„Aufgeflogen“

Upps, jetzt ist es passiert, war nur eine Frage der Zeit: Die aktuelle Ausgabe von „Forum Schule“ nennt mein Blog plus Klarnamen in einem Artikel über bloggende Lehrer und gerade kam schon die erste Kollegin überrascht strahlend auf mich zu. Na dann wünsche ich allen Neulesern viel Vergnügen beim Schmökern… 😉

 

Start ins Schuljahr 2012/13

Geschafft! Der Start ins neue Schuljahr ist geglückt und ich bin, wie Jan-Martin Klinge, stolzer Klassenlehrer einer neuen Fünf, obwohl ich sagen muss, dass ich mich von meiner vorherigen siebten Klasse schon mit zwei weinenden Augen verabschiedet habe – es ist doch sehr schade, dass man „seine“ Klasse gerade in dem Moment abgeben muss, in dem sich alle richtig gut kennen und überwiegend auch sehr gut verstehen. Die hätte ich gerne bis zur Oberstufe unterrichtet.

Und jetzt geht alles wieder von vorne los. 32 neue Schüler, mir völlig unbekannt und die spannende Frage: Wie wird das nun die nächsten drei Jahre werden? Welche Schüler werden auf die eine oder andere Weise besonders herausstechen und mit welchen Kollegen wird es Reibungen geben? Wie wird sich die Arbeit mit den Eltern gestalten? Wird es auch wieder diese eingängige Phase geben, in der Eltern wegen Nichtigkeiten abends anrufen wie „XY hat den Bleistift meines Kindes zerbrochen.“ oder „Es könnte sein, dass mein Sohn vielleicht irgendwann einmal gemobbt wird…“? Werde ich wieder den Typus der Übermutter treffen, der Mücken zu Elefanten (oder eine nette Klasse zu Monstern) macht und dem eigenen Kind kaum Luft zum Atmen lässt?

Überhaupt die Angst vor Mobbing. Das war meiner Beobachtung nach in der letzten Anfangsphase die größte der Eltern, und sie hat sich zum Glück nicht manifestiert. Ich glaube, dass die Institutionalisierung des Klassenrates viel dazu beigetragen hat, unbotmäßiges Verhalten abzufangen, und irgendwie hat es in dieser speziellen Klasse gut funktioniert, dass die guten Schüler auch die peer-group-leader waren. Es musste sich niemand wegen guter Leistungen verstecken, das ist wichtig für ein unverkrampftes Klassenklima. Ich erlebe gerade in einer anderen Klasse das genaue Gegenteil, und es ist schwer, dagegen anzugehen.

Viele Weichen werden sich schon in den nächsten Wochen stellen und darum heißt es, aufmerksam sein. Ich bin gespannt, ob die neue Klasse am Ende auch so viel Spaß machen wird, wie die letzte.

An der Säge

Jedes Halbjahr aufs Neue: Ein etwa 11-jähriges Mädchen schaut mich zweifelnd an, die große Säge in der einen, das Bambusrohr oder Sperrholz in der anderen. Ein Schwirrholz soll es dann meist werden oder eine Panflöte. Die ersten Züge gelingen noch recht grob, die Säge rutscht ab. Sie zweifelt sichtbar. Dann ist der Anfang gemacht, das Blatt zersägt leichtlaufend das Holz. Geschafft. Stolz. Von nun an werde ich nicht mehr gebraucht.

Die Arbeiten meiner letzten Mädchengruppe waren sehr schön, sehr sorgfältig und oft präziser gesägt als die der Jungen. Die sind manchmal zu ungestüm. Manche gestehen traurig, dass sie noch nie gesägt hätten. Die Sorgen der Väter sind dabei unbegründet: Verletzt hat sich in drei Jahren noch niemand. Sie sollten lieber sehen, mit welchem Feuereifer ihre Kinder zu Werke gehen, wenn sie mit eigenen Händen eigene Instrumente bauen dürfen. Ohne Notendruck, einfach nur mit einem Ziel.

Wann habe ich eigentlich das letzte Mal mit meiner Tochter gesägt?

Wozu braucht man eigentlich…

… das Planspiel Börse?
Der Protest der „Occupy Wall Street“-Bewegung weitet sich stetig aus und soll heute auch in stärkerer Form in Deutschland ankommen. Die Wall Street ist heute weniger denn je Symbol für den American Dream und scheint in der öffentlichen Wahrnehmung eher zur Brutstätte des Antisozialen, des elitär-monetären Zirkels mutiert zu sein. War der Berufswunsch „Banker“ in den 90ern noch mit Adjektiven wie smart, dynamisch und erfolgreich beschreibbar, so sitzen heute graue Männer wie der Sprecher des Bankenverbandes mit tiefen Augenringen und dauerhaft blasiertem Lächeln in den Talkshows der Nation.

Und während die Kurse wegen der umtriebigen Banken und der verschuldeten Staaten an den Börsen so dahinpurzeln, habe ich mich gefragt, was nun die armen Schüler machen, die am alljährlichen Planspiel Börse beteiligt sind? Wer gewinnt da nun den Preis? Der mit dem geringsten Verlust? Der, der alles konservativ auf Apple gesetzt hat? Ich erinnere mich noch gut an mein Planspiel Börse, diesem Werbewettbewerb für asoziales Finanzwesen: Niemand, auch kein Sowi-Lehrer, hat uns über den moralischen Faktor von Aktien aufgeklärt, über die Bedeutung von Arbeitsbedingungen hinter den Aktien, über den Unterschied zwischen Werterschaffung durch Produktion und den vernichtenden Pseudowerten, die die Fierberkurven an den Börsen widerspiegeln. Langfristige Investments? Pustekuchen! Kurz anlegen und in wenig Zeit das Maximale aus den Aktien herausquetschen. Pennystocks gab es damals noch. Stattdessen hat man uns Roulette spielen lassen, gesetzt wurde hier und dort, der Glücklichere bekam einen Preis, fühlte sich wie ein drei-viertel Börsenguru und irgendwie war doch alles ganz nett. Schön unkritisch, beste Werbung für eine Branche, die nun verbrannte Erde in der westlichen Hemisphäre hinterlässt.

… Matheunterricht?
Ich beziehe mich im Folgenden auf den Artikel „Wozu braucht man das eigentlich?“ im (wunderbaren) Halbtagsblog. Jan-Martin weist auf das Problem hin, dass viele Schüler bezweifeln, dass sie gewisse Inhalte des Matheunterrichts für ihr späteres Leben benötigen und geht dieser Frage nach. Seine Antwort lautet:

Die Mathematik aber zwingt die Schüler zum Nachdenken. Und zwar kontinuierlich. Man sitzt vor einem Problem und muss es lösen. Dieses “Problemlösen” ist als Kompetenz in keinem anderen Fach (wenn überhaupt) so stark ausgeprägt. Selbstveständlich sind die Probleme sowohl künstlich als auch abstrakt: “Wie lauten die Nullstellen dieser Funktion?” 

Nun ja. Hrm. Da sträubt es sich gleich doppelt in mir. Zum einen, weil ich durchaus hoffe, dass ich das Problemlösen gelernt habe, obwohl ich meine Fünf in Mathe bis in die Oberstufe vor mir hergeschoben habe. Und zum anderen, weil ich mich durchaus bemühe, meine Fächer Deutsch und Geschichte problemorientiert zu unterrichten.

Das Errechnen von Nullstellen ist für mich kein Problem, es ist eine Aufgabe. Und eine sinnlose dazu, das ist ja das Problem der Schüler (und meines ebenfalls). Wie berechne ich die Summe meines Einkaufs? Wie das Wechselgeld? Ich will mein Geld beim Planspiel Börse anlegen und dabei den Vorjahressieger übertrumpfen – welche Rendite muss ich dafür erwirtschaften? Das sind Probleme, und das begreifen alle Schüler. Aber warum sollen sie Nullstellen von Funktionen berechnen? Wofür benötigt man diese Fähigkeit? Ich weiß es bis heute nicht. Vielleicht, wenn man Informatiker oder Statistiker werden will. Oder Mathelehrer.

Ich erinnere mich an meinen Geometrieunterricht: Dreiecke türmten sich an der Tafel, flankiert von Kreisen und Quadraten, massenweise Formeln, Pi und Hypotenusen. Alles abstrakt: Unser einziges „Problem“ waren die Fragen unserer Lehrer: Wie lang ist die Hypotenuse… Wie lautet der Satz des… Irgendwann in meinem Studium habe ich dann japanischen Matheunterricht anschauen dürfen. Der Mathelehrer erklärte den Schülern anhand der Gestaltung eines Grundstücks, wofür Geometrie nützlich ist. Mit „echten“ Alltagsproblemen wie: Wie groß darf der runde Teich werden, wo kann ich eine Grube für den Schuppen ausheben, usw. usft. Das war einfach, unaufwendig und plausibel! Warum haben meine Mathelehrer das nicht gemacht? Warum haben sie sinnentleerte Übungen mit uns vollführt?

Haben wir dadurch das Denken gelernt? Kein Stück. Ich habe gelernt, Unzulänglichkeiten zu kaschieren und auf den Boden zu schauen, statt Fragen zu stellen. Ich habe gelernt, dass man dumm ist, wenn man Nullstellen nicht richtig berechnet und dass man mit Problemen alleine gelassen wird. Ich habe gelernt, wie man mathematische „Probleme“ liegen lässt. Und etwas später habe ich gelernt, dass ich all das als sinnlos Empfundene wirklich nicht brauche. Nicht einmal zum Problemlösen. Aber zu den Problemen vielleicht an anderer Stelle mehr… (muss jetzt leider weg…)

Überhang abbauen

Das hätte ich nicht erwartet. Wirkich erstaunlich. Was das ausmacht, zwei Stunden weniger zu unterrichten. Lächerliche zwei Stunden weniger. Damit aber auch eine Lerngruppe weniger. Und auch eine Korrektur weniger. Das bedeutet über den Daumen gepeilt: 30 (Schüler) x6 (Klassenarbeiten pro Schuljahr) x 30 Minuten (nett veranschlagte Korrekturzeit für eine Arbeit) = circa 90 Stunden weniger Korrekturzeit. Dazu die entfallende Belastung durch Stundenvorbereitung. Ich komme mir vor wie im Schlaraffenland, obwohl ich immer noch 23 Stunden habe. „Überhang abbauen“ nennt man das bei uns und ältere Kollegen hatten gemahnt, das möglichst zügig zu machen, da es durchaus zu politischen Konstellationen kommen kann, in denen auch zweistellige Überhänge einfach mal verfallen können. Wie auch immer: Sogar einen freien Freitag habe ich alle zwei Wochen, trotz voller Stelle. Wahnsinn.

Montag kommen die ersten Klausuren, bin mal gespannt, wie ich dann über den Überhangabbau schreibe. 😉

Neues Schuljahr ante portas

Da wären wir, Mittwoch geht es hier in NRW wieder los. Meine Unterrichtsverteilung sieht ganz gut aus: Nur vier Korrekturgruppen erwarten mich und ich darf mich auf eine neue fünfte Klasse freuen, die ich als Co-Klassenleitung in den nächsten Jahren begleiten darf.

Erster Grundkurs 12 in Geschichte
Besonders spannend wird ein Grundkurs 12, den ich in Geschichte bekomme, denn weil ich bisher sooo wenig Geschichte unterrichtet habe, komme ich mir fast schon wieder wie ein Neuling vor. Andererseits kann ich mir nichts Schlimmeres vorstellen, als dauerhaft dasselbe Fach unterrichten zu müssen – es gibt ja durchaus Kollegen, die auf nur ein Fach „gebucht“ sind, und nach einigen Jahren ist diesen das zweite Fach dann doch so fremd, dass sie es gar nicht mehr gerne unterrichten möchten. Das möchte ich nicht, ich will schon gerne beide Fächer unterrichten und das liegt nicht nur an der Korrekturbelastung, die man über Deutsch ja immer hat. Und da wir eine riesige Fachschaft Geschichte haben, bin ich gar nicht böse über einen GK 12.

Rituale Treffen
Heute waren die ersten Fachgruppentreffen (die Deutschlehrer treffen sich, die Mathelehrer…) und wir haben Inhalte des kommenden Schuljahres grob abgestimmt. Eigentlich bräuchte man dafür keine Treffen, weil alles Nötige in den schulinternen Lerhplänen steht, aber für neue Kollegen ist das eine gute Gelegenheit, vorgestellt zu werden, und ich vermute insgeheim, dass der rituelle Aspekt bei diesen Treffen wichtiger ist als der sachliche. Man kann sich so schon ein wenig auf das kommende Schuljahr einstimmen und die Ferienerlebnisse bequatschen, womit der Quatschbedarf der ersten Schulwoche erheblich entlastet wird und alle sich brav auf ihre Arbeit konzentrieren können… 😉

Wünsche allen NRW-Kollegen einen guten Start ins neue Schuljahr (und auch denen aus anderen Bundesländern…)

Geburtstagsüberraschung

Überraschungen dienen dazu, dem anderen zu zeigen, dass man ihn wertschätzt und auf seine Bedürfnisse achtet. Da komme ich heute in eine verdächtig nach Wunderkerzen müffelnde neunte Klasse und sehe eine Gruppe Schülerinnen um eine liebevoll gestaltete große Sahnetorte in Herzform geschart. Dahinter ein strahlendes Geburtstagskind. Zwei Tage zuvor Ähnliches in derselben Klasse: Ein Geburtstags-Schüler packt sein vermutlich nicht minder liebevoll in Alu-Folie eingepacktes Geschenk aus: Zwei schmackhafte Bratwürste, dahinter ein dickes Grinsen des Geburtstagskindes. Man achtet aufeinander und das wirkt sich auch auf das Unterrichtsklima (nicht unbedingt auf die Leistungen) aus.

Zu schade, hatte heute meine letzte Stunde in (m)einer Lieblingsklasse.

Experimentelle Archäologie und Rachegelüste

Also ehrlich, da bestellt man einmal etwas im Internet per Kreditkarte und schon schlagen die fiesen Hacker zu. Da wähnte ich mich in Sicherheit als ich ein Abo beim Sony-Musikdienst Qriocity abschloss und nun liegen alle meine Daten bei irgendeinem doofen Hacker, der sich eine goldene Nase damit verdienen wird. Und abgeschaltet ist der Dienst nun obendrein, wenn auch nur vorübergehend. Dabei würde ich jetzt wirklich gerne einmal nach diesem Komponisten namens Jaoquin Rodrigo suchen, dessen „Concerto de Aranjuez“ ich am Wochenende kurz auf dem ZDF(?) genießen durfte. Bin ja eher kein Kitsch-Klassiker, aber die leise Gitarre und das laute Orchester haben mich doch fasziniert. Muss also übergangsweise auf Last.fm ausweichen.

Und während sich irgendwo der miese Datendieb meiner Datensätze erfreut, hat mir heute ein netter Kollege ein riesiges Stück Holz in die Schule mitgebracht. Esche. Für einen Bogen. Ja, richtig. Für so einen echten Flitzebogen aus Holz. Ich wandele ja ab und an gerne (aber viel zu halbherzig) auf den Spuren experimenteller Archäologen und finde es viel spannender, mit Geschichte praktisch anzueignen, und da ich schon immer einen Steinzeit-Bogen bauen wollte, kam mir das Holz gerade recht.

Bei ca 1,80 cm Höhe dürfe das Material sogar für einen englischen Langbogen ausreichen. Ich bin mir allerdings meiner handwerklichen Fähigkeiten nicht ganz sicher. So etwas wie eine Werkbank besitze ich nicht und mein „großes“ Werkzeug stammt größtenteils vom Discounter und wird bestenfalls alle zwei Jahre einmal mit Strom versorgt, wenn irgendwo ultraleichte Hausmeisterfähigkeiten gefragt sind. Aber aktuell muss ich das Holz nur an bestimmten Stellen leimen, damit es sich nicht verzieht, und es bis zu den Sommerferien weiter trocknen lassen. Und dann sehen wir mal weiter.

Aber dann, aber dann: Sollte der Bogen irgendwann einmal wirklich fertig sein, sollte der gemeine Hacker sich warm anziehen… 😉

Motivation

Vorletzte Woche zweimal „hinterm Rücken“ von Schülern aus Unter- und Oberstufe bei anderen Kollegen für meinen Unterricht gelobt worden, die es mir netterweise auch mitgeteilt haben. Das motiviert viel mehr als fragwürdige Bonuszahlungen, auf die ich gerne verzichte. Wüsste nur gerne, was denen genau gefallen hat, denn auch zahlreiche Evaluationen haben mir da noch nicht wirklich weitergeholfen. Muss ja nicht heißen, dass der Unterricht wirklich gut ist, sondern nur gut ankommt… Besonders wenn Referendare dabei sind, habe ich immer das Gefühl, einen  f u r c h t b a r e n  Unterricht zu machen. Nun ja, noch eine Woche, dann beginnen in NRW die Osterferien und diesmal habe ich die wirklich dringend nötig…

P.s.: Habe wohl gerade wieder eine Intensivschreibphase… das legt sich erfahrungsgemäß bald wieder… 😉

Wandertag auf der Eisbahn

Ich erfinde noch dem schlüpfenden Stahl
Seinen Tanz! Leichteres Schwungs fliegt er hin,
Kreiset umher, schöner zu sehn.
(Auszug aus: Der Eislauf, Klopstock, 1764)

Auf der Eisbahn haben wir den letzten Wandertag verbracht und es hat sich wirklich gelohnt. In der Regel bin ich ja sehr vorsichtig, was möglicherweise „gefährliche“ Ziele bei Wandertagen angeht, aber mittlerweile verliere ich doch die Scheu, zumal ich vor einigen Jahren regelmäßig auf Kufen gestanden habe. Nun, so elegant wie der Läufer in Klopstocks Gedicht bin ich auf dem Wandertag nicht über das Eis getänzelt, aber dafür, dass ich mindestens 13 Jahre nicht mehr eisgelaufen bin, habe ich eine recht ordentliche Figur gemacht. Vorsichtige Schätzungen waren von fünfmal „Maulen“ (Bielefelder Jugendjargon für „aufs Maul legen“) ausgegangen, letztlich habe ich mich die ganze Zeit sehr passabel aufrecht halten können.

Die Sechstklässler hatten, egal ob gewohnte Eisläufer oder Erstversucher, nahezu gar keine Probleme mit den Schlittschuhen. Es ist immer wieder verblüffend, wie leicht Kinder ihren Körper beherrschen – ich kann dieses ganze Gejammere über die fette, unsportliche Jugend nicht mehr hören. Selbst die, die noch nie eisgelaufen sind, flitzten nach einer Stunde übers Eis, als hätten sie nie etwas anderes gemacht.

Eisbahn

Eisbahn