Warum Lehrkräfte aussteigen

Heute morgen einen Podcast von „SWR 2 Wissen“ gehört, der die Problematik der Lehrerarbeitszeit auf den Kopf trifft:

Im Kern geht es darum, warum Lehrer aussteigen und welche Hindernisse man (verbeamteten) Lehrern dabei in den Weg legt. Schon die erste Minute möchte man nur „ja!“ schreien. Mein Lieblingszitat: „Lernen wir auch noch oder geht es die ganze Zeit um das Verwalten von Leistung?“ Auch den Gedanken „Ich habe mich dafür entschieden, Lehrer zu sein und kein Verwaltungsbeamter“ hatte ich schon so oft und dieses ständige (und immer weiter anwachsende) Herumverwalten vergällt mir immer mehr die Freude am Beruf.

Positiv wird die Villa Wewersbusch erwähnt, das merke ich hier einmal an, weil die in meiner damaligen Twitter-Bubble doch immer (auch von mir) eher kritisch beäugt wurde. Zum Thema Lehrerarbeitszeit hat Herr Rau erst kürzlich einen langen Beitrag verfasst.

Mehr Wertschätzung könnte helfen

Ach wie, herrscht etwa ein sogenannter „Lehrermangel“? Allerorten Gejammer um zu wenig Lehrer. Ich suche jetzt nicht die im dutzend täglich neu erscheinenden Artikel heraus, es reicht, wenn man diesen beispielhaft nimmt: „Sachsen-Anhalt findet 75 neue Lehrkräfte – per Headhunter. (…und will künftig weltweit suchen lassen)“. In Berlin verbeamtet man wieder. Woanders gleicht man gar die Gehaltsstufen aller Lehrer auf A13 an. Shocking! Wie konnte es nur so weit kommen?

Da lobe ich mir mein kleines Blog, schaue ein paar Jahre zurück und stoße auf Diskurse, in denen Lehramtsstudierende als faules und inkompetentes Pack dargestellt wurden. Auslöser war die Rauin-Studie, die durch alle Medien hoch und runter gejazzt wurde. Daneben immer wieder „Studien“, die zeigen sollten, wie unfair und biased Lehrer sind; mit Bachelorarbeiten zu Vornamensstudien könnten wir problemlos den Reichstag verhüllen. Und dann jammern die faulen Säcke auch noch andauernd, sodass es kaum wundert, dass eine Lehrerhasserin zur Bestsellerautorin werden konnte. Wen wundert’s, dass unter jungen Menschen niemand Lust hat, in den Olymp der Inkompetenz, Faulheit, Unfairness und Charakterlosigkeit aufzusteigen?

„Mehr Wertschätzung könnte helfen“, sagt Oliver Welke in der heute-show vom 16.9.

Da mag er Recht haben.

Der verhasste Kopierer

Ich hasse ihn und ich hasste ihn schon immer. Er verkleinert immer falsch, er vergrößert immer falsch. Er schneidet Ränder ab, die er lassen soll oder macht tiefschwarze Ränder, was er lassen soll. Er verschluckt sein auf ihn abgestimmtes Papier zu gierig und erstickt daran täglich. Er verpestet die Luft mit Mikropartikeln, doch das Fenster muss geschlossen bleiben wegen Papierstaugefahr. Für Folien erwartet der feine Herr die Eingabe über eine Extra-Klappe, meinen USB-Stick lehnt der Connaisseur ab. Wie ein Buchhalter zählt er gnadenlos jede Kopie einzeln, egal ob doppelseitig oder einseitig. Ich hasse ihn und er hasst mich.

Ich würde diesen Zeitfresser gerne vollständig durch digitale Handgeräte ersetzen, aber: In einer Sache ist er unschlagbar! Denn wenn man doch einmal erfolgreich kopiert, sorgt er dafür, dass alle gelben Textmarkermarkierungen verschwinden. Das ist toll und mit moderner, hochauflösender, in allen Farben gewiefter Digitaltechnik leider nicht möglich.

Oder gibt es dafür auch schon eine digitale Lösung? Weiß vielleicht jemand Rat?

Was man nicht lesen will…

Was man aus seiner eigenen Stadt eigentlich nicht lesen will: „Wie berichtet, hatte es 2022 bereits zwei Amok-Androhungen an Schulen (Helmholtz-Gymnasium in Mitte und Schule am Möllerstift in Brackwede) sowie eine tatsächliche Amok-Tat am Berufskolleg Senne in Brackwede gegeben.“ (NW)

Braucht niemand.

Weniger Bundesrechnungshof, mehr Panama wagen!

In der letzten Woche sind mir zwei Meldungen untergekommen, an denen ich nicht vorbeikomme, ohne sie zu verbloggen.

Eine wunderschöne Meldung aus Panama erreichte uns am Donnerstag: „Panamaischer Politiker stürzt mit Helikopter ab – und meldet sich per Video“. Der Spiegel erläutert dazu: „Wie unter anderem die Zeitung »Panamá América« berichtete, sendete Flores anschließend selbst einen per Video aufgezeichneten Hilferuf von der Unglücksstelle und alarmierte Retter.“

Wir halten fest: Du kannst im panamaischen Dschungel mit einem Flugzeug abstürzen und danach mit einem Video(!) um Hilfe rufen. Solltest du dagegen in einer deutschen Großstadt in eine Notlage geraten, stehen die Chancen ziemlich gut, dass du mit einem gebrochenen Bein im Hinterhof liegst und kein ausreichendes Netz hast.

Eine weitere Meldung, die bei mir erheblich Blutdruck verursacht hat, war diese: „Kritik an Bildungspaket: Bundesrechnungshof fordert Ende des Digitalpakts Schule“. Zusammengefasst: Der Bundesrechnoungshof kritisiert die Finanzierung des Digitalapaktes scharf und fordert, „auf die Verlängerung … zu verzichten“. Bemängelt wird, dass der Bund Gelder für Aufgaben ausgibt, die eigentlich den Ländern zugewiesen sind. Und: „Der Bund beteilige sich an einer Verbesserung des digitalen Lernens, ohne dass deren [sic] Erfolg feststellbar sei.“

Das platzt mir wirklich gerade die Hutschnur, bei all diesem Komptenzenquatsch! Solche Äußerungen versauern mir den Föderalismus von Jahr zu Jahr mehr.

Ich muss an dieser Stelle betonen, dass der Digitakpakt Schule das einzige mir bekannte wirklich sinnvolle Maßnahmenpaket ist, das ich in meiner bisherigen Schullaufbahn kennengelernt habe. Denn der Digitalpakt wurde von meinem chronisch unterfinanzierten Schulträger, der Stadt Bielefeld, dankend angenommen und umgesetzt. Aktuell werden alle (über 80!) Schulen des Schulträgers mit moderner digitaler Infrastruktur ausgestattet. Dabei hat die Stadt sehr wohl darauf geachtet, die Gelder nicht für Fotoprojekte (Smartboards) auf den Kopf zu hauen, sondern Praktikabilität und Infrastruktur in den Vordergrund gestellt (Glasfaser, Stromanschlüsse, einheitliches WLAN sowie Beamer + Lautsprecher oder große Displays und jeweils Apple-TV als Konzept für die ganze Stadt). Diese Ausstattung wird nun für jeden Unterrichtsraum in jeder einzelnen der über 80 Schulen plus Nebenstandorte angeschafft und installiert. Das erscheint mir alleine für unsere Schule mit gut 1.000 Schülerinnen ein Wahnsinn, aber das Ganze auf über achtzig Schulen hochgerechnet ist eine Mammutaufgabe, der sich der Schulträger hier in Bielefeld gestellt hat. Chapeau!

Noch hängen die Beamer nicht in meiner Schule und noch sind die Displays nicht installiert. Aber dank Digitalpakt weiß ich, dass die Fördergelder bei uns ankommen werden! Wie gesagt: Ein Schulträger, aber 80 Schulen, dabei ein Mangel an Handwerkern, ggf. Lieferschwierigkeiten – und auch in den Schulen ändern sich jährlich die Rahmenbedingungen durch neue Räume, Umbauten oder Neubauten. Ich habe ganz große Demut vor dem, was die Menschen in der Verwaltung gerade leisten. Dass eine „Verbesserung des digitalen Lernens“, wie die Damen und Herren auf den Bürostühlen des Bundesrechnungshofes bekritteln, nicht anhand der abgeflossenen Mittel gemessen werden könne, ist wohlfeil argumentiert. Ich behaupte: Ohne die digitale Mindestausstattung aufgrund des Digitalpaktes müssten wir auf die erhoffte Verbesserung noch lange warten.

Vielleicht sogar noch länger als auf ein zuverlässiges Mobilnetz in deutschen Großstädten. Mehr Panama, weniger Bürokratie!

Alte Männer vermissen ihre alte Welt

Ich hab’s ja gestern schon öffentlich zugegeben: Ich alter Mann vermisse die gute alte Blogosphäre aus den 2000ern. Aber ich bin auch selbst schuld, gell? Zu lange auf Twitter herumgehockt, in ruheloser Frequenz sinnlose Einzeiler gepostet und das Bloggen vernachlässigt. Aber hätte es etwas geändert, wenn ich fleißig durchgebloggt hätte? Natürlich nicht. Niemand kann derartig mächtige gesellschaftliche Entwicklungen im Alleingang aufhalten. Die Welt und die Menschen in ihr verändern sich; man kann sich dem Wandel entgegenstemmen und daran zerbrechen oder man lernt, sich anzupassen. Das nennt man Evolution und ist das jahrmillionenalte Erfolgsrezept fürs Überleben auf unserem gesamten Planeten.

Und so ich kann ich es ein Stück weit verstehen, wenn heute zwei ältere Männer ihrer guten alten Welt nachjammern. Da hätten wir einerseits Jürgen Kaube aus der FAZ, der sich anlässlich der Streichung des „Faust“ aus dem bayerischen Abitur bitterlich über den heutigen Literaturunterricht beschwert. Quintessenz: Man lese lächerlich wenig an deutschen Schulen, fünf Ganzschriften seien zu wenig, denn einzelne Werke müssten den gesamten Kanon repräsentieren. In den Kommentaren tobt der Mob, man könnte fast glauben, in Bayern wäre eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen eingeführt worden.

Milchmädchen

Kein Faust mehr! Der Autor bedauert: „So war „Faust“ seit 2016 Pflichtstoff an bayerischen Gymnasien, war bis 2019 in Nordrhein-Westfalen obligatorisch, ist es noch in Hessen und Schleswig-Holstein.“ Richtig. Seit 2021 gibt es in NRW keinen Faust mehr. Obligatorisch war der „Faust“ aber auch davor in NRW nicht immer. In den ersten Jahren des Zentralabiturs gab es in NRW keinen „Faust“ – stattdessen: Schillers „Don Karlos“ oder Büchners „Dantons Tod“. Warum auch nicht?

Ich fände es auch recht unterhaltsam, den Autor dabei zu beobachten, wie es ihm gelingt, mehr als fünf Lektüren im Unterricht erschöpfend (denn das dürfte ja sein Anspruch sein) zu behandeln. In seinem Text rechnet er sich aus, wie wenig deutsche Schüler zu lesen angehalten seien (nur 27 Seiten beim Faust! Nur fünf Ganzschriften in zwei Jahren!), denn beim bloßen Durchlesen wird es ja nicht bleiben können. Vergessen wird auch, dass das letzte Halbjahr zum einen der Wiederholung des zuvor Erarbeiteten, aber eben auch der ganz praktischen Abiturdurchführung gilt. Dabei ist es zumindest in NRW immer so, dass das erste Halbjahr für die Abiturienten direkt vor Weihnachten endet, womit der Zeitrahmen enger bemessen ist als bei Schülern der Sekundarstufe I. Denn neben dem reinem Lesen von epischen und dramatischen Ganzschriften sollen Schüler gewiss auch die Lyrik ausgiebig analysieren sowie sprachliche und methodische Kompetenzen vertiefen, die eigene Schreibkompetenz stärken und verbessern, die Medienkompetenz ausbauen (siehe unten) und ferner Sprachgeschichte und Sprachwandel (wahlweise auch die Sapir-Whorf-Hypothese, Sprachskepsis oder Sprachentstehungstheorien) verstehen lernen, nebst Filmanalyse und Bühneninszenierung. Dabei haben unsere Oberstufenschüler oft Tage, die sich von morgens früh bis abends spät um 17.00 Uhr erstrecken, dazu noch der Heimweg, Hausaufgaben, Lernaufgaben, Pause? Von den anderen Fächern haben wir dann noch gar nicht gesprochen, auch die verlangen übrigens das Lesen von Ganzschriften (deren Seitenzahlen darf der mathematisch gewiefte Herr Kaube gerne aufs Lesepensum hinzuaddieren) und in sachkundlichen Fächern lesen wir zwar keine Ganzschriften, aber ein Geschichtsbuch hat schon ziemlich viele lang(weilig)e Texte, die gelesen werden müssen. Eine Milchmädchenrechnung eines Mannes, der nebst seinen Claqueuren einer Zeit hinterhertrauert, die es in ihrer reinen Romantik vermutlich nie gegeben hat.

Wir dreschen uns zu Tode

Der andere Herr, es ist Klaus Zierer, meldet sich im Spiegel Online zu Wort und beweist seine Schlagzeilenkompetenz: „Wir wischen uns zu Tode“ lautet der dramatische Titel seines Meinungsartikels. Zierer nutzt so in Titel und Text den tragischen Tod eines achtjährigen Mädchens aufgrund einer TikTok-Challenge als Aufhänger, um seine dann recht unspektakuläre medienskeptische Sicht zu verbreiten.

So richtig mag ihm das allerdings nicht gelingen, stattdessen drischt er ein totes Pferd. Kritik wie gehabt: Alle seien viel zu naiv im Umgang mit digitalen Medien. Es benennt reichlich bekannte Probleme (z. B. Cybermobbing, Ablenkungspotenzial) und verweist auf Probleme beim Lernen und Lesen, verlinkt dazu dann aber einen Artikel, der zeigt, dass diese coronabedingt sind. Nun ja, jeder belegt so gut er kann.

Um Allgemeinplätze ist er nicht verlegen. Man stelle sich im Folgenden einen Lehrer-Lämpel-Zeigefinger vor: „Schlechter Unterricht wird durch digitale Medien nicht besser, nur guter Unterricht kann davon profitieren.“ Medienerziehung ist nun sein Stichwort! Und nun stirbt das tote Pferd mit jedem Absatz ein wenig mehr. Man mag es kaum zitieren, aber: „Wer aber aus Bequemlichkeit Elternabende nur noch digital veranstaltet, mit der Freundin ein paar Häuser weiter stundenlang chattet, anstatt sie zu besuchen, und sich über Politik ausschließlich in den sozialen Medien informiert und keine Zeitung mehr liest, der tappt in eine Digitalisierungsfalle.“ Himmel hilf! Das mag ich nicht einmal mehr kommentieren.

Um dieser Misere (z.B. den zahllosen digitalen Elternabenden) zu entgehen „ist Medienkompetenz vonnöten, die nicht nur den Umgang mit digitalen Medien umfasst, sondern vor allem ausgeprägte Kritikfähigkeit beinhaltet“. Und wieder ein Schlag aufs tote Tier. „Was also muss passieren? Vor allem Schulen brauchen Konzepte einer fundierten Medienerziehung (…)“ Klatsch. Dann zählt Zierer zur Lösung drei Grundprinzipien auf, jedes ein Striemen auf dem Rücken des geschundenen Tiers. Das ist doch längst alles Konsens und nein, niemand möchte alles Analoge abschaffen. Auch nicht die gute alte Zeit(ung).

Und übrigens: Falls Lehrkräfte während der Schulstunde digitale Nachrichten schreiben, dann ist für nicht medienkompetente Menschen eine sogenannte „Bankrotterklärung“; für alle anderen ist es die Kontaktaufnahme mit einer Schülergruppe, die gerade in einem anderen Teil des Schulgebäudes arbeitet oder der schnelle Austausch mit Kolleginnen über freie Räume, Unterstützung oder Kontakt zum IT-Manager. Und da wären wir wieder beim Anfang: Anpassung ist das Stichwort. Die Welt ist im Wandel, ob uns das gefällt oder nicht. Man kann sich anpassen und die Evolution mitmachen oder es bleiben lassen und verbittern. Aber das entscheide jeder für sich selbst.

Der neue Stundenplan ist da

Und er sieht ganz gut aus. Wo er wirklich hakt, das wird sich sowieso erst im Laufe des Schuljahres herausstellen. Ich habe eine gute Mischung aus allen drei Fächern, die ich unterrichten darf, erwischt: Von allem ist etwas dabei und es verteilt sich ausgeglichen über Unter-, Mittel-, und Oberstufe. So mag ich es am liebsten. Ich hatte einmal ein Jahr, in dem ich fast ausschließlich Unterstufe hatte – danach war ich erst einmal bedient. 😉

Unschön finde ich die (bei uns neue) Entwicklung hin zu mehr Einzelstunden. Das nimmt einer Ganztagsschule doch sehr den Rhythmus und sorgt bei allen für Mehraufwand. Das ungewohnte Gehetze zwischen zwei Einzelstunden kenne ich fast nur aus dem Referendariat – in den 3 knappen Minuten noch auf Schüler eingehen, Flurgespräche führen, tragbare Beamer zurückbringen bzw. ausleihen und aufbauen… bietet die Apple Watch dafür schon eine eigene Sporteinheit an?