vorgegebenen historische Themen die Schüler aber überfordern, bleibt uns nichts anderes übrig als historische Verkürzung und didaktische Formung.

Man sehe sich aktuelle Schulbücher der Sek I zur griechischen Antike an: Unter der großspurig formulierten Fragestellung „Was hat das alte Griechenland mit uns zu tun“ finden sich Themen wie die antike Olympiade, die Spartaner oder das Alltagsleben der antiken Griechen. Kaum ein Wort von der attischen Demokratie, den vorangegangenen Reformen, sozialen Umbrüchen oder den zahlreichen griechischen Philosophen und Wissenschaftlern, was der vorgegebenen Fragestellung viel gerechter würde als das Angeführte. Und das zu Recht, weil elfjährige Kinder mit solch komplexen Themen heillos überfordert wären (Randnotiz: Zur Komplexität historischer Texte für Kinder weiterlesen bei Daniel Bernsen).

Dass Rollenbiografien helfen können, z.B. diffuse Vorstellungen von „Bürgertum“ zu klären; dass gesellschaftliche Hierarchien im Rollenspiel oder durch Standbilder anders erfahren werden können; dass strukturelle Machtverteilung in einer Simulation eingängiger dargeboten wird, wenn Schüler selber handeln; all das kann man vielleicht nur dann von der Hand weisen, wenn die eigene Unterrichtspraxis schon Jahrzehnte zurück liegt. Und wenn man davon ausgeht, dass es immer nur ein „Entweder-oder“ und kein „Sowohl-als-auch“ geben kann.

Weihnachtsferien

Was zu erwarten war: Die letzte Stunde ist gehalten, die Ferien können beginnen, und auf dem Rückweg(!) kratzt es dann schon unangenehm im Hals. Bin quasi prompt mit Ferienstart schachmatt gesetzt und habe die letzten Tage mehr oder weniger im Bett verbracht, wo ich doch eigentlich meinen Klausurenstapel vor den Feiertagen bearbeiten wollte. War dann wohl nichts. 🙁

Daniel Bernsen berichtet in seinem Blog kritisch über sein Geocaching-Projekt, kommt aber zu dem Fazit:

Auch wenn mir Geocaching im regulären Unterricht aus den genannten Gründen wenig praktikabel erscheint, denke ich, dass mobiles historisches Lernen, also das Lernen an (historischen) Orten mit mobilen digitalen Geräten nichtsdestotrotz sehr zukunftsträchtig ist und sich hier neue erweiterterte Möglichkeiten für den Geschichtsunterricht eröffnen.

Wenn man Daniels Link folgt, dann finde ich die Idee doch bedenkenswert. Zumal man mit projektorientierten Verfahren gewiss (vielleicht? hoffentlich?) mehr Kinder für Geschichte interessieren kann als im einmal pro Woche abgehaltenen Standardunterricht. Ich sammele ja gerade fleißig Ideen für Mysterys (Bayern2 ist dafür eine Ideen-Fundgrube!), leider haben die thematisch mit meinem aktuellen Unterricht kaum etwas zu tun. Wenn (wenn!) ich mal eines fertig habe, stelle ich es hier online.

Vokabeltrainer und die Hand

Man muss als Eltern einer Fünftklässlerin ja zu Beginn eines neuen Schulabschnitts so einige Entscheidungen treffen. Eine davon muss die Frage entscheiden, ob man dem lieben Kind einen Karteikasten zum Volabellernen kauft oder ob man dafür auf die Software des Schulbuchverlages zurückgreift.

Wie alle braven Eltern folgten wir den Ausführungen der Englischlehrerin, die sich für den guten alten Karteikasten stark machte, da die Kinder die Vokabeln dann selbst per Hand zu Papier bringen müssten, wogegen Vokabelsoftware dies nicht ermögliche. So weit, so gut, schon oft gehört, klingt ja auch immer erst einmal einleuchtend.

Ich habe mir dann eine Demo-Version der Vokabelsoftware heruntergeladen, um diese auszuprobieren, und ich kann das Urteil der Kollegin nicht teilen. Die Software verlangt bei jeder Abfrage, dass die Vokabeln (für alle Skeptiker: per Hand!) eingetippt werden, sodass immer auch die richtige Schreibung überprüft wird. Bei der Arbeit mit dem Karteikasten muss meine Tochter die Vokabeln nur einmal abschreiben, um sie dann mehr oder weniger nur noch im Kopf zu jonglieren, die korrekte Schreibung spielt dann keine besondere Rolle mehr. Im schlimmsten Fall schreibt sie sogar sowohl das deutsche als auch das englische Wort falsch auf die Karteikarte ab und lernt permanent Fehler.

Das Sich-selber-Beschummeln ist mit Karteikarten übrigens auch einfacher, die Software ist da recht kompromisslos. „Fast gekonnt“ gibt es da nicht, fehlerhaft eingetippte Vokabeln werden wiederholt und nach bestimmten Zeiträumen wiedervorgelegt.

Spricht für den Vokabeltrainer. Gerade auch wegen der vielen Handaktivität.

Tolle Ideen verschütt gehen lassen?

Es gibt wirklich so viele tolle Ideen, wie man den Unterricht abwechslungsreicher und interessanter gestalten könnte. Meistens haben diese Ideen jedoch den „Pferdefuß“, dass man sie im Rahmen normaler (d.h. ministerial vorgesehener) Unterrichtszeit kaum einsetzen kann. So bin ich schon öfter auf die Idee gestoßen, dass man im Geschichtsunterricht doch bestimmte Themen von den Schülern im Rahmen des Fernsehformats Tagesschau oder Ähnlichem umsetzen lassen könnte. Eine Redaktion erarbeitet dann ein fest umgrenztes Thema und gestaltet dazu eine vollständige Moderation mit Kartenmaterial, erklärenden Grafiken und selbstverständlich sollte alles sachlich geprüft und nichts erfunden sein. Um das Ganze spannender und multiperspektivischer zu machen, könnte man sogar das gleiche Thema von verschiedenen „Tagesschauen“ (z.B. den Ausbruch des Ersten Weltkrieges aus österreichischer und russischer Sicht)  erklären und einordnen lassen. Klar ist das anachronistisch, aber vor meinen Schülern bin ich eben nicht nur Historiker, sondern als Erstes(!) Pädagoge und Didaktiker. Wenn ich also die sonst bei politischen Themen wegschnarchenden drei-viertel der Desinteressierten mit einem solchen Konzept motivieren kann, ist es mir den Anachronismus wert.

Bleibt – besonders in der SekII –  der verdammte Pferdefuß! Ich habe schlicht keine Zeit für solche Sperenzchen! Das Abitur drückt, die Vorgaben scheinen endlos und die Klausurtermine sind immer viel zu knapp gelegt. Wie in drei Teufels Namen soll ich so abwechslungsreichere Methoden als das übliche Karikaturen-Auflegen oder das Textquellen-Analysieren einsetzen? Am Ende des Schuljahres, wenn noch Zeit sein sollte, quasi als „Zugabe“, als „Bonbon“ – wenn schon der letzte Rest an Motivation hinwegunterrichtet wurde? Das Einzige, was mir heute dazu einfällt, ist, dass man solche Projekte eventuell aus dem Unterricht hinausverlagern und die Schüler solches in ihrer Freizeit umsetzen lassen muss. Das hätte dann den Charakter von Referaten oder Facharbeiten, die ja auch zu Hause erarbeitet werden. Oder hat jemand von euch eine andere Idee, wie man kreativere, zeitaufwändigere Unterrichtsvorhaben im Unterricht umsetzen kann?

Oder muss man tolle Ideen einfach zwangsläufig verschütt gehen lassen?

Appetit bekommen

Die letzten Wochen sind wie ein Schleier an mir vorbeigezogen. Im Netz bin ich gar nicht mehr so aktiv, Twitter lese ich vielleicht ein- bis zweimal am Tag, Blogs sehr sporadisch auf dem Mobiltelefon, vor dem Computer sitze ich eigentlich nur noch  zum Arbeiten. Oft ärgere mich über „verpasste“ Blog-Artikel – werde dem heute mit einem neuen Feed-Reader-Konzept entgegenzutreten versuchen, denn nach wie vor sind Blogs für mich die wahren Perlen des Internets, was auf Twitter an mir vorbeirauscht, interessiert mich nicht.

Habe in dieser Zeit viel mit Referendaren und Praktikanten gearbeitet und bin sehr froh über manche neue Impulse. Erst letzte Woche hat eine Referendarin ein einfaches Konzept zur Binnendifferenzierung eingesetzt. Paradoxerweise hatte ich es ihr vorgeschlagen, aber selber noch nicht in dieser einfachen Form eingesetzt: Zur Erschließung eines literarischen Textes haben wir ganz simpel zwei Arbeitsblätter entworfen, eines mit der Schwierigkeitsstufe „normal“ und eines „anspruchsvoll“. Der Effekt war, dass die meisten Schüler sich auf das anspruchsvollere Material stürzten (was so nicht gedacht war), einige aber durchaus und realistischerweise das einfachere Material nahmen. Nichtsdestotrotz war erstaunlich, wie motiviert auch ansonsten weniger fleißige Schüler waren, das anspruchsvolle Material zu bewältigten.

Warum mache ich das eingentlich nicht öfter und warum nicht schon seit einer halben Ewigkeit? Einfach: Ich verbringe meine Nachmittage mit dem Korrigieren von Klassenarbeiten und dem Vorbereiten von Unterricht im Groben (und eher selten im Detail). Das Erstellen von guten binnendifferenzierten Arbeitsaufgaben ist einfach so zeitaufwändig, dass ich immer wieder froh bin, wenn motivierte Referendare dabei sind, die sich Zeit dafür nehmen können und wollen. Gelobe aber Besserung und werde meine Unterrichtsreihen nun insgesamt stärker auf Differenzierung ausrichten. Wie so oft kommt der Appetit beim Essen und man kocht bekanntlich immer besser, je öfter.

Literaturcomics und Lesestoff für die Ferien

Okay, mit diesem Beitrag beende ich offiziell die „Rau-Wochen“, aber jetzt muss es noch einmal kurz sein: Nicht nur unterrichtsmethodisch, sondern auch den Lesestoff betreffend habe ich mich von Herrn Rau inspirieren lassen und mir vorgestern „Tschick“ bestellt, das sich jetzt schon sehr schön hat anlesen lassen. Perfekte Frühlingswetterlektüre, da freue ich mich auf den sonnigen Balkon!

Und als ich gerade bei Amazon stöberte und darüber nachdachte, wie man schwere Kost wie Buddenbrooks leichter verdaulich servieren könnte, fiel mir ein, dass es auch Literaturcomics gibt, nach denen ich mal gucken könnte. Und bei dieser Suche bin ich auf die „100 Meisterwerke der Weltliteratur“ gestoßen, einem Band, dessen Clou es ist, dass eben 100 Meisterwerke der Literatur von unterschiedlichen Comiczeichnern auf je einer Comicseite á 8 Bildern dargestellt werden.

Das führt zu unterschiedlich guten Ergebnissen, Buddenbrooks kann man trotz seiner Länge gut wiederfinden, die Blechtrommel bleibt sehr symbolhaft und die Bibel wird mir in Comicform ein ewiges Rätsel bleiben. Einige Comics sind wirklich toll gelungen (z.B. der Comic zu „Jugend ohne Gott“), andere wirken eher bescheiden. Didaktisch kann man diese Comics vielleicht für Einstiege nutzen, um das Textverständnis zu erfragen oder auch, um Reflexionsphasen anzuregen, indem man diskutiert, ob der Comic überhaupt das Wesentliche darstellt, oder ob man alternative Comics zeichnen könnte.

Und damit auch alle etwas davon haben, habe ich eine Box aus einem Comic eingebunden, um ein (wieder einmal leichtes) Rätsel zu stellen: Um welches Meisterwerk der Weltliteratur handelt es sich?

Ein richtig gesetztes Komma.

Doofe Fehler ausbügeln

Ein richtig gesetztes Komma.Hatte ja heute Abend schon geschrieben, dass ich über Korrekturen schwitze – allerdings Schülerkorrekturen. Wie ich festgestellt habe, sitzt man als Kollege nicht selten auch an der Korrektur von z.B. Deutschlehrertexten, die für Unterrichtsbesuche oder als Handreichungen für Schüler gedacht sind. Da auch Deutschlehrer nicht fehlerfrei sind (man mache sich in diesem Blog einmal auf die Suche…), finden sich auch dort bisweilen Fehler, bei denen man als Kollege genau weiß, dass der oder die betreffende Person einen so dusseligen Rechtschreib- , Grammatik- oder Zeichensetzungsfehler nie machen würde, weil er es nicht besser wüsste. Aber bei Schülern tun wir oft so, als wüssten die Schüler es nicht besser. Und das hat mir nicht gefallen.

Darum habe ich mir für Klassenarbeiten etwas überlegt, um den Schülern Gelegenheit zu geben, doofe Fehler, die man eigentlich nicht macht, auszuräumen. Wenn bei Klassenarbeiten der Letzte sein Heft zugeklappt hat, bekommen meine Schüler die Anweisung, alle Stifte auf den Tischen mit Ausnahme eines grünen Stiftes wegzupacken, sodass auf den Tischen nur noch grüne Stifte und die fertig beschriebenen Klassenarbeitshefte liegen. Danach dürfen alle ihr Heft aufschlagen und haben fünf Minuten Zeit, ihren Text noch einmal Korrektur zu lesen und die Korrekturen mit dem grünen Stift einzuarbeiten, wobei sie nur sprachliche Fehler ausbügeln dürfen. Den Aufsatz weiterzuschreiben ist nicht gestattet.

Und wenn ich mir die Hefte jetzt so anschaue, dann muss ich sagen, dass die meisten Schüler diese Chance wirklich gut genutzt haben. Es gibt auch ein krasses Gegenbeispiel, aber zumindest diagnostisch hilft da die grüne Markierung weiter.

Ein Einakter: Das Ldl-Drama

Erster Akt und Katastrophe
Ich muss zugeben, dem ganzen – ich nenne es mal „Hype“ – um Ldl, Twitter und Web2.0 zunehmend ablehnend gegenüberzustehen. Das hat verschiedene Gründe, die alle mal mehr und mal weniger plausibel meine Ablehnung erklären. Zum einen mag es eines meiner (unter Umständen nicht immer nützlichen) Persönlichkeitsmerkmale sein, mich gegen Dinge zu sträuben, die „alle“ machen, die „hip“ sind und die, von irgendwoher angeflogen, plötzlich ganz doll im Rennen sind. Das war so, als wir uns in meiner Band „entschlossen“, beim letzten Auftritt Krawatten zu tragen. Als Gag gedacht, fand ich diese Vorstellung uniform herumzulaufen, furchtbar. Überhaupt sind Krawatten für mich die Geißel der Uniformität: Eng um den Hals geschnürt und auf das Gemächt weisend, kann man ebendort gepackt und stranguliert werden;die Krawatte ist Merkmal der BlueWhite-Collar-Uniform und bürgerliches Accessoire zur Verdeckung der von körperlicher Arbeit entwöhnten Hühnerbrust. (Mir graust es vor dem ersten Abi-Ball, wo ich mich jeder Menge Fragen zu meiner nichtvorhandenen Krawatte aussetzen lassen muss. Ich überlege, ob ich nicht eine in der Hosentasche mittragen soll, um zu beweisen, dass ich durchaus in der Lage bin Windor-,Manhattan- und Standardknoten zu binden. Immerhin musste ich beim Bund meinen halben Zug binden…)

Ich schweife ab. Diese ganze Gezwitschere, Geblogge und Gehype um Ldl hat mich also gründlich abgeschreckt. Zweiter Aspekt dabei: Euphorie. Eine gute Stimmungslage, um Hokey abzuschrecken. Überall Videos, die von tollen Unterrichtstunden berichteten, fleißigen, fantastischen, selbstlernenden Schülern, Lernerfolgen, angstfreiem Unterricht, schlicht: dem pädagogischen Paradies. Sowas kann ich nicht glauben. Schlichtweg gar nicht. Wären meine Fachseminarleiter so aufgetreten, hätte ich mir vor jedem Unterrichtsbesuch eine Kiefersperre gebissen. Denn der so präsentierte (bzw. bei mir (! – das möchte ich doppelt betonen)  so entstandene) Eindruck von Ldl wies ein so hohes Maß an Perfektion auf, dass ich das ganze für pädagogische Spinnerei abgetan habe. Oder auch als Forum zur Selbstdarstellung Einzelner betrachtet habe, die sich u.U. pädagogische Meriten erarbeiten wollen. Denn auch dazu ist Vernetzung nützlich und diesen Verdacht auf Eigennutz, wiederum ein Teil meiner griesgrämigen Persönlichkeit, hege ich zunächst einmal grundsätzlich, wenn irgendjemand etwas bewirbt.

Wie auch immer: Die Diskussion um Ldl, Twitter und das Gedöns drumherum verursachte bei mir doch einige Bauchschmerzen. War es nicht nur meine dämliche Verbohrtheit, mich gegen eine nützliche und sinnvolle Entwicklung zu wehren, die doch eigentlich meinen pädagogischen Prinzipien entgegenkommt? Oder hatten auch in letzter Zeit oft gelobte Äußerungen wie folgende ihr Scherflein dazu beigetragen?

Wir scheren uns nicht um irgendwelche Probleme die kommen könnten. Also diese Ja-Abers, die schalten wir aus. (via, via)

Solche Sätze sind in meinen Augen eine Vollkatastrophe. „Ja-abers“ sind wichtiger Bestandteil einer lebendigen Diskussionskultur und auch Zeichen von Selbstreflexivität. Ungenehme Kritik einfach wegzuwischen und zu ignorieren ist in meinen Augen fatal und unwissenschaftlich. Und so ergab sich für mich das schlüssige Bild einer sich selbst beweihräuchernden Community, die Kritik lieber ausblendet und sich lieber in dem Gefühl bestärkt, die tolle Speerspitze von etwas Neuem zu sein. So habe ich mich lieber zurückgezogen, statt mitzuwirken.

Katharsis?
Bis ich heute den Bericht Christian Spannagels zu seinen Ldl-Versuchen in seinen Vorlesungen gelesen habe. Trotz des mich abschreckenden Titels (jetzt kommt er schon wieder mit diesem biologistischen Neuronen-Gefasel…) wollte ich wissen, was macht der da in seinen Vorlesungen. Denn wenn wir über neue Methoden reden, geht es letztlich genau darum: Was machen wir und was erreichen wir als Lehrkräfte dadurch, dass wir etwas Bestimmtes tun (oder tun lassen).

Und während ich Christians Bericht lese, stelle ich fest, dass Christian all die Dinge tut, die ich von Zeit zu Zeit, aber durchaus nicht immer, auch in meinem Unterricht mache: Er gibt stumme Impulse, lässt Studenten Ideen an die Tafel schreiben, lässt diese Diskussionen leiten, diese die Diskussionsleitung weitergeben, diese Lösungen zu Problemen selber finden. Das Schöne dabei: Besonders den Lehramtsstudenten dürfte diese Form, Diskussionsleitung zu üben, entgegenkommen, denn sie lernen das Geschäft des Diskussionsleitens selber aktiv (und wann macht man das schon im Studium?), werden aber gleichzeitig auf eine Art und Weise geschult, die ihnen zeigt, dass Unterricht auch anders ablaufen kann.

Meine Skepsis zuungunsten Ldl legt sich, dank Christian Spannagel. Endlich einmal kein Bericht aus einem Leistungskurs mit zwölf Schülern, sondern von einem Plenum mit über hundert Anwesenden. Endlich einmal eine konsistente Beschreibung von der Wurzel auf, anstatt mittenrein zu springen. Endlich kein Verdacht auf großen Didaktik-Hokuspokus und Schüler, die in Videos ihren Lehrer loben (was bleibt ihnen auch anderes übrig?), sondern ein Bericht, der zeigt, dass Ldl gar nicht allzuweit vom normalen, schülerorientierten Unterricht entfernt ist, sondern diesen nur auf andere Art und Weise, vielleicht gezielter,  pragmatischer und vor allem auf längere Sicht, statt nur in einigen Einzelstunden, umsetzt.

Danke dafür, Christian.