Manchmal frage ich mich, welches Bild die Menschen von „Pädagogen“ haben. Aktuell läuft eine ziemlich hitzige Diskussion im Lawblog zum Thema „Haben die Pädagogen mal wieder versagt oder nicht“ unter Bezug auf einen Artikel im Focus-Online und einen Beitrag auf schreibmaschine, die zum Glück recht differenziert abläuft und nicht alleine die Lehrer zu Prügelknaben macht.
Ich möchte die Diskussion, ob der Einsatz der Polizei auf dem Schulhof richtig oder falsch gewesen ist, nicht hier fortführen. Mich interessiert lediglich, was diejenigen sich unter „Pädagogik“ vorstellen, die jetzt davon sprechen, die Pädagogen hätten versagt.
Ich bin durchaus überzeugt, dass man mit Pädagogik im Sinne von Erziehung viele Probleme lösen kann. Allerdings immer nur auf lange Sicht und im besten Fall immer präventiv, also bevor das Kind sprichwörtlich in den Brunnen gefallen ist. Dann ist Pädagogik meiner Meinung nach die beste Waffe gegen (man nenne mich naiv) viele Probleme dieser Welt.
Der im Focus geschilderte Fall liegt aber anders. Hier lag das Kind tief im Brunnen. Es bestand akuter Handlungsbedarf. Kein Pädagoge kann es verantworten, wenn 14-jährige Schüler Videos auf ihren Handys verbreiten, auf denen einem Menschen mit mehreren Stichen der Kopf abschnitten wird. Natürlich könnte man jetzt erst die Elternschaft informieren, Konferenzen einberufen, Diskussionsrunden in den Klassen halten, Projektwochen zum Thema „Gewalt auf Handys“ anberaumen, die Schüler einzeln ansprechen etc. Das Ergebnis wären letzlich aber nicht 16 Handys mit diesem abartigen Material, sondern höchstwahrscheinlich eine ganze Menge mehr. Gar nicht zu sprechen von der Dunkelziffer derer, die das Video „nur“ gesehen und nicht selbst auf dem Handy haben. Bei allem persönlichen Widerstreben gegen überzogenen Einsatz der Staatsgewalt, wer mein Blog kennt, der weiß das, befürworte ich hier das Vorgehen des Direktors.
Pädagogik ist keine Hexenkunst, bei der der „gelernte“ Pädagoge mal eben mit zwei Fingern alle individuellen Probleme seiner Schützlinge beiseite schnipst. Schon gar nicht entgegen der Erziehung der Eltern und der „peer-group“, die einen weitaus stärkeren erzieherischen Einfluss auf Schüler ausüben, als Lehrer sich nur erträumen können. Da kann man tausend Seminare zur Pädagogik besucht haben und noch so viel über die Erziehung von Jugendlichen wissen, man ist als Lehrer nur mit beschränkten pädagogischen Mitteln ausgestattet. Und das ist auch gut so, denn wenn Lehrer in dem Maße die Erziehung unserer Kinder in der Hand hätten, wie es die Kritiker implizit fordern, dann wären wir in der Tat ein armes Land mit machtlosen Eltern.
In der Pädagogik gibt es aber auch kein „richtig“ oder „falsch“. Das mag sich bei Juristen in Form von Gesetzen erledigt haben, in der Pädagogik ist aber immer und jederzeit alles umstritten. Ist in einem solchen Fall ein autoritäres Vorgehen angesagt oder sollte man solange auf den Schüler überzeugend einwirken, bis er sein Video freiwillig löscht? Oder sollte man das Video sogar belassen, in der Hoffnung, es ergibt sich schon alles richtig, wenn nur die Erziehung drumherum stimmt?
Erziehung ist nicht allein Sache eines Lehrers, den der Schüler womöglich gerade mal 90 Minuten pro Woche sieht (und vice versa) und schon gar nicht in Notfällen schnell übers Knie zu brechen. Bei Bekanntwerden unbotmäßiger Videos, Drogen, Waffen, etc. an einer Schule kann man nicht schnell mal im pädagogischen Handbuch blättern, um die richtige Erziehungsmethode für solche Fälle aufzuspüren. Juristen haben ihre Gesetzbücher, Pädagogen haben bestenfalls Empathie und Feingefühl.
Ein guter Pädagoge stellt sich schützend vor seine Schützlinge, und das hat man in Immenstadt gemacht. Für Juristen mag die Aktion fragwürdig und möglicherweise unrechtmäßig gewesen sein, für mich als angehendem „Pädagogen“ und Vater steht bei der Abwägung zwischen „Kopf-ab“-Video und Polizeieinsatz deutlich das Wohl der Schüler im Vordergrund. Und da ist meines Erachtens der Polizeieinsatz auf lange Sicht das kleinere Übel.