Immer wieder freitags…

Wie immer erfuhren wir es aus den Medien: Ab nächstem Montag dürfen Schüler*innen der Klassen 1-7 in den Präsenzunterricht kommen, müssen aber nicht. Ab Klasse 8 gilt Distanzunterricht.

Als die Info hart bei uns aufschlug, war der Unterricht schon gelaufen. Wie jedes verdammte Mal hat unsere Landesregierung bis zum allerletzten Moment gewartet, um sich dann für die schlechtestmögliche Lösung zu entscheiden. Ich muss sagen, dass ich wirklich wütend über diese Entscheidung und vor allem über den Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung bin!

Während Frau Gebauer die ganze Woche lang eine harte Linie gegen die Empfehlung der Leopoldina fuhr und ein Aussetzen der Schulpflicht ausschloss, fand dann heute eine 180-Grad-Wende bei semantischem Winkelzug statt: Während der Unterricht noch lief, verkündete man im Bildungsministerium ein Aussetzen der Präsenzpflicht mit den oben genannten Regelungen. „Präsenzpflicht„ ist ja nicht gleich „Schulpflicht“. Toll, da ist man ja mal wirklich hart bei seiner Linie geblieben! De facto ändert sich dadurch wenig.

Aber wunderbar! Dann komme ich am Montag in die Schule und habe dort vermutlich maximal drei Kinder pro Klasse sitzen, die ich präsent unterrichten soll – und nebenher warten die 23 restlichen Kinder zuhause darauf, dass ich mich per Videokonferenz melde, ihnen Distanzaufgaben schicke und mich ihren Ergebnissen widme. Das bedeutet doppelte Arbeit, doppelten Zeitaufwand und Fahrtzeiten, die man sich mit einem vollständigen Schließen der Schulen hätte sparen können.

Und warum in Gottes Namen wurden und werden all diese Entscheidungen immer! erst! freitags! kommuniziert? Geht es nicht auch am Donnerstag? Dann hätten Schulen im Großen und Kleinen wenigstens 24 Stunden Zeit, um noch einmal alles vorzubereiten! Denn – ja! – es werden wieder Kinder ihre Bücher in der Schule „vergessen“ und vergessen haben! Lehrer hätten Kinder ein letztes Mal face to face auf langfristige Aufgabenstellungen vorbereiten können, hätten noch einmal checken können, ob alle auf die Lernplattform kommen, hätten Probleme mit digitalen Endgeräten lösen können, hätten abfragen können, wer ab Montag nicht mehr kommen wird usw. usft.

Pustekuchen. Pünktlich freitags um 11.00 Uhr wird so etwas gottgleich in die Medien geblasen. Ich bin wirklich sauer!

Nachtrag

In den Kitas wälzt die Regierung ebenfalls die Verantwortung auf die Eltern ab. Das ist einfach unglaublich.

Wenn Deutschlehrer bluffen

Ich habe mich hier nun selbst schon lange nicht mehr blicken lassen, aber für einen Link auf diesen wunderbaren Text „Furcht und Elend des Deutschunterrichts“ muss das sein.

Von der Waffe der schlechten Benotung, dem Bluff der Strenge und der systematischen Vernichtung kindlichen Selbstvertrauens durch Deutschlehrer. Klingt schlimm, aber den Text hat jemand mit Herz geschrieben. Chapeau, unbekannter(?) Autor.

Applaus!

Es gibt „Applaus für die Lehrer!“. Danke dafür, liebe Frau Heidenfelder.

(Und bislang nur vier Kommentare, die nicht damit einverstanden sind, dass meiner schmarotzenden, überbezahlten, megafaulen und fortbildungsresistenten Berufsgruppe ein bescheidenes Lob ausgesprochen wird. Ich staune.)

Unterricht unter Hygienebedingungen?

Armin Himmelrath findet in seiner Analyse bei Spiegel Online „Vier Gründe, warum die Schulen nicht einfach wieder öffnen können“. Das ist für alle Lehrerinnen, die sich fragen, wie es nach den Osterferien weitergeht, eine spannende Frage und Himmelraths Überlegungen zur Umsetzung von Hygienebestimmungen bei Personalmangel, Platzmangel in den Klassen oder Problemen beim Bus-Transport scheinen alle sehr plausibel.

Eine Sache spart Himmelrath jedoch aus: Hat man dann zehn Schüler mit einem Bus in einen Klassenraum gesetzt, soll ja irgendwie Unterricht stattfinden. Der kann dann offensichtlich nicht so funktionieren wie vor Corona, denn es sollte dann ja auch idealerweise für Lehrkräfte der Sicherheitsabstand gelten (oder nicht?). Wie könnte man das lösen?

Einfach x-mal dieselben Inhalte mit kleinen Schülergruppen zu wiederholen, das wäre ja sterbenslangweilig. Wie also dann? Per Flipped Classroom? Also der Idee, dass die Schülerinnen sich zuhause mit einem Material (Lesetext, Video, Bild, Aufgabe …) auseinandersetzen und man sich lediglich zum Austausch über die Ergebnisse in der Schule trifft? (Herr Rau z. B. hat mit Video und Ton schon etwas experimentiert.) Das setzt natürlich schon eine ganz ordentliche Vorarbeit seitens der Schülerinnen voraus.

Bei uns wäre es evtl. vorteilhaft, übergangsweise das 90-Minuten-Raster auszusetzen oder vielleicht ganz generell nicht in klassischen Schulstunden zu denken. Hm, ich merke gerade, ich muss dazu noch ein wenig nachdenken…

Was Eltern leisten.

Es ist die große „ich klaube mir Links bei Buddenbohm zusammen“-Woche. Nachdem heute morgen die Schulleiterperspektive dran war, folgt nun die Elternpersktive: „Homeschooling, my ass“! Dort beschreibt Lisa Harmann, warum ein süffisantes „Hach, jetzt seht ihr Eltern mal, was Lehrer so leisten“ in keiner Weise angemessen ist.

Maik Riecken hatte vor gut einer Woche dazu auch schon was („Kurzer Rant über Elternspott einiger Kolleg*innen“) geschrieben.

Einfache Sprache

Elternbriefe schreiben. Und immer die Frage im Hinterkopf: Soll ich nun einfache Sprache nutzen oder denken dann alle, was für ein unterbelichteter Deutschlehrer ich bin?

Zur 9. Schulmail zum Umgang mit Corona-Virus an Schulen.

Es gibt so Mails, da kriege ich Blutdruck. Gestern kam eine vom Schulministerium, das war so eine. Vorab: Ich unterstütze das Anliegen der Landesregierung, systemrelevante Berufe zu unterstützen, indem Lehrerinnen die Betreuung dieser Kinder in einem angemessenen Rahmen aufrecht erhalten. Auch am Wochenende, auch in den Osterferien.

Die Gefahren für Lehrerinnen dabei kleinzureden, halte ich aber – insbesondere nach der Ansprache der Bundeskanzlerin und der stetigen Verschärfung der Maßnahmen – für den falschen Weg:

Ohne jeden Zweifel: das oberste Gebot ist auch für mich, Gefahren zu minimieren und Ihre Gesundheit zu schützen. Deshalb haben wir klargestellt – und werden dies gegenüber Eltern auch noch einmal öffentlich tun: In die Notbetreuung dürfen nur solche Kinder, bei denen nicht der geringste Verdacht auf eine Corona-Infektion besteht. 

Soll das ein schlechter Witz sein? „Nur solche Kinder, bei denen nicht der geringste Verdacht auf eine Corona-Infektion besteht“? Wir haben hier eine völlig unklare Symptomlage, Inkubationszeiten von bis zu 14 Tagen – und dann „dürfen“ (Zitat!) nur solche Kinder in die Betreuung, bei denen nicht der „geringste Verdacht“ besteht? Und das, wo man bei Kindern häufig nicht merkt, dass sie infiziert sind? Seriously?

Und es geht noch weiter:

Allerdings darf die Betreuung in geschlossenen Räumen und von persönlich bekannten Kindern bzw. Eltern auch nicht mit dem Zusammentreffen fremder Menschen in der Öffentlichkeit, das auf zwei Personen beschränkt ist, gleichgesetzt werden. Dort müssen wegen des Infektionsschutzes strengere Maßnahmen greifen.

Ach wie? Bei „persönlich bekannten Kindern bzw. Eltern“ übertragen sich Viren plötzlich nicht mehr? Draußen, wo ich ggf. selbst schnell für Abstand sorgen kann bzw. mich dafür entscheiden kann, einfach gar nicht rauszugehen, sind dem Schulministerium zufolge also strengere Maßnahmen nötig als in einem begrenzten Klassenraum, wo alle Personen die gleichen Türklinken, Lichtschalter, Wasserhähne etc. benutzen und eine schlechtere Belüftung herrscht? Da darf man nun doch mit mehreren möglichen Infektionsherden auf einem Haufen hocken? Kann ich morgen dann doch noch einen Elternabend machen? Ernsthaft? Und weiter:

Wir müssen uns darauf verlassen, dass nur infektionsfreie Kinder in die Notbetreuung kommen. Und nur die Eltern können gewährleisten, dass ihre Kinder auch außerhalb der Notbetreuung von Infektionsherden ferngehalten werden. Wir werden daher auch von hier einen entsprechenden Appell veranlassen.

Wie beruhigend! Ein „Appell“ an die Eltern. Die ja auch nicht wissen, ob ihre Kinder infiziert sind. Danke, liebes Ministerium, für diese umfassende Fürsorge und die zahllosen schützenden Maßnahmen!

Ich zitiere passend dazu aus einem Interview mit einer in Deutschland praktizierenden Ärztin, die einen genauen Blick auf China hat:

Um Neuinfizierungen zu vermeiden, müsste man jene Schutzmaßnahmen einführen und für den Zyklus mindestens einer Inkubationszeit – also 14 Tage – das öffentliche Leben einstellen. Wir verlieren mit unserer Inkonsequenz doch nur unnötig Zeit, zum normalen Leben zurückkehren zu können. Was hat es für einen Sinn, wenn die Kinder „systemrelevanter“ Eltern weiter ohne Schutzmaßnahmen in die Betreuungsangebote gehen dürfen? Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich sowohl Kinder, Erzieher als auch Eltern gegenseitig in einer Art Teufelskreis infizieren, zumal wenn gerade jene Eltern berufsbedingt – beispielsweise als Arzt oder Polizist – einer hohen Ansteckung ausgesetzt sind. In China wurden sämtliche Betreuungsangebote konsequent eingestellt.Also,

Also, liebes Ministerium, wenn ihr schon an die Einsatzbereitschaft und die Bedeutung der Betreuung für die Bekämpfung der Corona-Epidemie appelliert, dann:

  1. Seid ehrlich und verharmlost nicht die Gefahren!
  2. Sorgt dafür, dass Eltern und Schülern die Regeln klar sind! Manche fordern Betreuung auch im Sinne von direkter Hilfestellung bei Aufgaben ein. Betreuung kann nicht heißen, dass Kolleginnen sich über möglicherweise infizierte Schülerinnen beugen sollen!
  3. Sorgt für ausreichenden Schutz! Handschuhe, Mundschutz, Desinfektionsmittel, Seife, warmes Wasser – you name it! Auch das würde den Kolleginnen mehr helfen als eure wachsweichen Worte.

Kümmert euch! Schwafelt nicht!

Jugendherberge ist…

Jugendherberge ist…

… wenn deine Balkontüre im ausgewiesenen Leiter-Zimmer fest verschlossen ist, aber die vom Sechser-Jungenzimmer nebenan nicht (Fluchtweg mit Option auf Kontakt zu anderen Zimmern).

Orrr!

Arbeitszeitanalyse

Heute zwischendurch mal den Gedanken gehabt, dass ich bei einem bedingungslosen Grundeinkommen gerne auf 75% herunterschalten würde. Bei meiner Allerweltskombination würde sich jede Schulleitung die Hände reiben, würden aber die MINT-Kollegen auf die gleiche Idee kommen, dann könnten Schulen dicht machen. Vielleicht doch keine so gute Idee…

Und wo ich gerade bei Arbeitszeit bin: Seit gestern läuft die Arbeitszeituntersuchung des Philologenverbandes. Man muss kein Fan des PhV sein, aber jede empirische Arbeitszeituntersuchung ist besser als keine Arbeitszeituntersuchung. In Niedersachsen war die GEW zuletzt recht erfolgreich, wenn ich mich recht entsinne, also macht mit, wenn ihr eine Einladung bekommen habt! Mitmachen kann man leider nur mit persönlicher TAN.