Christian Ebel hat zu einer Blogparade mit dem Titel „Mit digitalen Medien besser lernen?“ aufgerufen und ich habe mich lange gefragt, was sollte ich eigentlich dazu beitragen können, wo das „digitale Lernen“ in meinem täglichen Unterricht eine eher untergeordnete Rolle spielt, gleichwohl ich jeden Tag auf Twitter und Co. verfolge, wie andere Kolleginnen und Kollegen das digitale Lernen langsam aber nachdrücklich in ihren Alltag einbauen. Könnte ich hier überhaupt eine sinnvolle Antwort auf Christians Frage formulieren?
Ich versuch’s mal. Wenn ich in meinem Unterricht die Stärken digitaler Medien kennengelernt habe, dann liegen sie vor allem im Bereich des Schreibenübens. Das kollaborative Arbeiten hat ja nur im weitesten Sinne gut funktioniert, bessere Erfahrungen habe ich hingegen vor längerer Zeit mit einem kleinen Blogexperiment und einem selbstgehosteten Blog gemacht. Das war zu einer Zeit, als der schulische Laptopwagen in unserem Oberstufengebäude noch voll einsatzfähig war.
Ein kurzes Blogexperiment
Im Versuch mit dem Blog ging es darum, dass die SuS eines Grundkurses Geschichte ihre schriftlichen Quellenanalysen ins Blog stellen sollten. Alle SuS hatten dann im Rahmen einer Arbeitsphase die Aufgabe, in Partnerarbeit mindestens drei andere Analysen zu kommentieren, positive sowie negative Aspekte herauszustellen und Verbesserungsvorschläge zu machen. Der Grund für dieses Herangehensweise war, dass ich es in meinem normalen Unterricht niemals schaffe, alle Übungstexte eines kompletten Kurses durchzulesen und sinnvoll zu kommentieren (weshalb man ja auch schon in der analogen Welt dazu übergeht, sogenannte „Schreibkonferenzen“ abzuhalten). Diese Situation empfinde ich bis heute als sehr unbefriedigend, weil ich ja gerne sowohl den ganz schwachen SuS Unterstützung bieten möchte, aber auch den Schülerinnen und Schülern, die schon ganz ordentliche Texte schreiben. Selbst den besten Schülern kann man immer einen Tipp zur Verbesserung oder Optimierung auf den Weg geben. Und wenn man noch nie eine Quellenanalyse formuliert hat, dann sind sowieso alle Schüler erst einmal unsicher.
Die Erweiterung dieser Schreibkonferenzen in den digitalen Raum versprach einiges an Erleichterung:
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jeder digitale Text ist für jeden Schüler gut lesbar, da die oftmals unleserliche Handschrift wegfällt
- jeder Text wird gewürdigt und bekommt einen Kommentar, der ihm Stärken und Schwächen sowie Verbesserungsvorschläge aufzeigt. Auch diese sind gut lesbar und müssen nicht an den Heftrand gequetscht werden.
- jeder Kommentator übt sich darin, Texte qualitativ zu bewerten (und erweitert damit seinen Horizont für die eigenen Texte)
- alle Texte stehen online und können bei Bedarf als „Blaupause“ verwendet werden
Das funktionierte insgesamt gut und auch die Rückmeldungen der SuS waren positiv. Alle Schülerinnen beteiligten sich sichtbar im Rahmen einer „sonstigen Mitarbeit“, niemand zog sich – wie im Unterrichtsgespräch – heraus. Könnte man dieses Verfahren über die ganze Unterrichtszeit einsetzen, könnten die SuS verschiedene Klausurtypen üben und diese wären jederzeit bis zum Abitur verfügbar.
Leider ging die Hardware unserer Laptops aus dem Laptop-Wagen kurz darauf kaputt, niemand reparierte oder ersetzte sie, sodass ein Fortsetzen dieser Arbeit nicht mehr möglich war. Ob also diese Methode langfristig etwas verbessern würde, kann ich letztlich nicht beurteilen. Weitere Projekte dieser Art finden wegen der fehlenden Ausstattung nun schon lange nicht mehr statt, denn ob ich einen Computerraum „erwische“, das steht in den Sternen und erlaubt mir keine verlässliche Unterrichtsplanung. Ich arbeite also wieder zu 99,9% mit Heft und Stift.
Besser lernen mit digitalen Medien? Vielleicht – wenn die Hardware vorhanden ist und der Schulträger sich verantwortlich zeigt.
Denn schön wär’s doch!
Mit meinen schreibintensiven Fächern Deutsch und Geschichte habe ich täglich in allen Altersstufen mit Schülern zu tun, denen das Schreiben schwer fällt, das manuelle Schreiben ebenso wie das inhaltlich-strukturierte Schreiben, und wenn man diesen Schülern dann auch noch damit kommt, dass sie ihre Texte überarbeiten sollen, dann ist der Ofen ganz schnell aus: Den sowieso schon eher lustlos mit blauer Tinte ins Heft geschriebenen Text jetzt auch noch „überarbeiten“, ergo: neu schreiben? Oder mit Sternchen und Fußnoten so erweitern, dass man am Ende auch nicht besser durchblickt? Dann lieber an einer Tastatur – und ohne schmierende Tinte, klebriges Tipp-Ex und kratzende Füller!
Wie schön wäre es, wenn wir lange Texte generell an einem (dafür geeigneten) digitalen Medium schreiben könnten. Texte zu überarbeiten wäre ein Klacks, verschiedene Versionen ließen sich gewinnbringend vergleichen, Schrift wäre immer lesbar und auch das Schreiben würde denen, die feinmotorisch nicht so beschenkt sind, vielleicht etwas mehr Freude bereiten.
Das wäre eine echte Bereicherung durch digitale Medien. Könnte man damit besser schreiben lernen? Ich glaube schon.
Toller Beitrag, finde ich. Das Praktische steht im Vordergrund. Entspricht auch meiner pragmatischen Herangehensweise. Der Computer im Unterricht wird sich wegen seiner praktischen Vorteile durchsetzen, so wie er sich gegenüber der Schreibmaschine durchgesetzt hat, weil er kein Tippex benötigt, weil Texte leicht nachträglich überarbeitet werden können, weil problemlos kopiert werden kann. Natürlich könnte man damals sagen: „Die ganzen Möglichkeiten des Computers wurden nicht erkannt, man begreift ihn nur als bessere Schreibmaschine. Das war zwar richtig, entscheidend aber war, dass mit der Gewöhnung an den Rechner nach und nach immer mehr die Potentiale des Rechners ins Massenbewusstsein drang, und das, ohne dass man die „Computerneulinge“ vorab zu einer ideologischen Umerziehung zwang. Ich habe die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass es so auch in den Schulen laufen wird, sobald durch BYOD und billige und leistungsfähige Handytarife die Abhängigkeit von Schulorganisation und Schultechnik, wie sie im Beitrag beschrieben werden, wegfällt. Für Teile des Unterrichts lässt sich dann vielleicht sogar das Problem des fehlenden Beamers oder Monitors umgehen.
Ich finde den Beitrag auch toll, weil er zeigt, dass traditioneller Unterricht durch Einsatz digitaler Mittel verbessert werden kann, und zwar ganz ohne konstruktivistische Phrasen und Ideologie.
Hallo Wolfgang und danke für die schöne Rückmeldung! Ich bin per Google schon öfter auf deiner Seite gelandet und finde, dass sie trotz ihrer Web1.0-Optik immer ein toller Steinbruch für Material und Anregungen (gewesen?) ist.
Die Gewöhnung an neue Medien setzt (langsam) ein. War im Referendariat die Kommunikation per Mail noch nicht bei allen angekommen, so kann man heute an einer Hand abzählen, wer sich der Mail (und dann nur passiv) verweigert. Ich vermute, so ähnlich wird es auch in anderen Bereichen laufen.
Die Pragmatiker, zu denen ich mich mangels aktiver Praxis kaum zählen kann, werden da den Takt vorgeben. Sie müssen nur aufpassen, kein zu hohes Tempo anzuschlagen, da sich sonst „Sand im Getriebe“ nicht vermeiden lassen wird.
BYOD wäre eine Möglichkeit, Sand im Getriebe mangels technischer Grundausstattung zu vermeiden. Bin gespannt, wohin uns die Reise führen wird. 😉
Ein sehr schöner Beitrag, weil er so unaufgeregt und alltagsnah daher kommt. Der PC wird hier nicht zum Erlöser stilisiert, sondern er stiftet berechtigte Hoffnung auf eine kleine, aber nicht unwesentliche Verbesserung der Unterrichtstätigkeit.
Zumal das ein Punkt ist, der meines Erachtens weithin unterschätzt wird. Der Zugewinn an Überblick, die verbesserte Lesbarkeit und Möglichkeit zur Korrektur von digital erzeugten Texten. Und dann kommt noch hinzu, dass kaum jemand so schnell mit der Hand schreibt wie er nach einer kurzen Übungsphase (etwa mit dem kostenlosen Tipp10.exe) im 10-Finger-System zu tippen vermag. Die Diskrepanz zwischen Denk- und Schreibgeschwindigkeit verringert sich und lässt die Sprachproduktion leichtfüßiger erscheinen.
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