Der „zentrale Regulator“

Ein frohes neues Jahr allerseits! Und nein, es geht nicht um Frontalunterricht oder die Rolle des Lehrers im Klassenraum. Es geht viel mehr um eine erstaunliche Beobachtung, die ich beim wöchentlichen Laufen gemacht habe.

Ich laufe jede Woche mehrmals meine 5 Kilometer lange „Hausstrecke“, und in unregelmäßigen Abständen wage ich mich auch an die 10 Kilometer. Dabei wundere ich mich immer wieder, dass ich nicht nach der Hälfte der Strecke schon halb zusammenklappe, denn oft passiert es mir, dass ich nach 5 Kilometern zuhause ankomme, mich gerade noch zur Tür schleppe und froh bin, unterwegs nicht ins Gehen verfallen zu sein. Eigentlich müsste ich bei zehn Kilometern dann doch erst recht spätestens ab Kilometer 7 mit eklatanten Ermüdungserscheinungen und Motivationsschwierigkeiten zu kämpfen haben. Aber im Gegenteil: Ich halte das Tempo exakt wie auf meiner 5k Strecke und komme im gleichen Zustand an meiner Haustür an, als hätte ich nur 5k gelaufen. Und das wundert mich schon lange, denn immerhin laufe ich ja doppelt so weit.

Doch warum das so ist, das kann man aktuell in einem schönen Zeit-Artikel eines Ultramarathonläufers lesen. Besonders aufschlussreich ist die Passage über eine Theorie, die besagt, dass ein „zentraler Regulator“ während des Laufens permanent unsere Erwartungshaltung und unsere reale Leistung abgleicht:

[Sportmediziner] Noakes ist überzeugt, dass in unserem Kopf eine unbewusste Steuerinstanz sitzt, die während intensiver Aktivität ständig den aktuellen Zustand des Körpers und den bewusst gefassten Plan mit früheren Erfahrungen abgleicht und Körper und Geist so gut wie möglich darauf einstellt. Ermüdung ist demnach kein unmittelbares Zeichen körperlicher Erschöpfung, sondern ein Signal des Central Governor. Wer sich vornimmt, zehn Kilometer zu laufen, dem reicht es auch nach zehn. Wenn er nach diesen zehn Kilometern erfährt, dass er noch 90 Kilometer laufen soll, wird er wohl scheitern. Wenn er sich aber von vornherein hundert Kilometer vornimmt, fühlt er sich nach zehn Kilometern wie gerade erst gestartet.

Das würde einiges erklären. Und spannend wäre die Frage, inwiefern eine solche Instanz sich auch auf andere Leistungen auswirkt, z. B. meine Fähigkeit Vokabeln zu lernen oder mich mit mathematischer Logik auseinanderzusetzen. In ersterem Fall ist es ja ganz ähnlich wie mit dem Laufen: Eine Hand voll Vokabeln zu lernen erschien mir als Schüler oft erstaunlich mühsam, während mir das Auswendiglernen sehr langer Textpassagen für Theaterstücke leicht von der Hand ging. Ob da auch so ein „zentraler Regulator“…

The Future of Storytelling

The Future of Storytelling“ – So lautet der Titel eines interdisziplinären Moocs (Massive open online course) bei iversity.org. Gestaltet wird er auf Englisch von einem deutschen Team der Fachhochschule Potsdam und mir gefällt er wirklich gut. Vor allem, weil er recht kurzweilig ist, das Thema Storytelling zunächst einmal historisch aufrollt und besonders, weil die Kommentare und Beiträge der anderen Teilnehmer zum Weiterdenken anregen. Größere Texte und lange Videos sind ausgelagert, sodass man sich alles anschauen oder anhören kann, wenn man Zeit hat. (Sollte man allen Kolleginnen und Kollegen, Deutschbuchautorinnen und -autoren ans Herz legen, damit die endlich schnallen, dass spannende Geschichten nicht durch treffende Verben und Adjektive gestaltet werden. Versucht mal, Fünftklässlern zu erklären, dass die heilige Grundschullehrerin unrecht hat…). Kostet nichts, tut nicht weh und man lernt etwas dabei! 🙂

Darauf gestoßen bin ich über den Mathe-Mooc von Christian Spannagel, aber ehrlich gesagt finde ich Storytelling persönlich spannender. 😉

Vokabeltrainer und die Hand

Man muss als Eltern einer Fünftklässlerin ja zu Beginn eines neuen Schulabschnitts so einige Entscheidungen treffen. Eine davon muss die Frage entscheiden, ob man dem lieben Kind einen Karteikasten zum Volabellernen kauft oder ob man dafür auf die Software des Schulbuchverlages zurückgreift.

Wie alle braven Eltern folgten wir den Ausführungen der Englischlehrerin, die sich für den guten alten Karteikasten stark machte, da die Kinder die Vokabeln dann selbst per Hand zu Papier bringen müssten, wogegen Vokabelsoftware dies nicht ermögliche. So weit, so gut, schon oft gehört, klingt ja auch immer erst einmal einleuchtend.

Ich habe mir dann eine Demo-Version der Vokabelsoftware heruntergeladen, um diese auszuprobieren, und ich kann das Urteil der Kollegin nicht teilen. Die Software verlangt bei jeder Abfrage, dass die Vokabeln (für alle Skeptiker: per Hand!) eingetippt werden, sodass immer auch die richtige Schreibung überprüft wird. Bei der Arbeit mit dem Karteikasten muss meine Tochter die Vokabeln nur einmal abschreiben, um sie dann mehr oder weniger nur noch im Kopf zu jonglieren, die korrekte Schreibung spielt dann keine besondere Rolle mehr. Im schlimmsten Fall schreibt sie sogar sowohl das deutsche als auch das englische Wort falsch auf die Karteikarte ab und lernt permanent Fehler.

Das Sich-selber-Beschummeln ist mit Karteikarten übrigens auch einfacher, die Software ist da recht kompromisslos. „Fast gekonnt“ gibt es da nicht, fehlerhaft eingetippte Vokabeln werden wiederholt und nach bestimmten Zeiträumen wiedervorgelegt.

Spricht für den Vokabeltrainer. Gerade auch wegen der vielen Handaktivität.

Die einfachen Dinge nicht unterschätzen

Ein Rätselspiel für die ganze Familie sollte es sein und wir waren gespannt, was sich hinter dem „Kinderspiel des Jahres 2008“ verbergen würde. Generell bin ich ja skeptisch, sobald Gesellschaftsspiele mit Elektonik versehen sind, da diese oft für nervtötenden Krach oder langweilige, vorhersehbare Spielverläufe sorgt. Nicht so bei „Wer war’s?“. Kurz und knapp erklärt, geht es bei diesem Märchenspiel darum innerhalb eines festen Zeitfensters nach einem Ausschlussverfahren den Dieb eines Schlüssels zu finden. Dabei muss man sich merken, welches der sprechenden Tiere welches Nahrungsmittel bekommt, damit es wichtige Informationen preisgibt. Alles in allem kein besonders anspruchsvolles Spielprinzip, aber durchaus kurzweilig.

Und obwohl dieses Spiel  – eben für Kinder gedacht – für Erwachsene recht einfach zu lösen ist, saßen meine Frau und ich eines Nachmittags mit rauchendem Kopf vor den leichten Rätseln und kamen nicht voran. Wollte der Esel jetzt den Apfel oder die Nüsse? Wollte das Pferd die Karotte oder die Pilze? Wie Schafsköpfe saßen wir vor den Kinderrätseln, die wir eine Stunde zuvor noch mit Leichtigkeit gelöst hatten. Wie konnte das sein?

Dieses Rätsel zu lösen fiel uns leicht, als wie bemerkten, dass wir seit dem Frühstück keine Mahlzeit mehr zu uns genommen hatten. Wir konnten uns schlichtweg nicht mehr konzentrieren, weil wir seit einer halben Ewigkeit nichts gegessen hatten. Dieses Vernachlässigen unseres Grundbedürfnisses nach Nahrung hatte schlichtweg unser Hirn temporär ausgeschaltet. Auch das spannendste Spielkonzept konnte uns in diesem Moment nicht fesseln, weil einfach ein grundlegenderes Bedürfnis unsere Konzentration auf andere Dinge lenkte.

Wieviele Schüler sitzen wohl täglich mit Hunger im Unterricht? (Und ich sehe schon, dass das Layout bei Umlauten in der Überschrift in die Knie geht… hrm…)

Noch eine Klausuren-Impression

Ich stelle gerade zum wiederholten Male fest, basierend auf Beobachtungen verschiedener Kurse an verschiedenen Schulen, dass Oberstufenschüler, die erst kurze Zeit in Deutschland sind, mit der Interpunktion fast keine(!) Probleme haben, ganz im Gegensatz zu vielen ihrer deutschen Kollegen. Trotzdem muss ich nahezu jeden Sazu korrigieren, weil Grammatikkenntnisse fehlen oder semantische Schwierigkeiten auftreten, aber die Interpunktion ist bisher bei all diesen Schülern, die ich kenne, tadellos gewsen. Allerdings sind es bislang auch nur zwei. Trotzdem sollte man das mal im Auge behalten und sich bei Erhärtung des Verdachts fragen, warum einige deutsche Schüler trotz längerer Übungsphase Probleme mit der Interpunktion haben. (Liegt’s daran, dass ausländische Schüler, die es auf ein Gymnasium schaffen, intelligenter sein müssen als der Durchschnittsgymnasiast? Liegt’s am späteren Erlernen der Sprache, sodass die kognitiven Fähigkeiten weiter entwickelt sind, wenn Interpunktion erlernt wird?)

Unglücklich

Eigentlich ist jedes Kind begeistert von Tieren und Pflanzen. Wenn Sie aber die Begeisterung der Kinder für den Biologieunterricht messen, dann stellen Sie fest, dass diese von der vierten Klasse an dramatisch abnimmt. (…) Wir treiben den Kindern in der Schule das Interesse an der Biologie systematisch aus. Lernen hängt unmittelbar mit positiven Emotionen zusammen, wir sind nur glücklich, weil wir lernende Wesen sind. Unser Glückszentrum ist eigentlich ein Lernzentrum. Glück und Lernen hängen eng zusammen. Und wie nennen wir die Schule? Den Ernst des Lebens. Falscher geht es gar nicht. (Neue Züricher)

Harte Worte. Von einem Hirnforscher.

Einbildung

Da ja die “Lehrerfehler” noch rechts in der Seitenleiste stehen, hier ein Hinweis auf einen Artikel in der Süddeutschen, wie das Selbstbild von Lernern Einfluss auf deren Leistung nimmt.