Ich habe den Klimawandel gesehen: Mörderische Killeraustern marodieren massenweise im Watt vor Norderney! Aber, aber! Immer mit der Ruhe, eins nach dem anderen. Zunächst muss man ja erstmal ankommen, dort oben im hohen Norden, wo das Land selbst für Bielefelder Verhältnisse unglaublich platt ist.
Zwei Schwerpunkte haben unsere Fahrt gekennzeichnet, zu denen Norderney die passende Kulisse geboten hat: die inhaltliche Arbeit in den Hauptseminaren und das Kennenlernen der Mitreferendare. Tagsüber standen die Seminare auf dem Programm und abends hatten wir genug Gelegenheit, uns gegenseitig in ungezwungener Atmosphäre kennenzulernen.
Was ist guter Unterricht?
Die Seminare selber offenbarten, wie unterschiedlich verschiedene Persönlichkeiten unterrichten: Einige machten Videoaufnahmen von Unterrichtseinstiegen, andere erprobten Situationen in Rollenspielen, manche klebten ihre Räume mit Plakaten zu und wieder andere – meine Gruppe – suchte ihr Heil in der reinen Textarbeit, welche trotz des feuchten Klimas bisweilen ein wenig trocken war. Eine feuchte Kulisse ist nun mal nicht alles.
Im Kern drehte sich alles um die Frage: Was ist guter Unterricht? Chefpädagoge Hilbert Meyer diente uns hier mit seinen zehn Kriterien und seinem Buch als Arbeitsgrundlage. Spürbar war, dass auch Hauptseminarleiter nicht immer alles im Griff haben und „runden“ Unterricht machen. Von einer klaren Struktur, wie Meyer sie fordert, konnte nicht immer die Rede sein: Gruppenaufgaben wurden verteilt, zur Hälfte ausgewertet, Neues angefangen und dann erst die restlichen Aufgaben ausgewertet. Die von Meyer geforderte Klarheit war damit irgendwie für die Katz.
Auch die Auslegung der meyerschen Forderungen lief mitunter konträr. Meyer plädiert beispielsweise für Rituale im Unterricht, wie z.B. Aufstehen zu Beginn oder Handzeichen bei Lärm. Ein HS-Leiter war der Ansicht, dass man auch ein Abfrage-Ritual zu Beginn jeder Stunde einführen könne, wo man die Schüler nach Zufallsprinzip jede Stunde nach zehn Vokabeln, Formeln oder auch nach Rechtschreibung abfragen könne. Das beißt sich vehement mit dem Hinweis eines Fachleiters, es in bestimmten Fächern nicht mit Hausaufgabenritualen („Guten Morgen, setzen, Hausaufgaben raus…“) zu übertreiben, da diese die Motivation trüben würden. Wie auch immer: beiden zugleich werde ich es nicht recht machen können. Nun ja, mal sehen, wohin mich mein Hauptseminar noch führen wird…
Watt-Didaktik
Eigentlich als Auflockerung gedacht, entpuppte sich ausgerechnet die Wattwanderung als lebensnahe Lektion in Didaktik. Der charismatische Wattführer umsponn uns Landratten mit kilometerlangem Seemansgarn, führte uns aber auch vor Augen, dass „learning by doing“ immer noch funktioniert. „Wenn da „Hochmoor“ an der Tafel steht, dann ist das morgen schon wieder hopps“, so der eingeborene Ostfriese. Die kleineren Schüler lasse er immer auf dem Hochmoor hüpfen. Das präge sich direkt ganz anders ein, das vergesse keiner der Schüler! Und wer erst mal einen Wattwurm gegessen hat…
…glaube ich ihm. Also doch wieder ein Lichtblick für mein Pseudosteckenpferd, die Umweltgeschichte, deren Befürworter eine pragmatische Auseinandersetzung mit der Natur fordern. Ob die Pazifische Auster wirklich wegen des Klimawandels die friesischen Miesmuscheln verdrängt, konnte im Watt nicht eindeutig geklärt werden.
Namen über Namen
Auch neue Menschen kennenlernen ist Schwerarbeit: Eine ganze Latte neuer Namen will, kombiniert mit zwei oder auch drei Fächern, irgendwo zwischen Stirnlappen und Hypothalamus gespeichert werden. Das ist gar nicht so leicht, aber eine hübsche Übung für die Zeit an der Schule.
Damit wäre ich auch beim angenehmen Teil. Die Zimmergenossen hätte ich nicht besser treffen können, mit denen war alles drin: bei Bedarf um 23 Uhr in der Kiste, aber auch bis 3:00 Uhr Party machen. Die restlichen Referendare sind auch alle sehr nette Menschen, mit denen es sich auf dieser kleinen Insel aushalten ließ, obwohl der ein oder andere Name mir noch immer nicht geläufig ist und das ein oder andere Gesicht weiterhin unerkannt an mir vorbei durch die Bielefelder Fußgängerzone spazieren wird. Das legt sich.
Böse Zungen zischeln allerdings mittlerweile etwas von gemeinen Grüppchen, die sich zur Niedermachung einzelner Personen gebildet hätten, was an mir vorbeigegangen sein muss. Ich hoffe, das sind nur alberne Gerüchte, denn so ein Kinderkram muss nun wirklich nicht sein.
Wir werden sehen.
hallo hokey,
du scheinst ja einen interessanten Ausflug gehabt zu haben und obendrein auch noch eine Menge gelernt zu haben. An dieser Stelle möchte ich dir mal meinen Respekt aussprechen, dass du neben Stundenvorbereitungen auch noch so gut wie täglich Blogbeiträge verfassen kannst. Bewundernswert. Ich meine ich habe „nur“ mit meinen Hausarbeiten für die Uni zu tun, um endlich auch mal vorwärts zukommen, sodass ich dann hoffentlich in 3 Semestern soweit bin. Ich finde irgendwie nicht täglich die Zeit dafür. Vielleicht liegts an meinem Zeitmanagement. Hast du denn auch hierfür einen Tipp, wie kann man seine Zeit besser und effektiver organisieren? So ich hoffe natürlich weiter, dass du interessante Beiträge schreibst. Viel Spaß bei den Erprobungen der diversen Unterrichtsmethoden und Unterrichtsgestaltung. Wie kommst du eigentlich mit den Schülern zurecht? Welche Altersklasse unterrichtest du?
Mein Geheimnis ist: Aktuell läuft noch alles auf Sparflamme. 😉 Wir haben bspw. heute und gestern nur hospitiert – großartige zeitraubende Eigenleistung war da nicht verlangt.
Das läuft zur Zeit so: Wir haben zwei Projektphasen (je eine pro Fach), die noch gar nichts mit „unserer“ Schule zu tun haben. Da arbeiten wir in Gruppen, bereiten den Unterricht gemeinsam vor und müssen nur eine bis zwei Stunden halten. Da findet man leicht Zeit, für längere Beiträge – das Lob ist also unverdient. 😉 Ab dem 13.3. geht es dann aber „richtig“ los.
Und nächste Woche wird es schon wieder ernster, denn dann werden wir auf einen 13er-LK losgelassen, der in wenigen Wochen Abitur macht. Da wird einem die Verantwortung, die man trägt, schon deutlich und macht man sich Gedanken darum, den Abiturienten bloß nichts Falsches beizubringen.
von wegen Kinderkram bei „gemeinen Grüppchen“ – hab ich nicht neulich grade in der Zeit oder sowo einen Artikel über die Beliebtheit von Mobbing im Lehrerkollegium gelesen? Leider finde ich ihn nicht auf die Schnelle. Anti-Mobbing-Training wär doch aus was fürs Hauptseminar!
Und das in einem pädagogischen Beruf. Sollte man nicht glauben.
Mobbing ist leider für viele Menschen zum Sport geworden, nicht nur bei den Pädagogen.