Zwei schöne Blogbeiträge

Einer findet sich auf René Schepplers Lernwolke und regt dazu an, eine papierfreie Schultasche zu organisieren. Ein Tafelbild vom Notebook oder vom iPhone abzupinnen, ist zwar nicht meins, aber insgesamt finde ich Renés Anstöße sehr anregend.

Ferner findet man bei Maik Riecken heuer einen Beitrag, der ungefähr die Situation beschreibt, in der sich zwar jeder Lehrer befindet, die mir aber in den letzten Wochen als Neu-Klassenlehrer erst so richtig bewusst geworden sind.

Beide Artikel sind schöne Lektüre, die zum Nachdenken anregen.

Auf zur Lernwolke

Unterrichtseinstiege beginnen ja gerne mit einem Brainstorming oder Blitzlichtern zu bestimmten Begriffen. Würde man dieses Verfahren auf den Namen von René Schepplers neuem (altem) Blog anwenden, würde man mit Sicherheit auf die falsche Fährte geführt, denn Renés Blog hat mit Sicherheit nichts mit „Wolkenkuckucksheim“ zu tun und auch auf „Wolkiges“ wird dort niemand stoßen. Verblüffend ist höchstens die wolkenhafte Leichtigkeit, mit der René durchs Netz schwebt, um immer wieder neue Anstöße und Ideen zur Einbindung der neuen Medien in den Unterricht zu sammeln. Und die teilt er uns mit. In seinem Blog Lernwolke.

Von Komplexität erschlagen

Da hatte ich unlängst in Hinblick auf das Web2.0 den „Ruf eines Ertrinkenden“ ausgestoßen, so dehnt sich dieses Gefühl des Überfülltseins, des Informations-Overkills langsam aber sich auf alle weiteren Bereiche aus. Mit einer unangenehmen Nebenwirkung: Ich bin mir meiner eigenen Urteilskraft nicht mehr sicher. Ich weiß auch nicht, wohin mit mir. Scheint wohl gerade eine wenig schöne Phase zu sein, die hoffentlich bald vorbeigeht.

Angestoßen wurde der obige Gedankengang von Christians Aufruf an die Bildungsreporter. Warum nicht, denke ich mir, lege mir kurz ein Statement zurecht, öffne das Programm für die Webcam und plötzlich kommen Zweifel: Hat das überhaupt einen Sinn, in diese Cam zu quatschen? Kannst du überhaupt qualifiziert zum Thema beitragen? Was willst’n du eigentlich beitragen, mal ehrlich betrachtet und auf lange Sicht? Willste etwa neue Folien vorstellen oder Tafelbilder präsentieren? Sind Unterricht und Bildung nicht viel zu komplex, um darüber auch nur irgendetwas mit dem Verstand möglichst objektiv Beurteiltes sagen oder berichten zu können? Wie sollst du kleine Leuchte mehr dazu beitragen können als pure, nackte und unqualifizierte Meinungsäußerungen, wenn es um die zahlreichen hochkomplexen Wechselwirkungen geht, die beim Lernen alle gleichzeitig eine Rolle spielen? Ich habe die Webcam daraufhin wieder ausgeschaltet.

Das Thema könnte ich jetzt beliebig ausdehnen: Auf Politik („Ja mein Gott, was weiß ich denn, wer jetzt gerade die richtigen Rezepte hat? Wirtschaft, Parteien, soziale Frage – wie und woher soll ich da als Laie ein begründetes Urteil bilden können, ohne zwangsläufig im Ungefähren zu versacken?“), auf unendlich viele gelöschte Blogartikelentwürfe („Hör doch endlich auf, so viel Nonsens zu schreiben, versenk dein Blog und lass andere den Job erledigen“) oder Klimawandel („meinnameisthaseundichhabenullahnung – aber Ideologien“) oder wirtschaftliche Fragen („Kurzarbeitergeld – joa mei. Vielleicht ist’s gut, vielleicht ist’s schlecht!? Bankenrettung – joa, pfffui, mag richtig, mag aber auch falsch sein!? Inflation? Deflation? Währungsreform? Joa, vielleicht, vielleicht auch nicht!?“)

Mal ehrlich: Ich habe doch keine Ahnung. Bildungsreporter? Ja oder nein? Was weiß ich denn schon?

Ein Einakter: Das Ldl-Drama

Erster Akt und Katastrophe
Ich muss zugeben, dem ganzen – ich nenne es mal „Hype“ – um Ldl, Twitter und Web2.0 zunehmend ablehnend gegenüberzustehen. Das hat verschiedene Gründe, die alle mal mehr und mal weniger plausibel meine Ablehnung erklären. Zum einen mag es eines meiner (unter Umständen nicht immer nützlichen) Persönlichkeitsmerkmale sein, mich gegen Dinge zu sträuben, die „alle“ machen, die „hip“ sind und die, von irgendwoher angeflogen, plötzlich ganz doll im Rennen sind. Das war so, als wir uns in meiner Band „entschlossen“, beim letzten Auftritt Krawatten zu tragen. Als Gag gedacht, fand ich diese Vorstellung uniform herumzulaufen, furchtbar. Überhaupt sind Krawatten für mich die Geißel der Uniformität: Eng um den Hals geschnürt und auf das Gemächt weisend, kann man ebendort gepackt und stranguliert werden;die Krawatte ist Merkmal der BlueWhite-Collar-Uniform und bürgerliches Accessoire zur Verdeckung der von körperlicher Arbeit entwöhnten Hühnerbrust. (Mir graust es vor dem ersten Abi-Ball, wo ich mich jeder Menge Fragen zu meiner nichtvorhandenen Krawatte aussetzen lassen muss. Ich überlege, ob ich nicht eine in der Hosentasche mittragen soll, um zu beweisen, dass ich durchaus in der Lage bin Windor-,Manhattan- und Standardknoten zu binden. Immerhin musste ich beim Bund meinen halben Zug binden…)

Ich schweife ab. Diese ganze Gezwitschere, Geblogge und Gehype um Ldl hat mich also gründlich abgeschreckt. Zweiter Aspekt dabei: Euphorie. Eine gute Stimmungslage, um Hokey abzuschrecken. Überall Videos, die von tollen Unterrichtstunden berichteten, fleißigen, fantastischen, selbstlernenden Schülern, Lernerfolgen, angstfreiem Unterricht, schlicht: dem pädagogischen Paradies. Sowas kann ich nicht glauben. Schlichtweg gar nicht. Wären meine Fachseminarleiter so aufgetreten, hätte ich mir vor jedem Unterrichtsbesuch eine Kiefersperre gebissen. Denn der so präsentierte (bzw. bei mir (! – das möchte ich doppelt betonen)  so entstandene) Eindruck von Ldl wies ein so hohes Maß an Perfektion auf, dass ich das ganze für pädagogische Spinnerei abgetan habe. Oder auch als Forum zur Selbstdarstellung Einzelner betrachtet habe, die sich u.U. pädagogische Meriten erarbeiten wollen. Denn auch dazu ist Vernetzung nützlich und diesen Verdacht auf Eigennutz, wiederum ein Teil meiner griesgrämigen Persönlichkeit, hege ich zunächst einmal grundsätzlich, wenn irgendjemand etwas bewirbt.

Wie auch immer: Die Diskussion um Ldl, Twitter und das Gedöns drumherum verursachte bei mir doch einige Bauchschmerzen. War es nicht nur meine dämliche Verbohrtheit, mich gegen eine nützliche und sinnvolle Entwicklung zu wehren, die doch eigentlich meinen pädagogischen Prinzipien entgegenkommt? Oder hatten auch in letzter Zeit oft gelobte Äußerungen wie folgende ihr Scherflein dazu beigetragen?

Wir scheren uns nicht um irgendwelche Probleme die kommen könnten. Also diese Ja-Abers, die schalten wir aus. (via, via)

Solche Sätze sind in meinen Augen eine Vollkatastrophe. „Ja-abers“ sind wichtiger Bestandteil einer lebendigen Diskussionskultur und auch Zeichen von Selbstreflexivität. Ungenehme Kritik einfach wegzuwischen und zu ignorieren ist in meinen Augen fatal und unwissenschaftlich. Und so ergab sich für mich das schlüssige Bild einer sich selbst beweihräuchernden Community, die Kritik lieber ausblendet und sich lieber in dem Gefühl bestärkt, die tolle Speerspitze von etwas Neuem zu sein. So habe ich mich lieber zurückgezogen, statt mitzuwirken.

Katharsis?
Bis ich heute den Bericht Christian Spannagels zu seinen Ldl-Versuchen in seinen Vorlesungen gelesen habe. Trotz des mich abschreckenden Titels (jetzt kommt er schon wieder mit diesem biologistischen Neuronen-Gefasel…) wollte ich wissen, was macht der da in seinen Vorlesungen. Denn wenn wir über neue Methoden reden, geht es letztlich genau darum: Was machen wir und was erreichen wir als Lehrkräfte dadurch, dass wir etwas Bestimmtes tun (oder tun lassen).

Und während ich Christians Bericht lese, stelle ich fest, dass Christian all die Dinge tut, die ich von Zeit zu Zeit, aber durchaus nicht immer, auch in meinem Unterricht mache: Er gibt stumme Impulse, lässt Studenten Ideen an die Tafel schreiben, lässt diese Diskussionen leiten, diese die Diskussionsleitung weitergeben, diese Lösungen zu Problemen selber finden. Das Schöne dabei: Besonders den Lehramtsstudenten dürfte diese Form, Diskussionsleitung zu üben, entgegenkommen, denn sie lernen das Geschäft des Diskussionsleitens selber aktiv (und wann macht man das schon im Studium?), werden aber gleichzeitig auf eine Art und Weise geschult, die ihnen zeigt, dass Unterricht auch anders ablaufen kann.

Meine Skepsis zuungunsten Ldl legt sich, dank Christian Spannagel. Endlich einmal kein Bericht aus einem Leistungskurs mit zwölf Schülern, sondern von einem Plenum mit über hundert Anwesenden. Endlich einmal eine konsistente Beschreibung von der Wurzel auf, anstatt mittenrein zu springen. Endlich kein Verdacht auf großen Didaktik-Hokuspokus und Schüler, die in Videos ihren Lehrer loben (was bleibt ihnen auch anderes übrig?), sondern ein Bericht, der zeigt, dass Ldl gar nicht allzuweit vom normalen, schülerorientierten Unterricht entfernt ist, sondern diesen nur auf andere Art und Weise, vielleicht gezielter,  pragmatischer und vor allem auf längere Sicht, statt nur in einigen Einzelstunden, umsetzt.

Danke dafür, Christian.

DSDS für Lehrerblogs

Nach dem Ärger von heute morgen nun etwas Erfreuliches: Bei der vom Lehrerfreund initiierten Wahl zum Lehrerblog 2009 stehen die zehn Teilnehmer der Endausscheidung fest und – Fanfare – „Kreide fressen“ ist in die Top 3 der Veteranen gekommen, was ich ehrlich gesagt zwar gehofft, aber nie geglaubt hätte. Vielen Dank an alle, die für „Kreide fressen“ abgestimmt haben.

So. Die Vorauswahl steht, jetzt kommen die Mottoshows… öhm… oder so ähnlich. Auf jeden Fall wird am 19. noch einmal abgestimmt; ein bisschen spannend ist es doch, dieses DSDS für Lehrerblogs. Freue mich auf einen dritten Veteranen-Platz hinter den großartigen Blogs Lehrerzimmer und niemehrschule.

Multiperspektivität

Blogs sind ein wunderbares Medium, das Multiperspektivität herstellt, wenn man denn nur möchte. Schüler bloggen scharenweise über ihren Schultag, ich kann hier aus meinem Referendarsalltag berichten, motzen, erklären, fertige Lehrer beschreiben das Lehrerdasein aus ihrer jeweils sehr unterschiedlichen Sicht und ein Fachleiter hat es jetzt endlich auch in die Blogosphäre geschafft.Vielleicht ist die Schulwelt das best-verbloggte Soziotop, das es gibt.

Wie auch immer: Ich freue mich auf Markus‘ Berichte und Erfahrungen! 🙂

Kleine Atempause

Sorry Leute, aktuell komme ich einfach nicht zum Bloggen – irgendwie habe ich immer das Gefühl, Wichtigeres erledigen zu müssen. Aber nur noch zwei Monate, dann ist es geschafft! Zumindest was den Prüfungskram angeht.

Eigentlich wollte ich ja meinen Senf zu Herrn Raus und Jochens Bueb abgeben, aber für qualifizierte Aussagen fehlt mir just gerade die Zeit. Zumal ich mir erst einmal selber klar werden müsste, was mich am Bueb stört. Mir fällt beim Stichwort Bueb  immer Hilbert Meyer ein, der sinngemäß darauf hinweist, dass ein achtzigjähriger Schulmeister eben nur die Erfahrung seiner achtzigjährigen Schulmeisterschaft hat. Und nicht mehr und nicht weniger.

Auch den Norbertos Baumert hätte ich gerne diskutiert, aber… siehe oben. Und wenn ich gerade dabei bin, auf reflexive Blogbeiträge hinzuweisen, darf Lisa Rosas jüngster Beitrag nicht fehlen, in dem sie sich Gedanken über Experimentierfreudigkeit und die Transformation des Schulsystems macht.

Letztens seufzten zwei Herren mittleren Alters in der Stadtbahn mit den Lehrern, und rätselten, wie man nur dreißig Schüler unter Kontrolle halten könne, wenn es ihnen nicht einmal mit dreien gelänge. Ich verbuchte das unter Würdigung meiner Arbeit und war’s zufrieden. Sind doch nicht alle böse auf Lehrer.

Ein kleiner Hinweis unter Geschichtsreferendaren: Solltet Ihr historische Lieder im Geschichtsunterricht zum Thema machen, seid Euch der Gefahr bewusst, dass ihr für ein paar Tage „Was ist des Deutschen Vaterland“ pfeifend durch die Straßen lauft… diese miesen Ohrwürmer…

…eine schöne Woche wünsche ich Euch!