Mitläufer

Ich bin ein Mitläufer. Den ganzen lieben langen Tag bin ich mit einer Mittelstufenklasse mitgelaufen und habe so Unterricht der verschiedensten Sorte aufgetischt bekommen. Zum Beispiel einen frontal- und sehr lehrergesteuerten Unterricht, der aber humorvoll und ergebnisorientiert vermutlich die Aufmerksamkeit aller Schüler genossen hat.

Woanders wiederum lehrerzentriert-autoritär, ohne ein nettes Wort, stattdessen haufenweise Vorwürfe (Das müsst ihr doch wissen!). Antworten mussten wie aus der Pistole geschossen kommen, wenn ein Schüler reelle Chancen haben wollte, auf eine Frage zu reagieren. Ein Konzept schien nicht vorhanden, Ergebnisse wurden nirgends gesichert. „Demographisch“ wurde von „Demonstration“ hergeleitet. Der Römer in mir rebellierte, der Grieche übergab sich. Kann im Eifer der Stunde passieren, kommt aber nicht gut, wenn man von den Schülern Allwissenheit fordert und selber zwischendurch lateinische Vokabeln abfragt. (Sicherheitshalber: Nein, die Lehrperson war kein(e) Lateinlehrer(in)!)

Wieder woanders wurde Stationenlernen betrieben und auch die Methode „Kugellager“ wurde heute präsentiert: beides von Kollegen, die nicht wussten, dass wir ihren Unterricht besuchen würden. War mal ganz interessant, das zu beobachten. Kugellager ist verflixt laut.

Nebenbei habe ich ein paar Bekannte auf alten Jahrgangsfotos wiedererkannt. Waren auch nicht schwer zu finden, die drei Jungs hatten sich nämlich genau ins Zentrum des Bildes gepflanzt. War bestimmt nur Zufall, dass die sich da so in den Mittelpunkt gedrängelt haben… 😉

Das Programm für die Schüler ist recht straff, zumindest in meiner Schulzeit war das anders. Die siebte Stunde kannte ich nur aus Fabeln, für die Schüler heute ist sie fast Standard. Okay, dafür musste ich eben alle zwei Wochen samstags ran…

Morgen geht es weiter mit dem Mitlaufen. Da auch eines meiner Fächer auf dem Plan steht, wird es inhaltlich vermutlich etwas spannender als heute. Desweiteren darf ich nicht vergessen, zu einer Informationsveranstaltung hinzugehen, die sich mit der teilzentralen Abschlussprüfung beschäftigt. Ich habe keine Ahnung, ob das mir jetzt schon etwas bringt, aber schaden kann es nicht.

Miese Gerüchte

Konnte heute einem miesen Gerücht die Maske von der Fratze reißen. Böse Zungen hatten kolportiert, ein Fachleiter habe angeordnet, seine Referendare dürften nur mit Stoffhose und Ledertasche zur Schule kommen – weil das mehr Respekt verschaffe. Jeans und Rucksack seien tabu.

War natürlich Blödsinn. Die betreffende Person hatte nur das Thema „angemessene Kleidung“ angeschnitten und ihre Sicht der Dinge dargelegt. Die von mir interviewten betroffenen Referendare guckten alle ganz erstaunt, als ich sie darauf ansprach.

Was lernen wir daraus? Wenn die Süddeutsche morgen wieder über fiese Fachleiter schreibt: glauben Sie nix! 😉

Weiterhin war der heutige Tag lehrreich in Sachen Basisdemokratie. Etwa 160 volljährige und schwer motivierte junge (und weniger junge) Referendare hatten sich bei bestem Wetter für eine Stunde lang in einen muffigen Raum sperren lassen, um dort Vornamen zu wählen. Aus den Vornamen, die auf Nachfrage auch ihre Fächer preis gaben, wurden dann unsere Seminarvertreter, von denen niemand so recht weiß, was sie tun und warum sie es tun sollen.

War also unglaublich sinnvoll diese Wahl, was man besonders an den Kommentaren ringsherum hören konnte: „Wählst Du nach Namen oder nach Aussehen?“ „Also der Typ macht doch optisch schon mal ’nen ganz kompetenten Eindruck, oder?“ Am Besten war am Ende die Protokollantin, als sie ganz zum Schluss zum „Sieger“ der „Wahl“ sagte: „Deinen Namen habe ich noch nicht…“

Meine erste Deutschstunde…

…oder: Ein Plädoyer für die 60-Minuten-Stunde. Ehrlich, 45 Minuten sind einfach zu wenig. Irgendwie gerate ich immer in Zeitnot, obwohl ich mir noch fünf Minuten vor der Stunde Gedanken mache, was zu tun ist, wenn die Schüler unerwartet nach 20 Minuten fertig sein sollten. Was natürlich nie der Fall ist. Weiterlesen

Von Killeraustern und gutem Unterricht

Trüber Ausblick auf die DünenIch habe den Klimawandel gesehen: Mörderische Killeraustern marodieren massenweise im Watt vor Norderney! Aber, aber! Immer mit der Ruhe, eins nach dem anderen. Zunächst muss man ja erstmal ankommen, dort oben im hohen Norden, wo das Land selbst für Bielefelder Verhältnisse unglaublich platt ist.

Zwei Schwerpunkte haben unsere Fahrt gekennzeichnet, zu denen Norderney die passende Kulisse geboten hat: die inhaltliche Arbeit in den Hauptseminaren und das Kennenlernen der Mitreferendare. Tagsüber standen die Seminare auf dem Programm und abends hatten wir genug Gelegenheit, uns gegenseitig in ungezwungener Atmosphäre kennenzulernen.

Was ist guter Unterricht?
Die Seminare selber offenbarten, wie unterschiedlich verschiedene Persönlichkeiten unterrichten: Einige machten Videoaufnahmen von Unterrichtseinstiegen, andere erprobten Situationen in Rollenspielen, manche klebten ihre Räume mit Plakaten zu und wieder andere – meine Gruppe – suchte ihr Heil in der reinen Textarbeit, welche trotz des feuchten Klimas bisweilen ein wenig trocken war. Eine feuchte Kulisse ist nun mal nicht alles.

Im Kern drehte sich alles um die Frage: Was ist guter Unterricht? Chefpädagoge Hilbert Meyer diente uns hier mit seinen zehn Kriterien und seinem Buch als Arbeitsgrundlage. Spürbar war, dass auch Hauptseminarleiter nicht immer alles im Griff haben und „runden“ Unterricht machen. Von einer klaren Struktur, wie Meyer sie fordert, konnte nicht immer die Rede sein: Gruppenaufgaben wurden verteilt, zur Hälfte ausgewertet, Neues angefangen und dann erst die restlichen Aufgaben ausgewertet. Die von Meyer geforderte Klarheit war damit irgendwie für die Katz.

Auch die Auslegung der meyerschen Forderungen lief mitunter konträr. Meyer plädiert beispielsweise für Rituale im Unterricht, wie z.B. Aufstehen zu Beginn oder Handzeichen bei Lärm. Ein HS-Leiter war der Ansicht, dass man auch ein Abfrage-Ritual zu Beginn jeder Stunde einführen könne, wo man die Schüler nach Zufallsprinzip jede Stunde nach zehn Vokabeln, Formeln oder auch nach Rechtschreibung abfragen könne. Das beißt sich vehement mit dem Hinweis eines Fachleiters, es in bestimmten Fächern nicht mit Hausaufgabenritualen („Guten Morgen, setzen, Hausaufgaben raus…“) zu übertreiben, da diese die Motivation trüben würden. Wie auch immer: beiden zugleich werde ich es nicht recht machen können. Nun ja, mal sehen, wohin mich mein Hauptseminar noch führen wird…

Watt-Didaktik
Pazifische Auster in der Nordsee Eigentlich als Auflockerung gedacht, entpuppte sich ausgerechnet die Wattwanderung als lebensnahe Lektion in Didaktik. Der charismatische Wattführer umsponn uns Landratten mit kilometerlangem Seemansgarn, führte uns aber auch vor Augen, dass „learning by doing“ immer noch funktioniert. „Wenn da „Hochmoor“ an der Tafel steht, dann ist das morgen schon wieder hopps“, so der eingeborene Ostfriese. Die kleineren Schüler lasse er immer auf dem Hochmoor hüpfen. Das präge sich direkt ganz anders ein, das vergesse keiner der Schüler! Und wer erst mal einen Wattwurm gegessen hat…

…glaube ich ihm. Also doch wieder ein Lichtblick für mein Pseudosteckenpferd, die Umweltgeschichte, deren Befürworter eine pragmatische Auseinandersetzung mit der Natur fordern. Ob die Pazifische Auster wirklich wegen des Klimawandels die friesischen Miesmuscheln verdrängt, konnte im Watt nicht eindeutig geklärt werden.

Namen über Namen
Auch neue Menschen kennenlernen ist Schwerarbeit: Eine ganze Latte neuer Namen will, kombiniert mit zwei oder auch drei Fächern, irgendwo zwischen Stirnlappen und Hypothalamus gespeichert werden. Das ist gar nicht so leicht, aber eine hübsche Übung für die Zeit an der Schule.

Damit wäre ich auch beim angenehmen Teil. Die Zimmergenossen hätte ich nicht besser treffen können, mit denen war alles drin: bei Bedarf um 23 Uhr in der Kiste, aber auch bis 3:00 Uhr Party machen. Die restlichen Referendare sind auch alle sehr nette Menschen, mit denen es sich auf dieser kleinen Insel aushalten ließ, obwohl der ein oder andere Name mir noch immer nicht geläufig ist und das ein oder andere Gesicht weiterhin unerkannt an mir vorbei durch die Bielefelder Fußgängerzone spazieren wird. Das legt sich.

Böse Zungen zischeln allerdings mittlerweile etwas von gemeinen Grüppchen, die sich zur Niedermachung einzelner Personen gebildet hätten, was an mir vorbeigegangen sein muss. Ich hoffe, das sind nur alberne Gerüchte, denn so ein Kinderkram muss nun wirklich nicht sein.

Wir werden sehen.

Pädagogische Woche

Morgen ist es so weit: Der ganze Referendarsjahrgang fährt bis Freitag zur "Pädagogischen Woche" auf Norderney. Das ist eine gute Sache, vor allem, damit man sich untereinander ein wenig besser kennenlernen kann, denn – so predigt man uns überall – gerade unter Referendaren ist Zusammenhalt wichtig, damit man sich nicht zum Einzelkämpfer entwickelt. Das scheint eine große und möglicherweise berechtigte Sorge zu sein. 

Natürlich wird auch inhaltlich gearbeitet. Drei Schwerpunkte stehen auf der Tagesordnung:

  1. Unterrichtsanalyse / Was ist guter Unterricht?
  2. Interaktions- und Kommunikationsformen
  3. Rollenfindung als Lehrerin / Lehrer

Aber es wird nicht nur geackert, sondern auch Gummistiefel für eine Wattwanderung eingepackt, CDs für eine Fete gesichtet und Kopfschmerztabletten dazugesteckt. Und wenn das Wetter so bleibt, kann sowieso nichts mehr schiefgehen.

Da ich nicht weiß, inwiefern ich auf Norderney die Möglichkeit zum Bloggen habe, ob Internetanbindung besteht und ob ich mein Notebook überhaupt mitnehme, werde ich die Kommentare heute Abend so einstellen, dass alle moderiert werden müssen. Also nicht wundern, wenn bis Samstag hier alles mehr oder weniger brachliegt.

Mein (fast) erster Schultag

GrünflächeDieser Beitrag sollte eigentlich am 6.2. verfasst werden, konnte aber aus Zeitmangel erst heute online gestellt werden. 😉 

Ein 40ha großes Gelände, weitläufige Grünflächen, durch welche breite Asphaltwege den Weg um die Schule weisen. Kein Papierschnipsel bekümmert den Boden, der Rasen ist kurz und sauber, die dicken Schulmauern scheinen Graffiti nicht zu fürchten. Ich bin an meiner Schule angekommen.

Turm Die nächsten zwei Jahre werde ich hier verbringen, an einer Bielefelder Schule der besonderen Art, wie mir schnell klar wird. Den frontal gelegenen Lehrereingang hütet eine Pförtnerin, sie weist mir den Weg um die Schule herum zum Schülereingang, über dem ein Turm thront.

Ich treffe auf meinen Referendarskollegen und zu zweit machen wir uns auf den Weg zum Rektor, der uns herzlich begrüßt und uns nach ein wenig Smalltalk einen Blick aus seinem Bürofenster gönnt. Unter uns rennen ein paar Jungs mit einem Ball auf die Grünfläche, weiter hinten liegen ein Sportplatz und eine Zweifach-Sporthalle. Nach einem nachdrücklichen Hinweis auf die besondere Wertschätzung der konfessionellen Ausrichtung seiner Schule durch die Eltern, werden wir unserer Ausbildungskoordinatorin vorgestellt.

Diese ist sehr freundlich und macht uns im kleinen Lehrerzimmer in gelassener Atmosphäre bei einem Tee mit den Gepflogenheiten der Schule vertraut. Gebetet wird täglich vor der ersten Stunde, daran sind auch Moslems und Konfessionslose gehalten. Mir soll es recht sein, ohne Konfession zu sein heißt nicht, kein Christ zu sein. Im Zweiwochentakt findet an zwei Wochentagen ein Gottesdienst statt, den es unter Umständen vorzubereiten gilt.

Wir hospitieren im Lateinunterricht der AKO, in einer sechsten Klasse mit zauberhaft liebenswerten Schülern. Der Raum ist in angenehmen Farben gehalten, keine Shakiras weit und breit, jedes Kind hat ein eigenes Bücherfach, die Tische sind ohne Eddingmakel. Die ganze Außenwand besteht bis zum Boden aus Fenstern und ermöglicht jedezeit einen erholsamen Blick ins Grüne.

Das große Lehrerzimmer dagegen gleicht einem hektischen Taubenschlag, es flattert immer wieder rein und raus, Gesichter fliegen vorbei, Vorstellung der Referendare, Namen hier, Fächer dort, rein, raus, rein, raus. Zettel markieren Klausuren, Vertretung, Bereitschaft, Informationen zur Kenntnisnahme, Stundenpläne, Termine. Die Tür schwingt pausenlos, Hände schütteln sich, man tauscht Mienen und Augenaufschläge. Zurück zur Pause in das kleine Lehrerzimmer.

Ein netter älterer Geschichtskollege macht mich dort auf die Unsäglichkeiten des in NRW anstehenden Zentralabiturs und die Einführung des G8s aufmerksam. Weil bei einem zentral abgenommenen Abitur alle Schüler nach denselben Kriterien geprüft würden, verkümmere der Anteil des Unterrichts, in dem Schüler eigene Meinungen und kritisches Denken einbringen dürfen. Dieses sei schließlich nicht objektivierbar, aber der Unterricht richte sich nach den objektivierbaren Fakten fürs Abi. Ergo: Fakten pauken. Ich schiebe geistig meine Umweltgeschichte weit von mir und folge der AKO auf eine Gebäudeführung.

Der Bau ist riesig. Nicht einfach nur verwinkelt, das auch, aber auch geräumig. Niemand muss sich durch Flure quetschen, die Decken sind bestimmt vier Meter hoch. Es gibt drei Medienräume, die Bildschirme verstecken sich hinter einer Glasoberfläche, so dass die Schüler sowohl mit Papier als auch mit dem Computer arbeiten können, ohne dass Monitor und Tastatur stören. "Nehmen Sie's nicht übel, wenn die Schüler in den Pausen mit Ihnen Verstecken spielen", meint die AKO und ich stelle mir vor, welchen Spaß Schüler in diesem Bau haben müssen.

Sie zeigt uns die schuleigene Kirche. Die heilige Ursula ist die Patronin der Lehrer, erinnere ich mich an einen Beitrag bei norberto24. Im Vorraum stehen drei Sonnenliegen mit alten, aber gut erhaltenen Stoffbezügen. Auf einem Schrank im selben Raum liegen Arbeitsblätter. "Hier können Sie bei Bedarf Arbeitsmaterial für die Schüler deponieren. Die holen sich das dann schon…" Oho? Diese Schule ist erstaunlich. 

Wir wandern weiter durch das Gebäude. Ein barock anmutendes Triptychon hängt in einem Flur, kein Edding, kein Bunt-, nicht mal Bleistift. Jacken hängen vor den Klassenzimmern. Wir begutachten Parkplätze, kleinere Arbeitszimmer, Oberstufenräume, eine kleine Cafeteria, einen angsteinflößenden Klassenarbeitsraum (Foto folgt bei Gelegenheit!) und einen für Naturwissenschaften reservierten "Neubau" aus den 70ern.

Zuletzt verabschieden wir uns ziemlich erschlagen, wünschen uns gegenseitig alles Gute und machen uns auf den Heimweg. Natürlich verlaufen wir uns, finden aber den Weg am Triptychon vorbei zur Pförtnerin, der wir vorgestellt wurden, sie winkt und lächelt – wir sind draußen. 

Nachbesprechung

Der Lehrerberuf wird in der Öffentlichkeit oft als Trivialität angesehen, nicht als Profession. Bestenfalls für den Umgang mit den schlimmen Schülern wird man bemitleidet, fachlich und besonders in punkto Arbeitsaufwand meint jeder, die Sache gut einschätzen zu können. Das ist ein Problem. "Man musst dabei auch witzig sein, locker. Ein Entertainer! Das kommt bei Schülern gut an." Jeder war ein paar Jahre in der Schule und hält sich für kompetent. "Gesprächsführung! Man muss bei Gesprächen immer die Oberhand behalten!" So ein Versicherungsvertreter und eine Erzieherin vor ein paar Jahren, abseits auf einer Geburtstagsparty. "Man muss eigentlich nur gut reden können! Das ist das Wichtigste!"

Lehren scheint Pillepalle zu sein, ein wenig Getratschte in dem einen Fach, ein wenig Schauspielerei im anderen. Unterricht findet spontan statt, klar – ein paar Zettel werden ab und an ausgeteilt, man liest, man sammelt Ergebnisse, nichts, was nicht jeder mit ein wenig Allgemeinbildung auch schnell hinbekommen könnte. Im Prinzip ist Unterrichten die einfachste Sache der Welt. Denkste.

Dieses Bild vom Unterrichten habe ich schon seit Studienbeginn nicht mehr, aber bei der Nachbesprechung unserer Doppelstunde ist mir noch einmal klargeworden, auf wieviele Dinge man gleichzeitig achten muss, will man gut unterrichten. Der Teufel steckt im Detail und vieles Gutgemeinte ist nicht immer gut. Wenn jetzt Nichtlehrer hier mitlesen – aufgepasst! Vielleicht müssen ein paar Vorurteile Federn lassen… Weiterlesen

Meine erste Stunde

So langsam lesen sich die Überschriften hier wie in einem Poesiealbum, aber das legt sich, wenn nicht mehr alles "das erste Mal" ist. 😉

Ich komme nicht mehr so recht zum Bloggen, wie meine Stammleser wohl gemerkt haben dürften; die Beitragsrate pro Tag ist rapide gesunken, was daran liegt, dass mein Tag meist mit anderen Dingen gefüllt ist. Zum Beispiel mit sinnloser Quellenrecherche.

Hektische Vorbereitung
Am Wochenanfang hatte man uns mitgeteilt, schon heute (Donnerstag) eine Unterrichtsreihe zum Thema "Imperialismus" bestreiten zu dürfen. Da wir wussten, dass wir erst Mittwoch wieder zur Planung kommen würden, stürzten wir uns ins Bibliotheksgetümmel und schürften nach Quellen zum Imperialismus des 19.Jahrhunderts, um dann am Mittwoch zu einer Hospitationsstunde in der fraglichen Klasse sitzen zu dürfen.

Tja, witzigerweise wurden in dieser Stunde dann genau die gleichen Quellen behandelt, die wir uns für unsere Reihe besorgt hatten, das Thema Imperialismus abgeschlossen und als neues Thema die Balkankriege und die Julikrise, also die Hinführung zum Ersten Weltkrieg, verordnet. 

Nicht übel – unsere Quellen waren damit nutzlos und wir hatten einen ganzen Tag, um eine Doppelstunde zu den Themen Balkan- bzw. Julikrise vorzubereiten und ehrlich gesagt, schüttelt man sich als Anfänger eine Stundenvorbereitung nicht eben aus dem Ärmel. Neue Quellen bzw. Literatur mussten herangeschafft, Einstiege überlegt, die politische Ausgangslage geklärt, der historische Kontext genau aufgedröselt und ein roter Faden gezogen werden, was locker bis halb Acht gedauert hat. Die beiden Tröpfe, die die ersten beiden Stunden halten sollten, darunter ich mit der ersten Stunde, mussten natürlich zu Hause auch noch "ran". Also kein Schweiz gegen Deutschland für mich.

Erfahrene Lehrer werden sagen, dass das ihr täglich Brot sei, aber für uns vier war das wirklich keine leichte Sache. Immerhin sind wir jetzt schon einmal gut für die Zeit eingestimmt, in der mehr Stunden von uns verlangt werden. Detailgenaue Vorbereitung wird dann einfach zeitlich nicht mehr drin sein.

Ein rundes Ei
Nun denn, die Planung sei "eine runde Sache", so mein Fachleiter. Auch meine größte Sorge konnte er zerstreuen, ich habe nämlich die permanente Befürchtung, meine Stunden könnten zeitlich zu kurz geplant sein. Horror! Nach zwanzig Minuten vor einer Klasse zu stehen und "durch" zu sein. Grausam! Aber unser Fachleiter gab uns ein paar Kniffe mit auf den Weg, um einer solchen Situation zu begegnen, auch wenn er eher das Gegenteil befürchtete.

Und Recht hatte er, ich hätte gut und gerne noch zehn Minuten gebrauchen können, was ärgerlich war, da ich so keine schriftliche Ergebnissicherung mehr durchführen konnte. Merke: Immer das Stundenende im Blick behalten und besser am Ende ewas strecken als keine Ergebnisssicherung duchzuführen. So musste ich unschön kürzen, um den Bogen für meinen nachfolgenden Kollegen zu spannen, damit dieser dort ansetzen konnte, wo ich aufgehört hatte.

Zwischendrin wurde es ein wenig eierig, weil ich den Panslawismus-Begriff an einem Text erörtern wollte, mir aber in der Stunde klar wurde, dass das keine gute Idee sei. Darauf habe ich quasi die Stunde "abgeschnitten" und eine kurze Begriffsklärung vor dem Text eingeschoben, weshalbdie Stunde an dieser Stelle kurz aus dem Fluß geriet.

Verblüffend
Verblüfft hat mich, wie schnell die Schüler oft Ergebnisse im Voraus erreicht hatten, die ich erst noch erarbeiten wollte. Man kommt sich ein bisschen vor wie Mr.Bean, wenn man sich stundenlang schwitzend überlegt, wie man Schülern eine Problematik nahebringen kann, und diese erledigen das dann im Unterricht in einem Halbsatz zwischen Lippenstiftnachbehandlung und Wasserflasche. Andererseits werden oft ziemlich einfache Sachen nicht verstanden. Was heißt "annektieren", war eine Frage. Joooa… also – und dann glaubt man, eine druckreife Definition raushauen zu müssen, die man natürlich nicht parat hat. Man weiß ja, was "annektieren" heißt. Ich habe es dann einfach umschrieben.

Obwohl – auch die Erfahrung mit "zu schnellen" Schülern war nützlich. Denn in einer Situation war ich, zeitlich angespannt, sehr glücklich über die schnelle und korrekte Antwort eines Schülers, lobte diesen und vergaß, dass andere Schüler möglicherweise nicht so schnell seinem Gedankengang folgen konnten. Es ging um die korrekte Ikonographie einer Karikatur, die durchaus nicht ohne Schwierigkeit war. In dieser Situation hätte ich natürlich noch einmal für alle eine Erklärung nachliefern müssen, was ich aber nicht gemacht habe, wofür ich mir gerade vor die Stirn hauen möchte. Denn dass die richtige Antwort gefallen ist, bedeutet noch lange nicht, dass alle alles verstanden haben. 

Verblüffend war ebenfalls die Reaktion einiger Schüler auf meine Aufforderung, die in einem Text beschriebenen Konflikte lediglich farblich zu markieren. Ich hatte das als Arbeitserleichterung gedacht, damit die Schüler sich bei einer Diskussion schnell an ihren Farben orientieren können. Vielleicht trifft es der Kommentar eines Schülers zu seiner eifrigen Banknachbarin: "Wenn Du so loslegst, dann kannst Du auch gleich die Stellen unmarkiert lassen, wo Konflikte zu finden sind." Junge, war das Blatt gelb. Laughing

Immerhin, die Stunde hatte einen Anfang und ein Ende plus einen roten Faden, der bis in die nächste Stunde hineinreichte. Das sind kleine Erfolge, die ich in meinen Praktikumsstunden nicht verzeichnen konnte. Und Spaß gemacht hat es auch. 

…und weiter geht`s…

Soeben erfahren, dass wir unser Geld erst Ende März bekommen sollen. Na bestens! Aber Bücher und Geld für die Fahrt sollen  schon… naja. Ich sehe einige Leute im Seminar, denen es finanziell offenkundig schlechter geht als mir, da halte ich es nicht für die
feine nordrhein-westfälische Art, diesen das Geld bis Ende März vorzuenthalten. Die erste Person hat sich auch prompt für die Fahrt abgemeldet, bzw. versucht das, weil es ja eine Dienstfahrt ist, der man sich nicht einfach nach Gutdünken entziehen kann.

Ansonsten nehme ich bislang alles eher als positiv wahr. Die erste zu haltende Schulstunde findet wahrscheinlich schon am Donnerstag statt, wie wir heute morgen erfahren haben. Da zwei Stunden anstehen und vier Leute in meiner Gruppe sind, liegt die Chance, schon Donnerstag dranzukommen, bei 50%. Ein Sprung ins kalte Wasser, aber was soll`s, noch werden wir betreut. Wenn wir dann nach den Sommerferien als billige Arbeitskräfte die neun Stunden "bedarfsdeckenden Unterricht" völlig eigenständig geben müssen, gibt es keine Nachbesprechungen oder ähnliches. Mit viel Glück kann man vielleicht Mitreferendare dazu gewinnen, mal eine Manöverkritik abzugeben, aber die werden dann in der Regel auch Besseres zu tun haben.

"Nutzen Sie das erste Halbjahr, nur da findet wirklich Ausbildung statt" sind Worte, die mich ehrlich gesagt am didaktischen Sinn der Sache hier zweifeln lassen. Gerüchte der Vorreferendare besagen sogar, dass man im Land plant, die Prüfungen vorzuziehen, um die dann de facto fertigen Lehrer  zum günstigen Referendariatstarif als Vollzeitkräfte einzusetzen. Ich hoffe, dass das nur ein Gerücht bleibt.

Man hat uns heute angeraten, unseren Unterricht ab und an zu filmen, um uns dann mit etwas Abstand aus einer anderen Perspektive beobachten zu können. Klingt unangenehm nützlich. Werde ich mir mal überlegen und vermutlich auch mal ausprobieren, obwohl ich es hasse gefilmt zu werden. Ein Tagebuch zu führen, wurde uns ebenfalls geraten – da musste ich doch ein wenig schmunzeln. 

Ein Buch habe ich mir auch schon zugelegt: von Wolfgang Mattes "Methoden für den Unterricht", derer ich mir gleich einige angucken werde, um sie evtl. schon am Donnerstag zum Thema "Imperialismus" an den Schüler zu bringen. Aber erst stehen Brainstorming und Quellenrecherche an.

Etwas neues ist mir auch untergekommen: Neurodidaktik. Habe ich noch nie gehört. Bin mal gespannt, was das ist, auch wenn es vermutlich nicht am Seminar thematisiert wird.

All the world’s a stage

So, jetzt bin ich schon seit zwei Tagen offiziell ein "Studienreferendar" und konnte noch gar nichts schreiben, weil schon wieder mein Server lahmgelegt wurde. Aber jetzt!

Bislang ist noch nicht viel gelaufen, an "meine" Schule komme ich erst am Dienstag und bisher hat sich alles um organisatorische Dinge gedreht, also: Welcher Hauptseminarleiter wird mir zugeteilt, welche Fachleiter sind für mich zuständig, wann liegen die Seminare, etc. etc. etc. 

Obendrauf ein wilder Wust an Informationen. Die Informationsveranstaltungen zur "Beihilfe" war doch irgendwie verwirrend; wenn ich demnächst zum Arzt gehe, muss ich demnächst erstmal tausend Sachen klären: Z.B. ob der gute Mann / die Frau den 2,3-fachen oder den 3,5-fachen Satz abrechnet, denn alles über 2,3 muss ich aus eigener Tasche bezahlen. Da einem Ärzte das in der Regel nicht freiwillig mitteilen, muss man das schon selber ansprechen. Man sollte auch vorher anmerken, dass nicht alle Medikamente beihilfefähig sind, sprich: Wenn einem der Arzt das teure Superpräparat aufschreibt, kann man übel draufzahlen. Da gilt auch: Den Arzt darauf hinweisen, dass man bitte schön nur verschreibungspflichtige Medikamente haben möchte. Aber ich muss mir das alles noch einmal in Ruhe angucken.

Lebhafter waren da schon die Werbeveranstaltungen von GEW und dem Philologenverband. Ich denke aber, ich werde beide erstmal meiden. Beim Philologenverband stößt mir diese bedingungslose Begeisterung für das dreigliedrige Schulsystem doch sauer auf. Das will ich nicht vertreten. Ich vertrete gerne eine Förderung der Besseren und der Besten, aber ich vertrete keine soziale Auslese und Sammlung der Schlechtesten. Die GEW reißt mich auch nicht vom Hocker, ich werde mir beides aber erstmal beobachten. Generell halte ich Organisation für keine schlechte Idee, wenn man schon nicht streiken darf.

Heute hatten wir mehr Gelegenheit, uns etwas besser kennenzulernen. In unserem Hauptseminar haben wir dazu ein sehr witzige Vorstellungsspiel gemacht: Je zwei Personen stellen sich zunächst einmal nur gegenseitig vor und tischen dem Gegenüber dabei eine Lüge auf. Wenn das geschehen ist, müssen sie sich gegenseitig dem Plenum vorstellen und das Plenum muss erraten, was gelogen war. Sehr lustig. Mir ist aufgefallen, dass Männer immer etwas Erstrebenswertes, Kindtraumhaftes erlügen wie z.B. Profisportler (das kam oft!) und Frauen eher etwas weniger Erstrebenswertes, wie Kinder dazuerfunden haben (um dann bei Auflösung hohl zu lachen, als ob es eine Schande sei, Kinder zu haben). Im Übrigen hat es mich erstaunt, wieviele Mitseminaristen dann doch schon wirkliche eigene Kinder haben. Da bin ich mit nur einem Kind noch ein kleiner Fisch.

Zwei Referendare aus dem Jahrgang, der gerade fertig geworden ist, haben sich dann noch für Fragen zur Verfügung gestellt. Interessant war, dass sich keine Frage um Unterricht, unterrichten oder Inhalte drehte, sondern es im Kern immer um Machtstrukturen ging: Wer benotet wen wann und wieviel Gewicht hat das in der Gesamtnote? Wie ist das Verhältnis von Gesamtnote und der Note des Ersten Staatsexamens? Was macht man, wenn man unfair behandelt wird? Wird man nach jeder Stunde kritisiert? Wie läuft das Kolloquium (mündl. Prüfungsteil) ab? Darf man bei Kritik widersprechen oder sollte man einfach schlucken und sich seinen Teil denken? Was tun bei Angst vor Lücken im Fachwissen? Wieviele aus dem aktuellen Jahrgang haben abgebrochen oder nicht bestanden (wen's interessiert: 20% war die Antwort).

Gestartet hatte unser Seminarleiter mit einem Shakespeare-Wort: All the world's a stage and all the men and women merely players. Das scheint auch für die Unterrichtsproben zu gelten. Showstunden, die nach dem Wochen zuvor erstellten Plan gehalten werden müssen, egal ob sie dann wirklich pädagogisch-didaktisch in den Kontext passen oder nicht. Das klingt nach absurdem Theater, ist aber Prüfungsrealität. 

Nach den Sommerferien geht es dann los: Von (mindestens) 12 Stunden müssen 9 Stunden eigenverantwortlich gehalten werden. Die restlichen drei sind Ausbildungstunden. Auch Elternsprechtage müssen bestritten werden. Nun denn, da bin ich mal gespannt wie das alles wird. Eines steht fest: es wird stressig. Bis zwölf Uhr haben die "Altreferendare" wochentags und sonntags Unterricht vorbereitet.

Eine Fahrt nach Norderney steht diesen Monat an; eine gute Gelegenheit, um alle mal genauer kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Ein paar Gesichter kenne ich ja schon von der Uni.  Wahrscheinlich wird die Zeit zum Bloggen demnächst sehr knapp bemessen sein, aber ich werde ja sehen, wie ich das hinbekomme. "The show must go on", könnte man Shakespeare um Mercury ergänzen. Und das gilt nicht nur für Lehrproben. Wink