Hui – die grauen Monate November und Dezember sind die ätzendste Zeit im Schuljahr. Klausuren und Klassenarbeiten stapeln sich, sämtliche Konferenzen müssen vollzogen, der Tag der offenen Tür vorbereitet und zu allem Überfluss kilometerweise Papiere für eine Qualitätsanalyse geschrieben werden. Wann soll ein normaler Mensch da noch zum Bloggen kommen?
Mittlerweile stapeln sich nämlich auch abseits des schnöden Alltags viele diskussionswürdige Themen: Twitter ist erbarmungslos und gibt einen gnadenlosen Takt vor, wer nicht dranbleibt, ist abgehängt – ich hänge gerade noch mit einem Zeigefinger am letzten Waggon und arbeite mich mit diesem Beitrag wieder ein Stück vor. Es folgen: Ein kurzer Rückblick aufs EduCamp 2011 und ein Kommentar zu Überzeugungsarbeit. OER schaffe ich gar nicht mehr… ich springe einfach auf den nächsten Zug auf…
EduCamp Bielefeld
Das EduCamp (#ecbi11) war in zweierlei Hinsicht eine tolle Erfahrung: Erstens bot sich die Möglichkeit, neue Ideen zu diskutiere, Anstöße für einen neuen Unterricht zu bekommen und die Form eines Barcamps kennenzulernen. Zweitens konnte ich in Bielefeld endlich einmal diese vielen Menschen treffen, die ich zum Teil schon viele Jahre online kenne, aber noch nie „life“ sehen konnte und auch neue kennenlernen. Alle diese Begegnungen fand ich sehr angenehm und freue mich auf ein nächstes EduCamp.
Daneben bleibt besonders die Motivation, neue Ideen einfach anzupacken und umzusetzen. Dem Versuch, mit einer digitalen, möglichst papierfreien Schultasche „auszukommen“, unterziehe ich mich jetzt einfach, und in meinen Oberstufenkursen sind die wenigen neuen (und zum Glück(?) selten benutzten) Notebooks seit dem EduCamp im Dauereinsatz. Google und Etherpads sind eingeführt und die Schüler arbeiteten damit sofort sehr strukturiert und zielführend. Viel besser als Wikis (furchtbar! Da konnte mich auch das Camp nicht überzeugen…) oder das umständliche Moodle.
Um Überzeugung muss es uns gehen
Der „Ton“ auf dem EduCamp war auch viel angenehmer als es bei Twitter manchmal den Anschein hat. Alle Themen konnten sachlich und ohne persönliche Animositäten diskutiert werden, während ich zunehmend den Eindruck habe, dass sich Twitter zum pseudo-intellektuellen Schlachtfeld entwickelt (bzw. vielleicht noch nie etwas anderes war als ein Medium zur Selbstvergewisserung). Vieles wirkt auf Twitter radikal und modernistisch, technikgläubig. Das „Alte“ (bspw. die sog. „Buchkultur“, Handschrift, fremdbestimmtes Lernen) wird zum Teil sehr massiv in Frage gestellt, was, würde die Kritik konstruktiv geübt, durchaus sinnvoll sein mag, doch leider wird für meinen Geschmack zu oft gering geschätzt, abgewertet, gespottet.
Diese Grundhaltung drückt sich heute in einem Beitrag im Geschichtsblog Daniel Bernsens aus, der über das speedlab2 schreibt:
Es gibt eine wachsende Kluft zwischen einer veränderten und sich weiter verändernden Gesellschaft (und damit auch Lebenswelt der Lernenden sowie der Arbeitswelt) und einer sehr trägen Institution Schule. Problematisch finde ich allerdings, die auch heute wiederholt gehörte Formulierung bisher sei aller Unterricht „schlecht“, „öd“, „fad“, „langweilig“ gewesen (alles heute auf dem Podium heute ernsthaft so geäußert). Das ist schlicht falsch und führt nicht weiter. Viele Kollegen fühlen sich damit zu Recht angegangen, ungerecht und falsch beurteilt und verschanzen sich, wie zu erwarten, in einer Abwehr- und Verteidigungshaltung. (Hervorhebung von mir)
Damit trifft Daniel genau den Punkt! Niemand wird überzeugt, indem man ihm vorhält, wie überholt, veraltet oder rückständig er sei. Dass alles „Alte“ sinnlos gewesen sei, werden die Kollegen (zu recht!) brüskiert von sich weisen. Doch um das Überzeugen muss es uns gehen! Nicht um das zwangweise Einführen einer neuen Lernkultur – weil jeder, der nicht mitmacht, als altmodisch und doof dasteht – sondern darum, dass eine neue Lernkultur aus der Überzeugtheit ihrer Akteure heraus entsteht. Aber dafür muss erst Überzeugungsarbeit geleistet werden, bei der Spott und Häme mehr als hinderlich sind.
Und wer das nicht im Auge behält, wird entweder (im warmen, kleinen, als elitär empfundenen Zirkel) scheitern oder sich des gleichen Mittels bedienen müssen, das er bei den anderen anprangert: Nämlich systemischem Zwang.