Sonntagabends an einem Ferientag, dem letzten vor Schulstart. Das Telefon klingelt. Am anderen Ende eine mir unbekannte weibliche Stimme, die mich um einen Tipp für eine Vertretungsstunde bittet. Eine neue Kollegin also. Sie müsste mich gleich am ersten Schultag in Klasse 9 vertreten und da sie das noch nie gemacht hätte. „Unterrichten Sie denn Deutsch?“ „Nein, [etwas Naturwissenschaftlich-Mathematisches].“
Ich riet ihr dann das, was ich in überraschenden Vertretungsstunden auch manchmal mache: Kreatives Schreiben. Es gibt da ein Reclam-Bändchen mit Anregungen zum kreativen Schreiben, aus dem ich die Idee entnommen habe, drei Satzanfänge an die Tafel zu schreiben, die die Schüler dann in eine vollständige Geschichte ausarbeiten müssen. Das Reclam-Bändchen liefert dafür Beispiele, die ich der Kollegin diktierte, aber wenn es gerade nicht anders geht, kann man sich auch selber drei Satzanfänge ausdenken oder gemeinsam mit den Schülern überlegen. So richtig sicher, ob das eine gute Idee für eine Vertretungsstunde mit einer unbekannten Kollegin war, war ich mir nicht – schließlich hassen Schüler das handschriftliche Schreiben – aber als ich die Kollegin später auf die Stunde ansprach, erzählte sie, dass die Schüler mit Feuereifer und in absoluter Ruhe geschrieben hätten, die Ergebnisse lägen nun auf meinem Platz. Und tatsächlich lagen da teilweise wahre Epen…
Dass Schüler dieser Altersgruppe sehr positiv auf kreatives Schreiben reagieren, bestätigte sich dann in meiner zweiten neunten Klasse, wo ich gleich eine Kurzreihe dazu durchgeführt habe. Schüler, die ansonsten den Füller meiden als verbreite er die Pest, schrieben auf einmal wie die Teufel. Keine Spur von Vermeidungsstrategien und drei mühsamen Zeilen in zehn Minuten.
Kreatives Schreiben also! Leider hat man nicht immer seine Reclam-Bibliothek parat, aber wie es der Zufall will, gibt es auch für kreative Schreibanlässe mittlerweile eine App! Fürs iPhone heißt sie einfach „writing prompts“. Mit „writing prompts“ lassen sich durch Schütteln des iPhones verschiedene Schreibanlässe per Zufallsgenerator generieren, so auch Satzanfänge, aber es lassen sich auch Orte, Charaktere, Gegenstände und Sinneseindrücke vorgeben, die in den Geschichten vorkommen müssen. Witzig auch die Idee, Bilder vorzugeben, was man in einer Schulklasse durch die Tafel und die eigenen Zeichenkünste kompensieren müsste. 😉
Die App ist auf Englisch, sodass man zunächst übersetzen müsste und ich habe sie noch nicht „life“ ausprobiert, aber großartig schiefgehen kann da eigentlich nichts. Auf jeden Fall hat man immer eine gute Vertretungsstunde in der Tasche.
Um welchen Reclam-Band handelt es sich denn? Und: Hast Du das auch mal mit jüngeren Schülern gemacht? Ich denke hier an Fünft- oder Sechstklässler…
Der Band ist oben verlinkt und heißt: „Kreatives Schreiben: 111 Übungen“.