Pandoras Büchse

Für Schachspieler, die Stockfish kennen, ist K.I. ein alter Hut, aber in der breiten Öffentlichkeit sorgten erst die Bildgeneratoren Midjourney, Dall-E oder Stable Diffusion für den „Wow-Effekt“ und spätestens mit ChatGPT sind die auf künstlicher Intelligenz basierenden Tools in aller Munde. Und für einen Technik-Afficinado wie mich ist es wirklich atemberaubend, was plötzlich alles möglich ist. Unabhängig von Können und Talent kann nun jeder Bilder im Stil von Rubens, Klimt oder Manga-Zeichnern erstellen, wahlweise mit Vorlage oder frei assoziierend. Texte können mit einem Chatbot erarbeitet, diskutiert und umgestaltet oder einfach in Auftrag gegeben werden. Sorgen von schaffenden Künstlern sowie Lehrern aller Bildungsformen inklusive. Wer schreibt nun wirklich die Hausaufgabe, die Hausarbeit? Wer hat die Übersetzung tatsächlich formuliert? Haben die Schüler ihr Computerprogramm programmiert oder schlicht einen Chatbot eingesetzt?

Doch statt sich zu sorgen: Spielen, ausprobieren, nutzen und die Grenzen kennenlernen. Jan-Martin Klinge hat einige Beispiele gesammelt, wie man ChatGPT im Unterricht verwenden kann. Und Beat Döbeli Honegger hat umfassend Gedanken über die Text-KI gesammelt, die es zu lesen lohnt.

Und eigentlich kennen wir sie ja alle, die Geschichte der Büchse der Pandoras. Ihr Inhalt wird bleiben. Und es liegt alleine an uns, ihn sinnvoll zu nutzen.

Presseclub

Ihr habt ja bestimmt schon alle den heutigen Presseclub zum Thema „Rückkehr auf die Schulbank – Verantwortungslos oder überfällig?“ gesehen. Muss mal eine Lanze für @ciffi brechen, der natürlich die digitale Fraktion unter uns Lehrern sehr gut kennt. Aber auch Heike Schmoll, bei deren Artikeln ich oft in meinen Bart brummele, hat mir in der Diskussion sehr gefallen. Am sonderbarsten fand ich den Vorschlag von Philip Banse, doch einfach jeden Tag alle Schüler anzurufen. Die Kolleginnen mit zweistündigen Fächern und neun bis zwölf Lerngruppen á 24-30 Schülerinnen werden sich bedanken. Was wohl die Eltern sagen, wenn bei drei Kindern jeden Tag alle Lehrer durchklingeln… naja – elegant ist anders.

Fürs Protokoll: Bin heute, während ich kurz dem Hashtag #presseclub auf Twitter folgte, zum ersten Mal dem Begriff „postdigital“ begegnet. Muss jetzt erstmal herausfinden, was das bedeutet und ob es nur für die nächste Generation Ratgeberliteraturautoren sinnvoll ist.

Adios Twitter

Nach 13 Jahren ist mein Twitter-Account endgültig Geschichte. Nie wieder @Hokeys.

Adios, Twitter.

Als hätte es Nokia nie gegeben.

Man mag es kaum glauben: Mehr Uhren von Apple als von der Schweizer Uhrenindustrie.

Unglaublich ist dabei weniger die Tatsache an sich, als dass immer wieder ganze Branchen die Digitalisierung vollkommen verschlafen. In meiner Phantasie ist „die Wirtschaft“ dem System Schule ja immer eine bis zwanzig Nasenlängen voraus, aber offensichtlich gibt es auch da genug Schnarchnasen, die die Veränderung unseres Lebens durch digitale Medien trotz aller Menetekel allzu lange nicht wahrhaben wollen. Und wenn der Zug dann ohne sie weitergefahren ist, dann ist er leider (oder: berechtigterweise) für immer weg. Als hätte es Nokia nie gegeben.

Für die Schweizer Uhrenmarken schließe sich das Zeitfenster für Smartwatches, folgern die Analysten. „Für Swatch, Tissot, TAG Heuer und andere könnte die Zeit knapp werden“.

Swatch ist allen Älteren ein Begriff: Wer in den 90ern keine trug, der war schwer out. In meiner fünften Klasse sitzen durchaus schon einige Kinder mit echten Apple Watches oder ähnlichen Produkten. Mit der verpassten Digitalisierung verlieren Swatch, Tissot & Co. nun eine ganze Generation, die nicht mehr nur auf ein bloß buntes Ziffernblatt starren will. Wie viele junge Manager haben wohl in den Firmen für neue Produkte in einer neuen Zeit geworben und sich im Kampf gegen eine etablierte Führung aufgerieben?

Cornelsen & Co. sind mir als Schüler schon immer ein Begriff gewesen; noch sicherer als die Swatch am Arm war irgendwo ein Cornelsenklett in der Schultasche. Und trotz aller Langsamkeit holen wir Schulen die verlorenen Nasenlängen wieder auf – und die noch etablierten Verlage müssen sich ernsthaft überlegen, wie sie Produkte an Schulen platzieren wollen, die über kurz oder lang in großen Teilen oder wenigstens im Wesentlichen digital arbeiten wollen.

Es ist ja nicht so, als hätte es Nokia nie gegeben.

Erlösend.

Wenn du seit Freitag keine E-Mails abgerufen hast (weil du das am Wochenende nicht tust und danach dafür schlicht keine Zeit war) und du wider Erwarten die meisten einfach direkt archivieren oder löschen kannst, dann hat das doch etwas Erlösendes.

Anscheinend denkt man nun im weiteren Umfeld über den Einsatz von iServ nach. Da bin ich doch mal gespannt. Von iServ habe ich bislang nur Gutes gehört. Es tut sich langsam ja doch etwas. Vielleicht erwartet uns da auch eine kleine Erlösung…

Netzwerktreffen.

Heute ein schönes Netzwerktreffen zum Thema Ganztag und Digitalisierung am Gymnasium in Steinhagen gehabt. Tolle Impulse vom lokalen Admin bekommen und im Anschluss das Projekt Aula von Marina Weisband präsentiert bekommen. Am Nachmittag Austausch zur neuen Stundentafel G9. Alles war sehr inspirierend und ich muss die vielen neuen Eindrücke erst einmal verarbeiten. Die nächste Schule mit tollem Digi-Konzept kennengelernt, demnächst muss ich dringend mal Harsewinkel besuchen.

Bandbreite.

Grundwissen: In unserer Schule gibt es zwei Netzwerke. Ein pädagogisches Netz (langsam und unterdimensioniert) und ein Verwaltungsnetz der Stadt (rasend schnell, es werden lediglich Mails hin- und hergeschubst). 

Was zuvor geschah: Ein durchaus erfreuliches Gespräch zur Medienentwicklungsplanung endet mit der Feststellung, dass die Internet-Bandbreite leider nicht erhöht werden könne, die Telekom, die Stadtwerke… der gute alte16 MBit-Anschluss („Schulen ans Netz“) müsse für 1000 Schüler und 100 Lehrer erstmal genügen… und nein, das schnelle Verwaltungsnetz könne leider nicht für den schnöden pädagogischen Gebrauch genutzt werden.

Dann stehe ich im Büro des Chefs, der mir nur ein paar Fotos vom Schulgarten übermitteln möchte. Da das wegen der hohen Sicherheitsstandards per USB nicht funktioniert, schickt er mir die Bilder über das Verwaltungsnetz per Mail. „Die könnten aber etwas groß sein…“ – ich winke ab. Geduld habe ich massig. Der Chef klickt auf „Senden“ und im gleichen Augenblick erklingt das „Gesendet“-Signal. Chefs Leitung hat mal eben ca. 35MB im Bruchteil einer Sekunde hochgeladen (in Worten: hochgeladen!).

Ich gehe ins Lehrerzimmer und weine still. Da liegt offensichtlich eine 1GBit-Leitung und wir nutzen sie nicht. Wegen der Telekom… is‘ klar.

Papier-TAN.

Die Bundesländer lassen keine Chance ungenutzt, die Digitalisierung in Schulen zu versauen, Skepsis zu fördern und sich dabei vollends zu blamieren. Nachdem bei Logineo in NRW die „Notbremse“ gezogen werden musste, versagt nun auch Baden-Württemberg mit seinem Schul-Portal „Ella“. Interessant der Blick in die Heise-Kommentare: Dort berichtet ein Betroffener, dass man bei Ella Mails oder Moodle nur mit Papier-TAN(!) nutzen könne, weil eine Zwei-Faktor-Authentifizierung vorgeschrieben sei.

Hört doch mit dem unterfinanzierten Herumgebastel auf, setzt auf etablierte Anbieter und sorgt dafür, dass diese datenschutzrechtlich so eingebunden werden, dass da nichts schiefgehen kann. Ihre Technik haben die nämlich meist sehr gut im Griff, der Support ist erstklassig und man steht als Kultusminister nicht alle drei Monate wie ein Depp da.

Mit Assassin’s Creed auf Entdeckungstour

Ich bin ja durchaus ein Skeptiker, was das Spielen im Unterricht zwecks Vermehrung des Weltwissens angeht. Gamification á la „World Of Classcraft“ überzeugt mich nicht, weil ich finde, Schüler sollten aus ihrem Verständnis für ihre Mitmenschen und ihre Umwelt heraus gut und richtig handeln, und nicht, weil ein schales Belohnungssystem sie dazu motiviert. Auch bei Lernspielen herkömmlicher Art frage ich mich meist, ob Aufwand und Ertrag in einem sinnvollen Verhältnis zueinander stehen. Eine löbliche Ausnahme bildet da ein von Daniel Bernsen entwickeltes Steinzeit-Spiel, das Probleme und Fragen spielerisch aufwirft.

Beim YouTube-Spot (Link) zum Entdeckermodus von Assassin’s Creed Origins ist mir allerdings schon ein wenig die Kinnlade heruntergeklappt. Die Bilder beeindrucken. Die Idee, eine Entdeckertour ohne Kämpfe, dafür mit nach Kategorien sortierten Informationen ähnlich wie in einem Museum, anzulegen, finde ich klasse. Darüber hinaus auch die Gestaltung des Spiels zu thematisieren und historische Ungenauigkeiten zu reflektieren, macht das Ganze noch besser. Gespannt wäre ich jetzt auf Urteile von Ägyptologen, die sich in der Materie wirklich auskennen, denn im Zweifelsfall werde ich zu den Feinheiten (und oft auch den „Grobheiten“!) eher wenig korrigierendes Fachwissen beisteuern können, falls das Spiel auf Abwegen unterwegs sein sollte.

Und darin könnte schon die Crux liegen: Eine informierende Computersimulation wirkt auf mich ungleich suggestiver als eine Dokumentation und sie zugleich so viel komplexer, weil sie die freie Erkundung und den Einblick in zahlreiche Details ermöglicht, sodass eine umfassende kritische Reflexion auf den ersten Blick wie eine unlösbare Mammutaufgabe wirkt. Und gerade deshalb werden wir im Geschichtsunterricht nicht umhin können, uns damit auseinanderzusetzen, denn gerade unsere interessierten Schülerinnen werden diesen Angeboten begegnen und sie nutzen!

Ansonsten finde ich die Idee großartig! Viele meiner Schüler spielen Assassin’s Creed (me too) und eine Schülerin entdeckte so ihr Faible für die Französische Revolution. Warum also dieses Interesse nicht aufgreifen und mehr damit anstellen, als das bloße Jagen von Assassinen und Templern? Mal eine Geschichtsstunde lang „Assassin’s Creed“ zocken? Warum eigentlich nicht!

Nachtrag

Eine Besprechung des Spiels findet man auch auf Golem.de.