Ein weites Feld

Tja, unsere Stundenvorbereitung für die Unterrichtsreihe zu „Effi Briest“ schreitet voran.
Ich bin mit der Aufgabe betraut, den Schülern die Verfilmungen von W.Luderer und Fassbinder nahe zu bringen. Der eine hat fast zwei Stunden, der andere über zwei Stunden Spieldauer; aber wir höchstens 90 Minuten Zeit, von denen lediglich 30 Minuten mit Filmegucken (bzw. Sequenzengucken) verbracht werden
sollen. Puh. Das heißt: Für jeden Film ca.15 aussagekräftige Minuten zusammenschneiden.

Zusätzlich sollen auch filmische Mittel thematisiert werden. Die Schüler sollen, in Hinblick auf eine Eigenproduktion einzelner Szenen, mit filmischen Arbeitsweisen vertraut gemacht werden. Dazu brauchen sie zunächst mal Grundwissen über Kameraeinstellungen, Kamerabewegungen und Perspektiven. Um es
mit den Worten Effies Vaters auszudrücken: „Das ist ein weites Feld.“, aber zu viele Informationen bzgl. Filmmethodik dürfte die Schüler (und ab einem bestimmten Grad auch mich) überfordern.

Auf jeden Fall werde ich Infomaterial zu den oben genannten Aspekten „reingeben“ und die Schüler sollen dann mit dessen Hilfe entweder ein Storyboard oder eine kurze Sequenz erstellen, in welcher Dinge wie Dauer, Kamera-bewegung, -perspektive und –einstellung festgehalten werden sollen. Die beiden zuvor
ausschnittsweise gezeigten Filme werden dabei insofern hilfreich sein, als sie zwei völlig unterschiedliche Interpretationen von „Effi Briest“ liefern. Dabei werden die Schüler (hoffentlich) die unterschiedlichen Produktionsbedingungen,  Darstellungen der Hauptfiguren, usw. erkennen, und feststellen, dass jeder Film
eine individuelle Sicht auf „Effi Briest“ eröffnet. Und das sollen sie dann auch praktisch mit der Videokamera o.ä. umsetzen. Eben habe ich dem leitenden Lehrer meine Materialien geschickt – mal abwarten, was der dazu meint…

Praktikumsseminar

Noch anderthalb Stunden bis das Effie-Praktikumsseminar startet. Diese Woche sollen wir den schon fertigen Unterrichtsverlauf diskutieren. Viel Diskussion wird es da wohl kaum geben – uns fehlt einfach die
Praxis, um einschätzen zu können, was zu viel, was zu wenig, was gut ankommt, was schlecht ankommt (aber vielleicht gut wirkt)

Lediglich die „konservativen“ Studenten, also die, die ihren zukünftigen Unterricht haargenau so gestalten wollen, wie sie ihn an ihrer Schule kennengelernt haben und keinen Deut anders, werden vermutlich gegen das Konzept Einwände haben.

Das ging letzte Woche schon mit dem Lesetagebuch los. Das Lesetagebuch ist ein Tagebuch, das die Schüler führen, während sie den Text lesen (man könnte auch eine Leseblog machen…) und in welchem sie alles
festhalten, was ihnen wichtig erscheint. In meinen Augen eine sinnvolle Sache, auch wenn ich selbige in Didaktikseminaren zuvor schon einigemale mit einem müden Lächeln abgetan hatte. Aber diese Tagebücher
erlauben zum einen eine gewisse Kontrolle, ob Schüler überhaupt etwas gelesen haben und sie geben den Schülern schnellen Zugriff auf wichtige Informationen, ohne jedesmal den ganzent Originaltext durchblättern zu müssen.

Aber da kam schon die erste Kritik. Das wäre zu frickelig…immer dieses Klein-Klein…Text zerplücken…muss das denn immer sein… Und heute kommen dann die „richtig“ progressiven Sachen, wie Kugellager und Stationenlernen dran. (Da müsste man sogar Tische und Stühle umstellen…ich bin wirklich gespannt, wie das heute läuft…)

Manchmal verstehe ich meine Mitstudierenden nicht. Da haben wir die erste und letzte Gelegenheit einmal ungewohnte Konzepte unter Anleitung auszuprobieren, mit Unterstützung von jemandem, der darin Erfahrung hat und dann heißt es: Och nöö…wat der Bauer nich‘ kennt…

Gleiches vor drei Monaten als ich mich mit zwei Mitstudenten über Gruppenunterricht austauschen wollte. Kaum hatte ich das Wort über die Lippen gebracht, flogen zwei Fäuste auf den Tisch und wie aus einem Munde hieß es: „Frontalunterricht ist das einzig Wahre!“ Ich war einigermaßen geschockt und perplex. Woher wissen die das? Was haben die, was ich nicht habe? Das etwa schon alles ausprobiert? Auf meine Frage hin stellte sich heraus, dass die eine Person gerade just ihr erstes Praktikum absolviert und die andere immerhin schon ein Jahr als Assistant-Teacher in Irland war, aber eigentlich nicht mehr Lehrer werden will…

Herr Rau hat in seinem Blog vor kurzem einen längeren Beitrag zum Thema „Was ist ein professioneller Lehrer“ geschrieben. Als Non-Praktiker halte ich mich aus derartigen Diskussionen raus, aber zumindest theoretisch bläut man uns hier in Pädagogikseminaren mit dem Titel „Pädagogische Professionalität in der Unterrichtsentwicklung“ ein, dass man sich ein gewisses Methodenrepertoire anschaffen sollte, um zumindest teilweise Anspruch auf Professionalität erheben zu dürfen. Aber wie das, wenn man immer nur am Altbekannten festhält und nicht wenigstens mal die Nasenspitze in ungewohnte Dinge steckt? Nicht mal ‘nen kurzen Blick riskiert? (Wo wir gerade bei ungwohnten Dingen sind: Izz ist eine verflixt ungewohnte, progressive Band…mitreissende Neuentdeckung der letzten Woche. Wer nicht als absolut konservativer Spießer dastehen will, muss sich als Entschädigung für diesen Riesentext ein paar Samples anhören!)

Praktikum in Enger

Gestern also das erste Seminar zum neuen Praktikum. Ich Dämel hatte vergessen, dass wir uns auf einen Beginn „s.t.“ geeinigt hatten, sprich: ‘ne Viertelstunde früher als gewöhnlich. War aber zum Glück nur drei Minuten zu spät und damit der Erste der vier folgenden Zuspätkommer.

Hinsetzen. Erste Reihe (bestehend aus zwei Plätzen) frei. Hinter mir ein Platz, zu dem ich mich hätte durchquetschen müssen. Ergo: erste Reihe. Begutachtender Blick. Der leitende Lehrer ist schon etwas älter, macht diese Praktika seit ‘79 – oha, fast so lange wie ich lebe. Wirkt verknöchert, Pflaster auf der Stirn, staubtrocken. Sieht aus wie ein typischer Deutschlehrer in Karikaturen. „Würden Sie sich bitte nach hinten setzen, sonst haben sie die anderen Leute im Rücken“ Was? Er will, dass ich mich nach hinten setze? Sonst ist das doch immer…egal, ich quetsche mich nach hinten.

Skepsis. Im Kommentar stand zwar etwas von „offenen Lernarrangements“, aber was soll man von einem alten Lehrer mit dem Charme eines Sandkuchens erwarten? Langsam sind alle eingetrudelt…flotte Begrüßung…weshalb sind Sie hier…ich finde Fontane so toll…ich mag Lyrik…ich mag auch Fontane…ich bin hier zugewiesen, mag aber auch Effi Briest… oh Gott…ist dasThema nicht egal? Wir kommen sowieso später um nichts herum, also doch völlig schnuppe welches Thema wir behandeln: ich will wissen, wie man offene Lernarrangements arrangiert. Fontane lesen kann ich auch ohne Seminar.

Alle haben ihre Kommentar abgegeben. Der gute Mann kramt einen Ordner hervor. Darin dünne, DinA-4 große Heftchen für Deutschlehrer mit fertigen Unterrichtsmaterialien und einer fertigen Unterrichtsreihe. Wie jetzt? Unterricht aus der Maggi-Tüte? Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. Die Dinger gehen rum.  Kosten eigentlich zwölf €, für Sie nur acht.“ Was soll das hier? Tupperparty für angehende Deutschlehrer? „Schlagen se doch mal Seite 23 auf.“

Seite 23… blättere über fertige Folien… praktisch… die faule Sau in mir fühlt sich geschmeichelt… viel Material… aaah: S.23. Ein gelbes Blatt mit der Überschrift „Unterrichtsverlauf“. Mal reingucken, was uns Mr.Instant-Unterricht da vorkauen möchte. „Kostet nur 8€ weil ich das Ding geschrieben hab’…da krieg‘ ich’s etwas günstiger.“ Ach!? ER hat das…so…will uns hier Ladenhüter verhök…„Ich krieg da nur’n Fixum. Verdien‘ da keinen müden Euro dran…“ Okay Chef. Jetzt aber den Unterrichtsverlauf unter die Lupe genommen.

Aha…alles vorgegeben…Thema, Sozialform/Methode, Kapitel und Material. Fängt auch gleich mit  Unterrichtsgespräch“ an, fehlt nur noch „Stillarbeit“, „Frontalunterricht“ und…“Kugellager“? Hääh? Was ist das? Noch nie gehört. Hmmm… aha… Gruppenarbeit… ja…“Stationenlernen“… schon mal gelesen… aber wie macht man das wohl… Gruppenarbeit… eigene Dramatisierungs-Verfilmungsversuche… oho… doch nicht so Schema F. Sieht wirklich „offen“ aus… und das bei dem?

Naja… er macht mittlerweile ‘nen ganz aufgeräumten Eindruck, reißt ein paar Witzchen…ist gar nicht so verbohrt… ach Unterrichtsgespräch basierend auf den Ergebnissen des Lesetagebuchs der Schüler… hätte ich vielleicht auch führen sollen, dann hätte ich auch gemerkt, dass Effi nach exakt 9 Monaten schwanger wird… Fontane schreibt das nicht so platt in seinen Text, da muss man auch schon mal nachrechnen…

Das verpricht interessant zu werden. Drei Studentinnen aus dem vorigen Semester sind dabei, wollen wieder mitmachen. Scheint wohl gut gewesen zu sein. Ich bin nach dem ersten Seminar optimistisch. Der Entwurf ist gut, zeigt uns, wie man so etwas aufbauen kann und lässt uns nicht im Regen stehen. Die Stunden halten wir alleine, so dass jetzt eigentlich alles nur noch an mir liegt. Ich hoffe, von meinem Frontaltrip, wie im letzten Praktikum, komme ich langsam runter…

Praktikum

Das Praktikum steht bald vor der Tür. Absurd, dass man nach 13 Jahren Schulzeit ein Praktikum machen muss, oder? Aber das hat schon seine Richtigkeit, es ist nämlich erstaunlich, wie sich die Perspektive verschiebt, wenn man nicht mehr in der Klasse sitzt, sondern davor steht. Von daher ist es sehr interessant, anderen Lehrern über die Schulter zu gucken und eigene kleine Gehversuche zu machen.

Ich bin mal gespannt, wie die Vorbereitung läuft, während der ich mit einer Mitstudentin eine Stunde vorbereiten werde. Sie scheint den Schüler/innen lediglich ein paar (Geschichts-)Quellen reinreichen zu wollen – naja, das werden wir dann ja noch abklären, die Stunde wird wahrscheinlich sowieso nicht so laufen wie geplant, da man Schüler ja nicht verplanen kann. Das macht Unterricht spannend (zumindest für den Lehrer). Die Wahl eines Geschichts-Leistungskurses finde ich für die erste Unterrichtsstunde gut gewählt, dann hat man halbwegs Garantie, dass die Schüler Interesse am Thema haben. Während eines „Absitz“-Praktikums an einer Hauptschule wurden wir zuletzt mit „Aah, schwule Studenten!“ begrüßt und auf dem Schulhof angerempelt, das war weniger witzig und warum Hauptschullehrer weniger Geld bekommen als Gymnasiallehrer, ist mir seit dem ein großes Rätsel.

Entspannt

(Nachtrag am 20.8.2008: Der unten angesprochene und vehement kritisierte Kurs war der vielleicht beste didaktische in meiner Uni-Zeit.)

Ich mag es, wenn ein Morgen entspannt beginnt. Lieber bis in die Nacht arbeiten, aber hektische Frühvormittage versauen mir den Tag. Heute ist so ein entspannter Morgen, ich hatte Zeit für zwei ruhige Kaffees und kann mich nach diesem Eintrag in Ruhe auf den nächsten Kurs vorbereiten.

Blair bittet die Iraker um Entschuldigung, titelt der Spiegel Online. Wir werden sehen, ob sie diese annehmen, oder die „Allianz der Willigen“ sich in unmittelbarer Nähe zu Israel ein neues Terrornest geschaffen hat. Das wäre dann nicht einmal die sogenannte „Ironie der Geschichte“, das wäre nur die logische Konsequenz und witzig schon gar nicht. Ich bin ein wenig enttäuscht von meinen amerikanischen Prog-Rock-Forumskollegen aus den Bandforen. Große Aufregung dort über Michael Moores neuen Film, aber kein Wort zu lesen über amerikanische Folter – Augen zu und durch ist die Devise. Kommt schließlich in den besten Familien vor.

Rumsfeld wird (zumindest formal) der Rücken gestärkt. Vielleicht nur der Auftakt zur Entlassung (so wäre es in Deutschland), aber ich bin überzeugt, dass er bleibt. Traurig. Gleich habe ich den ätzendsten Kus in diesem Semester. Geleitet von einem „Praktikumsmanager“, dabei ist der Kurs kein Praktikum, sondern ein fachdidaktisches Seminar, der vorher als Lehrer gearbeitet hat. Merken kann man davon nichts, pädagogisches Fingerspitzengefühl ist ihm ein Fremdwort, ich habe eher das Gefühl, man hat ihn im Bildungsministerium (oder im Wirtschaftsministerium) einer Gehirnwäsche unterzogen, denn er will aus uns allen kleine willige Arbeitssoldaten, gerüstet für den Kampf im Großkapitalismus machen. Abstoßende Arroganz am Pult, noch nie habe ich mich, nicht mal in der Schule, so angewidert von einem Lehrenden gefühlt…mir kann es fast egal sein, ich kann den Kurs jederzeit verlassen – nur die armen Bachelor-Leute müssen ihn machen. Ich glaube, er will das gar nicht, er gibt sich wahrscheinlich redlich Mühe, nicht arrogant oder negativ rüberzukommen, er will ja motivierend wirken, einen neuen Geist ins uns wecken, aber das misslingt ihm vollkommen.

Vielleicht ist er deshalb jetzt an der Uni und nicht mehr an einer Schule. Weggelobt, nennt man das. Schüler sind in dieser Beziehung nicht so dankbare Schafe, wie Studenten – die sind schließlich freiwillig an der Uni. Ich werde den Kurs auf jeden Fall durchziehen, alleine schon, um mir kurz vor Studienende so noch einmal
in Erinnerung bringen zu können, wie das ist, wenn man einen A*schlehrer hat. Dann kann ich die Schüler später besser verstehen…