Trinken im Unterricht ist ein leidiges Thema, ein pädagogisches Minenfeld, was sage ich: Ein Schlachtfeld! Fordernde Schüler prallen, flankiert von empörten Eltern, auf eine Phalanx verweigernder Lehrer, die trotz aller Studien und besseren Wissens das wertvolle Gut versagen, das stille Wasser verbieten.
Stilles Wasser – da mag so manch Kollege hohnlachen: Knackende Plastikflaschen, provoziert von gelangweilten Lippen, die das Prinzip des Unterdrucks als Mittel zur Lehrernervenbekämpfung entdeckt haben, lange bevor die Physikkollegen ihnen das sachliche Wissen dazu vermitteln können; stürzende Wasserbäche im Klassenraum, durchweichte Klassenbücher; angespießte PET-Flaschen, die aufgrund ihres Streuvermögens weniger den Durst als vielmehr Brände löschen könnten; Leere Pullen, deren Resonanzkörper wunderbare Percussioninstrumente abgeben oder – ebenfalls fleißig resonierend – als Fußballersatz herhalten müssen. Doch auch das Benehmen der Trinkenden lässt zu Wünschen übrig: Da wird geschmatzt, geschlürft, geschlurpt, gezischt und genuckelt, was das Zeug hält. Und manch einer nutzt die Unterrichtszeit gleich dazu, die Kraft seiner Kaumuskulatur auszutesten, indem er das für seine Konzentration so dringend benötigte kühle Nass unter Verzicht auf Zuhilfenahme seiner beiden Hände durch die Kehle gluckern lässt.
Ich gestatte das Trinken im Unterricht und gebe zu, dass ich trotzdem das ein oder andere Mal schon sehr gerne die ein oder andere PET-Flasche mitsamt anhängenden Lippen aus der Reichweite meiner Ohren befördert hätte. Aber mit dem anstehenden Schuljahr wird alles gaaanz anders. Ich werde nämlich darauf bestehen, Trinkregeln einzuführen, die wie folgt aussehen:
- Trinken ist bei Stillarbeitsphasen, bei Klassenarbeiten, Gruppen- oder Projektarbeit erlaubt
- Trinken ist nicht gestattet bei Frontalunterricht oder im Unterrichtsgespräch
- Trinken ist während der ersten zehn Minuten einer Schulstunde gestattet
So trinken, dass niemand gestört wird (d.h. leise die Flasche öffnen und schließen).
Ich finde die Unterscheidung zwischen „Trinken“ und „Naschen“ auch wichtig. Ich hab da schon mal was in meinem Blog drüber geschrieben. Wenn es nur schnödes Wasser gibt wird wahrscheinlich der Drang zu Nuckeln und zu Spielen etwas geringer und getrunken wird nur wenn jmd. Durst hat.
Falls dir das „Gesüppel“ und „Geschlürfe“ zu viel wird, hilft eine sehr wirkungsvolle Performance, die ein Kollege von mir im GK Deutsch 12 jüngst praktizierte. In die Doppelstunde brachte er sich auch mal eine 1,5l Flasche Wasser mit, Medium. Die Stunde war eher lehrerlastig konzipiert, sodass der Kollege genüsslich seinen Unterricht zelebrierte und an passenden und unpassenden Stellen einen Schluck aus seiner Flasche nahm, als sie dann nach guten 70 Minuten leer war, nutzte er sich auch als Trommelkörper oder zum Tippen oder zum „Kopf drauf abstellen beim Sitzen“. Die Schüler waren sehr irritiert, begriffen aber in und nach dieser Stunde, dass trinken zwar wichtig ist, aber ein wohldosiertes Randgeschehen im Unterricht bleiben sollte. Es gab in diesem Kurs nie wieder „Schmatzprobleme“.
Allerdinds rate ich bei dieser Vorführung zu einem vorherigen Test der Blasenkapazität… 😉
In der Oberstufe klappt das bei uns wunderbar! Da fällt mir das Trinken nie negativ auf. Unsere SoWi-Lehrer benutzen diese Art, sich als Lehrer daneben zu verhalten, manchmal für Einstiege in das Thema Rollentheorie. Scheint immer wieder gut anzukommen (und den Kollegen viel Spaß zu machen…)
Ich bin da eher die Fraktion, die bis zu den höheren Klassen kein Trinken gestattet.
So konservativ, dass ich mir sage, dass Schule auch Selbstbeherrschung beibringen soll und dazu gehört eben auch, dass nicht zu jedem passenden und unpassenden Moment die Flasche angesetzt werden muss – und ich es als persönlich unhöflich empfinde, wenn mir gegenüber jemand, während ich spreche oder arbeiten möchte, isst oder trinkt. Das hat grundsätzlich dann mit dem Alter oder der Rolle nix zu tun.
Und so arschig, dass ich mir denke, dass ich das auch nie so gemacht habe als Schüler…und ich bin auch schlau geworden.
Erst mal finde ich gut, dass du Trinken im Unterricht erlaubst. Ich habe so viele Kollegen gesprochen, die mich entsetzt angeschaut haben, als ich erwähnte, dass es in meinen Stunden erlaubt ist und ich kann das einfach nicht nachvollziehen.
Meine Erfahrung damit sieht so aus, dass die Klassen, die ich neu unterrichte, erst mal sehr erfreut über diese Ansage sind und in den ersten Stunden wird es auch wirklich viel ausprobiert. Aber nach schätzungsweise vier, fünf Unterrichtsstunden ist dieser Reiz des Neuen weg und es wird viel weniger und auch unauffälliger /weniger störend getrunken. Ich hatte nie ein Problem damit. Und wenn es tatsächlich mal einer zu weit getrieben hätte, hätte ich kein Problem damit gehabt, die betreffende Flasche einfach bis nach der Stunde zu konfiszieren.
Mir war immer wichtig, den Schülern klar zu machen, dass das Trinken keinen stören sollte – also nicht erst nachfragen, sondern einfach Flasche leise öffnen, leise trinken, dann leise wieder schließen. Die meisten haben das schnell kapiert. Auch heute sind sie nämlich schlau 😉
Meta-Frage: sollte es eine schulweite Regelung geben (mit grummelnden Kollegen), oder ist es für alle besser, wenn die Schüler bei jedem Lehrer neu herausfinden müssen, was sie dürfen oder nicht?
An meiner Schule ist Wasser (Mineral, still, laut) trinken im Unterricht generell erlaubt, andere Getränke sind generell nicht erlaubt. Da halte ich mich daran, nicht ungern. Das bisschen Trinken stört mich nicht.
Allerdings: physiologisch gibt es keinen Grund für das Trinken im Unterricht, das ist reine Wasserlobby und Aktionismus. Wenn es nicht stört oder ablenkt, gibt es andererseits auch keinen Grund, das zu verbieten.
Wie zu erwarten ein diversifiziertes Meinungsbild. 😀
@aleXXblume
Ich finde das Trinken ja in Ordnung und in der Regel stört es mich auch nicht, aber manche Schüler scheinen ein sehr ausgeprägtes Nuckelbedürfnis zu haben und sind mit wenig Bewusstsein für knackende Plastikflaschen ausgestattet. Die nerven mich am meisten. Wenn jemand übertreibt und auch auf einen freundlichen Hinweis hin weiter knackt oder mit der leeren Flasche spielt, dann konfisziere ich diese auch.
@tommdidommm
Wir haben ein 90-Minuten-Raster, wo die Schüler weniger Gelegenheit haben zu trinken als bei 45 Minuten mit 5-Minuten-Pause. Besonders bei Hitze müssen die Schüler auch während des Unterrichts trinken dürfen, finde ich, aber eben nicht, wie du es ja auch sagst, auf angemessene und höfliche Art und Weise.
@Herr Rau
Jetzt hast du mich erwischt, ich müsste tatsächlich noch einmal alte Konferenzprotokolle lesen, um herauszufinden, ob wir da eine exakte Regelung haben. Meines Wissens nicht, aber das Trinken wird grundsätzlich gestattet und ist nicht „schulglobal“ verboten. Leichter für Schüler und Lehrer macht es sicher eine schulweite Regelung, das andere funktioniert allerdings auch. Mir sind auch nicht allzu viele Kollegen bekannt, die sich gegen das Trinken stemmen.
Ich erlaube Getränke grundsätzlich in meinem Unterricht. Die einzige Regel: Wird nur genuckelt oder ist zu erkennen, dass der Griff zur (Wasser-) Flasche der Ablenkung dient, wird die Flasche konfisziert.
Die Regel, das Trinken nur innerhalb der ersten zehn Minuten zu erlauben, ist interessant. Mein Schulleiter und ich sind aber der Meinung, dass man Trinken nicht verbieten oder auf bestimmte Phasen des Unterrichtes einschränken kann und darf.
P.S.: Ich habe diesen Blog in meinen Blogroll aufgenommen.
Man haette gar nicht erst anfangen sollen, das Trinken im Unterricht zu verbieten. Kinder machen naehmlich immer gerne das, was verboten ist, um zu provozieren….
Toll, dass hier regelmaessig soviel geschrieben wird.
Trinken ja, aber nur Wasser oder überwiegend aus Wasser bestehenden Getränken. Ich habe eine Ganztagsklasse, da brauche ich auch meine 1,5 l während des Tages. Das ist dann gleichzeitig Erziehung durch Vorbild. Manchmal machen wir auch alle zusammen eine Trinkpause mit Lockerungsübungen: Danach geht’s gleich viel besser weiter.
Bei uns gibt es sowohl PET als auch Glasflaschen (ökologischer Grundgedanke: Abfall und Nahversorgung). Pro Jahr gehen 2 oder 3 Flaschen zu Bruch. PET-Flaschen fallen viel öfter vom Tisch. Aber wirklich stören tut keines von beiden. Die Schüler wissen um ihr Privileg, da es in fast allen anderen Klassen nicht erlaubt ist.
Einziges Tabu ist bei uns der Computer, sowohl im Klassenzimmer als auch im Computerraum.
http://tinyurl.com/cs8g4gd
Die Nuckel-Generation ist im Hörsaal angekommen: Die Bayerische Staatsbibliothek erlaubt nun Wasserflaschen im Lesesaal, was bisher verboten war. Offenbar störte sich das dauernde Pilgern zu den Spinden die anderen Leser.
Hi,
Ich würde mich sehr gerne auch zu dem trinken im Unterricht äußern.
Ich bin in der Oberstufe, genauer gesagt in der 13. Klasse und ich habe 4 Tage die Woche 11 Stunde.
Mein LK Lehrer verbietet uns im Unterricht zu trinken, obwohl wir nicht, wie oben beschrieben, nuckeln oder kauen etc.
Nein! Für ihn ist es wichtig alle 5 min -1 Grad kalte Luft in den Raum strömen zu lassen, da genau die s angeblich unser Denkvermögen deutlich bessern würde.
Ich sehe es allerdings als völligem Humbug an! Das einzige was diesen Mann stört ist die Tatsache.. Um ehrlich zu sein weiß ich das noch nicht mal, denn er meint immer nur es würde stören, dabei bekommt er es oftmals nicht mit und seine Begründung sind somit irrelevant, da sie auf nichts fundiertem gefestigtem gründen….
So stelle ich mir nun die Frage, nachdem seit 5 jähriger Diskussion kein einsehen einkehrt, was man nun gegen einen solch sturen Lehrer machen kann.
Dabei wende ich mich bewusst an Lehrer, da sie dies Tag täglich erleben.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit
Hallo Schülerin am Rande des Wahnsinns,
ich oute mich hier einmal als Lehrer, der das Trinken jederzeit zulässt, aber bei jedem Knacken dieser *!§$# Plastikflaschen rasend werden könnte. Auch quäle ich meine Schüler bei jedem Wetter mit viel Frischluft, damit sie besser denken können; das soll wissenschaftlich erwiesen sein.
Tja, um auf deine Frage zu kommen: Was kann man da nur machen? Ich denke, 45-90 Minuten ohne Getränk bringen einen Menschen nicht um. In meiner Schulzeit durfte ich nie im Unterricht trinken. In meinem eigenen Unterricht trinke ich selber übrigens nicht, und da ich dies tippe, lebe ich noch fleißig vor mich hin. 90 Minuten schafft man.
Wenn man deinen Lehrer kennt, trinkt man einfach wohl besser vorher etwas. Oder man reibt sich an ihm auf und ärgert sich immer wieder aufs Neue. Aber ich glaube, dass das am Ende am wenigsten bringt.
Ist dem Blogschreiber schon mal der Gedanke gekommen, dass der Unterricht das Problem ist und nicht das Trinken?
Sind wir doch mal ehrlich. Die Mehrheit der Schüler sitzt nicht freiwillig in Klassenräumen herum, um sich zwangsbelehren zu lassen und auch den Inhalt der Belehrung haben sie nicht selbst gewählt. Was also Wunder, dass die Trinkflasche zweckentfremdet wird. Wäre sie verboten, würden sich die Schüler etwas anderes suchen, um der Realität wenigstens gedanklich zu entfliehen.
So lange Menschen über ihre Bildung nicht selbst bestimmen können und sich diejenigen, von denen sie etwas lernen wollen, nicht selbst aussuchen dürfen, werden sie sich der Langeweile so weit wie möglich entziehen. Und sei es durch gedankenverlorenes Nuckeln an einer PET-Flasche.