Juggern in der Schule

Bevor ich irgendetwas schreibe, möchte ich hier per Youtube eine Sportart präsentieren, die ich mir gut an vielen Schulen vorstellen kann (ab 1:00 geht’s richtig los):

Jugger nennt sich dieser Sport, eine Mischung aus Rugby, Gladiatorenkampf und Quidditch ohne Schnatz, basierend jedoch auf dem Film „Blood of Heroes“. Ziel dieses Mannschaftssports ist es, dafür zu sorgen, dass der unbewaffnete Läufer den „Hundeschädel“ in das Mal stecken kann, denn dann gibt es einen Punkt für das Team. Gekämpft wird mit unterschiedlichen Waffen: Q-Tip, Langpompfe, Kurzpompfe (und Schild), Stab und Kette.

Bei weitem weniger martialisch geschmückt, aber dennoch mit einem mulmigen Gefühl stand ich dann heute auf dem Sportfeld, denn zwei meiner Kollegen hatten zur Fortbildung im Bereich Jungsförderung geladen. Die Waffen lagen bereit, vor allem Q-Tips und Stäben, aber auch Kurzpompfen, ein Schild und zwei Ketten. Einige anwesende Schüler hatten auch selbstegbaute Q-Tips mitgebracht und schon beim ersten Spaßgefecht mit dem Sportkollegen wurde mir klar, dass man körperlich schnell an seine Grenzen kommt, wenn man nur versucht, den anderen mit seiner Waffe zu erwischen – was das dann geben sollte, wenn die Rugby-Elemente dazukommen sollten, war mir schleierhaft.

Was jedoch im obigen Video wie eine wilde Keilerei aussieht, ist ausreichend reglementiert, damit niemand zu Schaden kommt. Auch die martialisch-archaisch anmutenden Waffen sind harmloser als so manche durch Schulflure gekickte Wasserflasche oder hinterhältig geworfene Schneebälle. Auch härtere Gefechte übersteht man schmerzfrei und Kopf- und Genitalbereich sind als Trefferzonen ausgenommen.

Beide Mannschaften postieren sich an entgegengesetzten Spielfeldrändern, der Hundekopf liegt in der Mitte und auf Kommando gilt es, laut schreiend dafür zu sorgen, dass der eigene Läufer den Kopf zum gegnerischen Mal bringen kann. Die Kämpfer müssen ferngehalten und der gegenerische Läufer möglichst gepinnt werden. Trifft man einen Gegner, muss dieser fünf Sekunden kniend laut abzählen und darf dann wieder eingreifen, es sei denn, er wird gepinnt. Pinnen bedeutet, dass man seine Waffe an den Gegner hält und dieser solange hocken bleiben muss. Fairness ist hier unbedingt nötig: Man muss auf die Knie, wenn man getroffen wird, und auch langsam zählen. Bei Meinungsverschiedenheiten gibt es ein Stopp-Signal, auf das hin sich alle in der Mitte treffen und eine Lösung für das Problem suchen.

Und spätestens hier wird Jugger pädagogisch: Ein hartes, martialisch anmutendes Spiel mit einfachen Regeln trifft auf die Möglichkeit, Konflikte eben nicht auf handfeste Weise zu lösen, sondern zu besprechen und Kompromisse zu finden. Reizvoll ist dabei die vermeintliche Härte des Spiels (mangelnde Kondition ist hier viel schlimmer als mangelnde Körperkraft…), mit der man wilde Jungs begeistern kann, gleichzeitig aber auch das Einüben von Fairness, Taktik und gewaltfreier Konfliktlösung. Nicht umsonst ist die AG nur für bestimmte Jungs geöffnet und auch die Kollegen aus anderen Schulen beschäftigen sich mit Jungsförderung. Doch nebenbei bemerkt: Auch Mädels können hier gut mitmischen, da die Waffen hier für Chancengleichheit sorgen. Es geht ja eben nicht darum, den Gegener aus den Socken zu hauen, sondern ihn lediglich zu berühren. Die zwei anwesenden Kolleginnen haben dann auch gleich ordentlich mitgemischt.

Ganz nebenbei ist mir die Idee gekommen, dieses Konzept doch irgendwann einmal auf eine neue Geschichts-AG zu übertragen: Die Gladiator-AG. Dabei könnte man die Waffen (relativ günstig) selber bauen und um neue Waffentypen erweitern, die denen römischer Gladiatoren entsprechen. Man könnte so Kampfweisen experimentell erproben, sich die Ernährungsweise anschauen und einmal nachempfinden, wie anstrengend nur wenige Minuten im direkten Kampf Mann gegen Mann sind. Auch historische  Schlachten bekommen so einen anderen Beigeschmack – es ist mir nach dem heutigen Tag unerklärlich, wie man da heil herausgekommen sein will. Eine Verschnaufspause muss einem Todesurteil gleichgekommen sein…