Utopischer Überschuss.

Hatte ich mir immer vorgestellt, dass der Kapitalismus alle Operationen zwecks Optimierung kleine evaluierbare Häppchen zerhackt und es zwecks Vergleichbarkeit und Druckerzeugung in publizierbare Listen presst, so überdreht der chinesische Kommunismus diesen Albtraum schon jetzt – und seine Opfer sind Grundschulkinder. 

Hochgradig verstörend ist dieser Bericht des Wall Street Journals über einen Versuch an Grundschulkindern in Shanghai. Dort wird die Aufmerksamkeitsspanne der Schulkinder mit Elektroden überwacht und direkt an der Stirn der Kinder farbig angezeigt, sodass die LehrerInnen in Echtzeit sehen können, welche Kinder aufmerksam sind und welche nicht. Gleichzeitig werden die Ergebnisse in eine Chatgruppe der Eltern gesendet, welche dann die Scores ihrer Kinder mit denen der anderen vergleichen können. Die Eltern haben anscheinende keine Idee, was mit den erhobenen Daten im Weiteren geschieht und scheinen sich gegenüber dem WSJ auch nicht daran zu stören, wenn diese im Anschluss weiterverarbeitet werden.

Der kurze Bericht des WSJ weist auch auf die Probleme der Kopfbänder hin. Die Messung ist nicht genau, vermutlich wird nicht einmal das gemessen, was man messen möchte. Der soziale Druck kommt trotzdem ganz real bei den Kindern und den Eltern an. Und auch wenn die Technik noch nicht vollständig funktioniert, ist schon das Ziel dieses Versuchs verwerflich. Zweitens finde ich neben dem Vermessen das soziale Unter-Druck-Setzen, das durch die Scores und die Eltern-Chatgruppe erzielt wird, empörend. Aber das durch die permanente Überwachung intendierte Selbstbild scheint ja bei den arglosen (oder nur öffentlich zurückhaltenden?) Eltern schon zu greifen.

Wird so etwas bei uns kommen? Wer weiß. Dankbare Empfänger einer solchen Überwachungstechnik (Deckmantel „selbstgesteuertes“ oder „algorithmisches Lernen“) wird es auch bei uns geben. Persönlich bin ich ganz bei @schb:

https://twitter.com/schb/status/1180836729487581185

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