Drei Tage

Da ist das Schuljahr gerade drei Tage alt und schon sind zwei Bielefelder Schulen von Corona betroffen. Das wird ein sehr nervenaufreibendes Schuljahr mit Corona-Roulette.

Wem in der Quarantäne langweilig wird, der könnte aber bei gerne mal bei „perlen und geperle“ schmökern.

Schulöffnungen

Die Schulen werden nun schrittweise wieder geöffnet. Ich bin sehr gespannt, wie das laufen wird. Sehr lesenswert sind wie immer die Beiträge von Jan-Martin Klinge, der in „Guten Morgen, Schule!“ ein wenig Einblick in das Vorgehen seiner Schule gewährt, aber auch deutliche Kritik und Verantwortung an verkorksten Konzepten („Wäschekorb-Kommunikation“) bei den Schulen und Schulleitungen sieht.

Auch Maik Rieckens Blog sollte bei jeder Lehrerin zur Morgenlektüre gehören. Maik formuliert heute seinen Ausblick auf die kommenden Wochen. Dabei verweist er auf die Wichtigkeit einer gründlichen Informationsbeschaffung und nennt acht Grundsätze, wie sinnvolle Angebote für den Fernunterricht gestaltet werden sollten.

Kommentare wohin man liest…

Die deutsche Presselandschaft beschäftigt sich mit Schule wie sonst selten.

So früh wie möglich

In der Süddeutschen plädiert man salomonisch für eine Öffnung der Schulen „so früh wie möglich“, damit die soziale Ungleichheit nicht allzu hart zuschlägt. Es ist schön, dass in der gesellschaftlichen Debatte über Schule auch einmal festgestellt wird, dass Schule ein Ort ist, an dem unsere Gesellschaft Chancengleichheit herstellt – (und Homeschooling eben das Gegenteil bewirkt). Auch bekannt: Die OECD prangert genau diese soziale Ungleichheit in Deutschland jedes Jahr aufs Neue an, aber das ändert nichts: Schule für alle ist für eine funktionierende demokratische Gesellschaft ein entscheidender Grundbaustein. Ob die vorgeschlagene Lösung zum Ausgleich sozialer Ungleichheit jedoch die richige ist, bezweifele ich:

Dass die Schule zu ist, trifft die einen hart, die anderen härter. Deshalb ist der Vorschlag des Lehrerverbands, schwächere Schüler könnten freiwillig das Corona-Jahr wiederholen, so falsch. Weil er die Last der Krise denen aufbürdet, die von ihr besonders betroffen sind. Und deshalb weisen seine weniger beachteten Ideen in die richtige Richtung: Förderkurse und Wiederholungsphasen im kommenden Schuljahr. 

Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie ich meinen schwächeren Kandidaten noch mehr Förderkurse vorschlage. Und Wiederholungsphasen? Wann denn das? Im aktuellen Schuljahr war kaum Zeit für die Standardinhalte. Und wer definiert wen in Coronazeiten als „besonders betroffen“? Reicht es da, wenn man BuT-berechtigt ist oder gilt dann auch die Quadratmeterzahl der Wohnung, die Anzahl der digitalen Endgeräte pro Familienmitglied oder ob ein Elternteil alkoholkrank ist und / oder prügelt?

Fünf Thesen

Im Spiegel stellt Silke Fokken fünf Thesen auf, was sich in der Bildung nach Corona ändern muss. Das hanbüchene Beispiel des Sächsischen Sportgymnasiums Chemnitz erinnert dabei an das in einem anderen Beitrag erwähnte Laurentianum aus Arnsberg. Bin ich doch nicht der Einzige, dem das gruselig vorkommt, wenn Schulen ihren Lehrplan nun 1:1 den gebeutelten Familien überstülpen. Wichtigstes Zitat:

Schulen könnten zeigen, dass sie nicht zwingend an Regularien festhalten, sondern auch eine Kernkompetenz in einer sich schnell wandelnden Welt beherrschen und vermitteln: Flexibilität. 

Das wäre mal was!

Zweitwichtigstes Zitat:

Wer heute auf die Bildungspolitik wartet, hat morgen verloren.

Ich präzisiere um „Wer auf den Schulträger wartet…“.

Schülerperspektive

Eine Schülerperspektive bietet ZEIT.de. Dort berichtet ein Schüler, warum auch ihm die Vorbereitung aufs Abitur unter Corona-Bedingungen ungerecht erscheint:

Wie soll man den digitalen Unterricht bewältigen, wenn man keinen Computer besitzt? Müssen womöglich Mitschüler und Mitschülerinnen von mir die Übungsaufgaben von ihrem Smartphone ablesen? Ich denke an bekannte Schüler und Schülerinnen, die sich ihre Zimmer mit ihren Geschwistern teilen. So gern ich meinen kleinen Bruder habe – ich bin froh, dass ich während der Vorbereitung auf die Prüfungen meine Ruhe habe. 

Und auch das widersprüchliche Festhalten an den Abiturprüfungen unter Coronabedingungen („Einfacher macht man es einem Virus wohl nur im Fußballstadion oder auf Konzerten.“) und der Problematik vorerkrankter Mitschülerinnen kommentiert Lovis Danneck sehr spitz. Man könnte es auch auf die aktuelle Diskussion um Kita- und Schulöffnungen münzen.

Wunderbar zu lesen, denn der Kommentar ist ja auch wunderbar geschrieben. Schülerinnen folgender Generationen können sich schon einmal darauf einstellen, dass dieser Text häufig als Sparringspartner für schriftliche Erörterungen herangezogen werden wird.

Applaus!

Es gibt „Applaus für die Lehrer!“. Danke dafür, liebe Frau Heidenfelder.

(Und bislang nur vier Kommentare, die nicht damit einverstanden sind, dass meiner schmarotzenden, überbezahlten, megafaulen und fortbildungsresistenten Berufsgruppe ein bescheidenes Lob ausgesprochen wird. Ich staune.)

Unterricht unter Hygienebedingungen?

Armin Himmelrath findet in seiner Analyse bei Spiegel Online „Vier Gründe, warum die Schulen nicht einfach wieder öffnen können“. Das ist für alle Lehrerinnen, die sich fragen, wie es nach den Osterferien weitergeht, eine spannende Frage und Himmelraths Überlegungen zur Umsetzung von Hygienebestimmungen bei Personalmangel, Platzmangel in den Klassen oder Problemen beim Bus-Transport scheinen alle sehr plausibel.

Eine Sache spart Himmelrath jedoch aus: Hat man dann zehn Schüler mit einem Bus in einen Klassenraum gesetzt, soll ja irgendwie Unterricht stattfinden. Der kann dann offensichtlich nicht so funktionieren wie vor Corona, denn es sollte dann ja auch idealerweise für Lehrkräfte der Sicherheitsabstand gelten (oder nicht?). Wie könnte man das lösen?

Einfach x-mal dieselben Inhalte mit kleinen Schülergruppen zu wiederholen, das wäre ja sterbenslangweilig. Wie also dann? Per Flipped Classroom? Also der Idee, dass die Schülerinnen sich zuhause mit einem Material (Lesetext, Video, Bild, Aufgabe …) auseinandersetzen und man sich lediglich zum Austausch über die Ergebnisse in der Schule trifft? (Herr Rau z. B. hat mit Video und Ton schon etwas experimentiert.) Das setzt natürlich schon eine ganz ordentliche Vorarbeit seitens der Schülerinnen voraus.

Bei uns wäre es evtl. vorteilhaft, übergangsweise das 90-Minuten-Raster auszusetzen oder vielleicht ganz generell nicht in klassischen Schulstunden zu denken. Hm, ich merke gerade, ich muss dazu noch ein wenig nachdenken…

Was Eltern leisten.

Es ist die große „ich klaube mir Links bei Buddenbohm zusammen“-Woche. Nachdem heute morgen die Schulleiterperspektive dran war, folgt nun die Elternpersktive: „Homeschooling, my ass“! Dort beschreibt Lisa Harmann, warum ein süffisantes „Hach, jetzt seht ihr Eltern mal, was Lehrer so leisten“ in keiner Weise angemessen ist.

Maik Riecken hatte vor gut einer Woche dazu auch schon was („Kurzer Rant über Elternspott einiger Kolleg*innen“) geschrieben.

Homeschooling.

Nachdem mir der (meinen Feedreader schon lange fütternde) Buddenbohm ein unerwartetes Besucherhoch beschert hat, verweise ich einmal bescheidenerseits zurück. In seinem Beitrag „Warum auch immer“ beschreibt Maximilian Buddenbohm den Umgang mit dem Ansprüchen während der Zeit des Homeschoolings:

Um dieses elende Homeschooling ein wenig konstruktiver anzugehen, haben wir etwas umgestellt. Es gibt bei mir jetzt für Sohn I meistens nur ein Fach pro Tag, das geht viel besser so. Die Schule sieht das tendenziell etwas anders, (…). Wenn die Schule da also etwas anderes will – bitte hinten anstellen, es ist schlicht eine Prioritätenfrage. Ich mache es so, wie es uns passt. Und nein, die Tage sind natürlich nicht alle gleich lang auf diese Art. Warum sollten sie es auch sein, ich weiß ja nicht einmal, welcher Wochentag überhaupt ist.

Ich habe eine ganze Menge gekürzt und es folgt noch mehr, also gerne einmal rüber und weiterlesen. Aber ich bin schon bass erstaunt über die Ansprüche der buddenbohmschen Schule, die anscheinend am Tagesablauf der Familien herummäkelt, die doch genug damit zu tun haben, sich zu organisieren und die Tage zu strukturieren. Nur ein Fach pro Tag ist eine prima Idee, finde ich.

Und wie das so urplötzlich ausgerechnet von den Schulen geforderte Onlineseinmüssen die Ansprüche an Unterricht verändern wird, warum das ersehnte Ende des Kontaktverbots sich in Schule ganz schnell sonderbar „oldschool“ anfühlen wird, das liest man am besten bei Buddenbohm selbst. So schön wie der können das nämlich nur wenige.

Unterricht digital nach Lehrplan

Auch beim Buddenbohm gefunden: In dem schönen Kleinstädtchen Arnsberg mitten im Sauerland gibt es genau zwei Gymnasien. An dem, das verlinkt ist, weil es seinen Unterricht digital nach Lehrplan durchzieht, habe ich nicht mein Abitur gemacht (ich war an dem hier…). Am Laurentianum sieht das dann so aus:

Das Unterrichtsangebot beginnt um 7.40 Uhr, Pausenzeiten bleiben und es geht dann bis 16.00 Uhr. Es ist eine Mischung aus SchulApp-Begleitung, Webinaren und Projektarbeit.

Das wirkt nun auch etwas schräg und aufgesetzt, wenn ich ehrlich bin, aber wer weiß – vielleicht ist das auch super. Für die Lehrer stelle ich es mir so ad hoc sehr stressig vor. Ich überbrücke ja gerade viel mit (m)einem Moodle und muss feststellen, dass wirklich eine große Menge an Zeit für das Gestalten von Material draufgeht. Dazu kommt dann auch noch die digitale Rückmeldung an die Schülerinnen. Letztere würde ich im Unterricht teilweise im Vorbeigehen erledigen („Schau mal da, beachte dieses, formuliere das anders, lies noch einmal die Aufgabenstellung etc.“) oder vielleicht sogar der Klasse gesammelt als Rückmeldung geben, mit ihr problematisieren, die Sinnhaftigkeit anderer Lösungswege diskutieren und so weiter. Nun gebe ich zu jeder Aufgabe eine individuelle schriftliche Rückmeldung und das frisst unfassbar viel Zeit. Ich bin gerade ganz froh, dass bei einer Klasse die Anmeldemoral weniger gut ausgeprägt ist, sodass ich in den anderen überhaupt hinterherkomme – denn das restliche Lehrerleben läuft ja auch für uns normal weiter.

Virtuelle Morgenkreise

Richtig gut gefiel mir auf den ersten Blick dieses von Patrick Brauweiler vorgestellte Konzept, das natürlich auf eine vorhandene Basis von Ausstattung und Einübung zurückgreifen kann. Mit einer Art virtuellem Morgenkreis zu beginnen und dann mit den Schülerinnen zu überlegen, wie man den Tag strukturieren möchte, das ist doch eine schöne Idee, die genug Raum für eine individuelle Tagesgestaltung lässt.

Zoom

So wie’s aussieht, ist das sehr gehypte Zoom eine riesige Datenschutzkatastrophe.

Nachtrag

Sehe gerade, dass Herr Rau gestern über Videokonferenzsoftware geschrieben hat. Dort stellt er eine OpenSource-Lösung vor. Auch das ist nicht unbedenklich, aber da fließen die Daten nicht direkt an Facebook (und man könnte selbst einen Server aufsetzen).

Storniert.

Einen Wandertag für alle sechsten Klassen storniert. Das tut schon weh, einmal für die Klassen, besonders aber auch für den Unternehmer, mit dem ich schon einige Fahrten gemacht habe und dem aktuell vermutlich das komplette Geschäft wegbricht. Alle Schulen in NRW sind angewiesen, keine Schulfahrten bis zum Ende des Schuljahres durchzuführen, ganz gleich, wie sich die Lage entwickelt. Das dürfte für Busunternehmer ein sehr harter Schlag sein.

Am Computer sitzend im Kalender sehen, was den armen Abiturienten nun alles ausfällt. All die Dinge, die das Abitur zu einer besonderen Phase machen, die nicht nur vom Durchpeitschen der letzten Lerninhalte vor den Prüfungen, sondern auch von Kreativität und Eigensinn geprägt sind. Alle Rituale sind außer Kraft gesetzt, alle Initiationsriten abgesagt. Es gibt keine Mottotage mehr, keine Abipartys, keinen bunten Abend, keinen Abisturm, keinen Abiball. Alles „storniert“. Das tut mir schmerzlich leid für all die Abiturienten, zu denen auch Tochter¹ gehört. Am Ende bleiben ihnen nur die Prüfungen.