Eine seltene Gelegenheit: Dasselbe Material, dieselbe Zielsetzung, aber: zwei Klassen und zwei Lehrer. Das war mal ein schöner Vergleich, welcher Weg (mutmaßlich) eher nach Rom führt.
Worum geht es? Es geht um eine Klausurvorbereitung zum „Parfum“ von Süskind, die in zwei parallelen 11er-Kursen mit demselben Material gehalten wurde. Auch die Zielsetzung war gleich: Nämlich mit den Schülern das Erarbeiten eines Textes nach Klausurschema noch einmal punktgenau zu üben, damit alle für die Klausur präpariert sind. Ausgangssituation war für beide Lehrer, dass die Schüler als Hausaufgabe zu einer Textstelle eine Probeklausur angefertigt hatten, anhand der die Probleme diagnostiziert werden konnten.
Gruppenarbeit…
Lehrer A ging dann vor, wie folgt: Er besprach mit den Schülern die Kriterien für eine gelungene Kontextualisierung des Textausschnitts, teilte die Klasse um vier gute Schüler herum nach Zufallsprinzip in Grüppchen ein, und ließ diese dann gemeinsam eine möglichst mustergültige Kontextualisierung erarbeiten. Wir Referendare durften uns unterstützend zu den vier Gruppen gesellen.
Die Schüler meiner Gruppe verloren sich im hemmungslosen Klein-Klein. Woher sollen sie auch das Gespür für die wichtigen Stationen im Parfum haben? Da schien alles irgendwie wichtig: dass Grenouille keinen Geruch hat, dass er bei Grimal war, bei Baldini, Madame Gaillard, dem Marquis, etc. etc. etc. Problematisch war, dass durch die gute Schülerin eben nicht der erhoffte „Mitzieh-Effekt“ erreicht wurde, sondern alle eher versuchten, einen Kompromiss aus den drei Meinungen zu finden.
Zuletzt wurde die Zeit so knapp, dass keine Sicherung mehr geschafft wurde und die Arbeitsergebnisse der Gruppen unkommentiert blieben – womöglich wurde die Sicherung aber in der Folgestunde nachgeholt.
…versus Frontalunterricht
Lehrer B wählte eine andere Vorgehensweise: Er erarbeitete ebenfalls an der Tafel die Kriterien für einen guten Ersteindruck und eine gelungene Kontextualisierung. Daraufhin bediente er sich der Probeklausuren, die er per E-Mail bekommen hatte, indem er anhand der Schülerergebnisse Positiv- bzw. Negativbeispiele für die zu leistenden Abschnitte „Ersteindruck“ und „Kontext“ auf einer Folie präsentierte. Dabei konnten auch weniger wichtige Aspekte wie stilistische Ungenauigkeiten in den Schülerarbeiten angesprochen werden. Die Schüler bekamen so einen ziemlich konkreten Eindruck von dem vermittelt, was der Lehrer für die Klausur erwarten würde, worauf zu achten ist und vor allem: was tatsächlich zu leisten möglich ist, denn immerhin hatten es einige Klassenkameraden auch geschafft.
Mein Eindruck war, dass am Ende der zweiten Stunde durch den Positiv / Negativ-Vergleich mehr Klarheit herrschte, was die sachlichen Kriterien für die kommende Klausur anging. Die Gruppenarbeit in der einen Stunde sorgte meines Erachtens eher für Verwirrung, denn für Sicherheit. Die andere Stunde hingegen hatte die Maßstäbe durch das offene Diskutieren der Schülerarbeiten klar abgesteckt, am Ende stand ein klares Ergebnis und kein verwaschener Kompromiß.
1:0 für den Frontalunterricht.
Na klar, das war doch vorauszusehen! Wenn es darum geht, den Schülern beizubringen, was der Lehrer von ihnen erwartet, ist natürlich FU das Mittel der Wahl! Deswegen gibt es doch so viel davon in unseren Schulen! Form follows function!
Es kommt immer darauf an, was das Ziel ist und für wie wichtig man den Weg im Verhältnis zum erzielten Resultat erachtet. Für die beschriebene Situation (offenbar war ja auch noch die Zeit knapp, da die Klausur kurz bevorstand) ist der Frontalunterricht garantiert der effektivste Weg.
Für andere Situationen (keine Klausur in naher Zukunft) und vor allem für andere Themen kann Gruppenarbeit wesentlich sinnvoller sein. Aber! Eine Besprechung der Ergebnisse der Gruppenarbeit ist unerlässlich! Recht hilfreich ist als Vorbereitung dazu, jeder Gruppe schon am Anfang eine (leere) Folie zu geben und die Schüler aufzufordern, sich schon gleich darauf zu einigen, wer welchen Teil des Resultats anschließend präsentiert.
Da habt ihr beide recht. Ich wollte hier auch nicht eine Form von Unterricht gegen die andere ausspielen oder auf- bzw. abwerten. Das war eine rein situative Beobachtung.