„Tutanchamun hätte man in der Schule eher den Spitznamen ‚Häschen‘ gegeben“, so die ägyptische Archäologin vorgestern in einer der unzähligen Ägypten-Dokus, die täglich im Fernsehen laufen. Man blendet den Schädel Tutanchamuns ein und tatsächlich sieht man ziemlich lang hervorstehende Schneidezähne, die man sich so gar nicht unter den vollen Lippen vorstellen mag, die uns die berühmte Totenmaske des jung verstorbenen ägyptischen Pharaos zeigen. Schmächtig soll er gewesen sein, der ägyptische König.
Dass Personen bewusst idealisiert werden, wurde mir das erste Mal im Geschichtsunterricht so richtig klar, als wir uns irgendeine dieser Abbildungen einer antiken Marmorstatue anschauten und unser Lehrer uns erklärte, dass die dargestellte Person vermutlich nicht wirklich so ausgesehen habe, wie man sie darstellt. Negatives wurde kaschiert, weggelassen, ausgelöscht und Positives hervorgehoben. Photoshopping eben, nur mit antiken Methoden.
Perfekte Lehrer
Naja, und so ähnlich funktioniert das auch hier in diesen Dingern namens „Lehrer-Blogs“, zumindest die, denen man reale Namen zuordnen kann – so wie diesem hier. Dort schreiben nahezu perfekte Lehrer, die alles „spannend“, „toll“ und „prima“ finden, mit Schülern keine Probleme haben und nur so vor kreativen Unterrichtsideen sprühen. Von der fachlichen Beschlagenheit nicht zu reden, wir sind schließlich alle Allround-Vollprofis, nahezu allwissend und wissenschaftlich auf der Höhe. Die neueste Didaktik fressen wir löffelweise zum Frühstück, Schülerinteressen sind unsere Interessen und ‚Respekt vor den Schülern‘ ist unser zweiter Vorname.
Fehler machen wir selten bis kaum bis eigentlich gar nicht. Unser Unterricht ist auch immer unendlich „spannend“, „interessant“ und „prima“, niemals sind wir schlecht vorbereitet, haben minderwertiges Material oder gar Wissenslücken. Wir haben immer ein offenes Ohr, sind bestimmt wahnsinnig beliebt und an die Tafel schreiben wir immer nur in feinster Schönschrift. Wir sind immer nur im richtigen Maße kritisch und Dummheiten begehen wir wir nie. Arbeitsbelastung ist für uns ein Fremdwort, wir wuppen alles und noch mehr und tippen nebenbei noch kilometerlange Blogartikel.
Glaubt uns kein Wort. Seid uns nicht böse, wir lügen nicht, aber wir schreiben auch nicht die ganze Wahrheit. Auch wir idealisieren nur, denn wer will schon ein Blog lesen, in dem sich jemand permanent selbst kasteit? So idealisieren wir halt und gar zu falsch muss das gar nicht sein: Schaut man sich die französische Rekonstruktion Tutanchamuns an, dann sah der Junge trotz der Hasenzähne gar nicht so übel aus.
Nunja, ganz so hart würde ich mit den Kollegen nicht ins Gericht gehen 🙂
Ein öffentlicher Blog ist sicher nicht der beste Ort, um über Probleme mit der 5e, insbesondere mit Michael und Devon zu berichten – außer man tut es in völlig überspitzter Form wie Frau Freitag.
Meine Schüler würden sich auch freuen, wenn ich ihnen täglich sagte, sie müssten vorsichtig sein, welche Daten sie ins Internet stellen, nur um dann zu entdecken, wie ich sie bloßstelle 😀
Ganz abgesehen davon: Wir sind Lehrer. Wir machen eigentlich gar keine Fehler. 🙂
Ehrlich gesagt, meine ich viel mehr mich als die Kollegen, aber ich habe einfach mal „frech“ pauschalisiert.
Probleme, die Schüler betreffen, sollte man sowieso aus dem Blog herauslassen, finde ich, aber es sind ja nicht nur die Schüler, die auf dem hochglanzpolierten Lehrerblog ab und zu Flecken erzeugen könnten.
Ich dachte, das sei sowieso klar, dass die Unterrichtsstunden, die nicht im Blog erwähnt sind, ziemlich durchschnittlich verlaufen 😉
(Natürlich irgendwie schon *besser* als der Durchschnitt, weil reflektierter – aber der Schüler hat unmittelbar nichts davon, wenn der Lehrer mittendrin oder hinterher denkt: „Das hätte aber besser laufen können“).
Wenigstens wissen wir, was ein Blog ist.
Welche Lehrer schreiben Blogs? Ganz klar – Loser, Möchtegerns und Winner. Die anderen, die Normalos sind so durchschnittlich, dass sie ohnehin nichts zu schreiben haben.
@(vils)rip
Also dann muss ich zur Ehrenrettung doch sagen, dass es doch mehr ‚gute‘ Stunden gibt als hier im Blog erwähnt. 😉
Tja, und welche Lehrer schreiben Blogs – eine gute Frage. Die, die gerne schreiben, würde ich sagen. Sind wir nicht alle eine Mischung aus Möchtegern, Winner und Loser, ergo „Normalos“?
Deswegen habe ich bei mir im Impressum einen Disclaimer:
„Ich bin in Wirklichkeit nicht so, wie ich mich hier darstelle oder wie ich hier erscheine. Sondern eher ganz normaler Durchschnitt. Als Lehrer meine ich es gut, aber ich glaube, das tun ohnehin alle. Manche Schüler sind mit mir zufrieden, andere nicht; manche kann ich zu tollen Leistungen motivieren, andere nicht.“
(Ich weiß natürlich nicht, wer das Impressum alles liest.)
Das ist eine gute Idee! Das wäre doch etwas für meine „Über Kreide fressen'“-Seite.
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