Ich hasse sie. Sie bedeuten (sinnlose?) Zeitverschwendung, weil man seine Kräfte und Gedanken alleine auf eine einzige Stunde in der Woche richtet, plant, grübelt, überlegt, entwirft, verwirft, umbaut, kritisiert, neu beginnt, plant, grübelt, überlegt, etc. etc.
Grauenhaft. Am Tag vor Unterrichtsbesuchen bin ich dann ein Nervenwrack, habe mindestens zwei Nächte schlecht geschlafen, bekomme Geistesblitze grundsätzlich erst am letzten Tag um zwanzig Uhr, schreibe dann bis halb eins in der Nacht noch am Entwurft, tippe am Tag des Unterrichtsbesuchs immer noch an meiner Stundenplanung, würde am liebsten nochmal alles umwerfen, meinen Fachleiter anrufen, ihm meine vollständige Unfähigkeit gestehen, die weiße Fahne schwenken und hadere gleichzeitig mit meiner Dummheit und didaktischen Unfähigkeit.
So wie gestern. Und heute morgen.
So wie heute morgen stehe ich an der Bahnhaltestelle, wobei es nur zu logisch ist, dass ich mir Unterrichtsbesuche auf Tage lege, an denen der öffentliche Dienst streikt. So stehe ich dann innerlich fluchend an der Stadtbahn-Station, gehe noch einmal alle zu machenden Kopien durch und gräme mich schon im Voraus für meine schlechte Stunde. Nur Unterrichtsgespräch und Partnerarbeit, wenig Medien – das Grauen pur.
Wenn ich dann endlich in der übervollen Bahn stehe, gewinnt die Einfahrt in den Bielefelder Untergrund symbolischen Gehalt. Mein Neid wächst auf die junge Frau, die sich über den Streik freut, weil sie nun zu spät zur Arbeit kommen darf, mein Neid wächst auf die Straßenbahner, weil die streiken dürfen, was ich jetzt auch gerne täte. Stattdessen transportiert mich ausgerechnet die eben noch streikende Bahnfahrerin zum Ort der baldigen Schmach und Schande, aber ich könnte heute ja ausnahmsweise mal bis zur Endstation durchfahren…
…finde letztlich aber doch den Weg zum Ausgang, Wind schlägt mir ins Gesicht, dicke Wolken dräuen dunklen Regen, ich schlage den Kragen hoch und mache mich auf den Weg, der hohe Turm zur Rechten weist den Weg, meine Uhr ist stehengeblieben, wie ich feststelle. Stehengeblieben! Das letzte Mal blieb sie bei meinem Deutschbesuch stehen (ja, wirklich und ich beendete die Stunde 5 (in Worten: fünf) Minuten zu früh), was nichts Gutes bedeuten kann, und so gehe ich weiter meinem Unheil entgegen.
Im Gebäude fix alles kopiert, ein Wasser gegen den trockenen Hals besorgt, der Gong tut das, was er am besten kann und los geht’s. Erste Stunde, die Nervosität verfliegt, Gong, Besuchsstunde, schnell Fachleiter und Direx abgeholt, warten auf den.. Gong und ab dafür. Der Start schleppt, ich muss den miserablen Stundenplan so gut als möglich durchziehen, hier und da kleine Abweichungen einbauen, Schülergedanken wieder auf Linie bringen, Ergebnisse sichern, Transfer vollziehen lassen, Hausaufgabe rausgeben, Stunde beenden, wo bleibt denn der – Gong!
Wie ich diesen Gong liebe! Klamotten schnell packen, das miese Gefühl auch irgendwohinstecken, Ausbildungslehrer kommt, freut sich(?), Direx drückt mir freundlich den Arm(?), der Fachleiter sagt was von „gutes Konzept“(??), lobt die Moderation(!) und erinnert an die Nachbesprechung am Montag. Ich bin verwirrt, beginne aber langsam zu begreifen, dass die ganze Sache gar nicht übel gelaufen sein muss.
Ich bin mal gespannt auf die Einzelgespräche mit dem Direx und dem Fachleiter, aber eines habe ich jetzt wiedergewonnen: innere Ruhe! Und die werde ich mir heute gönnen!
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