… steinigt ihn, steinigt ihn!“ – Ich muss gerade dran denken, als ich Christians aktuelle Gedanken zum Frontalunterricht (eigentlich geht es um Vorträge in der Uni) lese. Ich will hier gar nicht auf den universitären Graben zwischen Theorie und Realität eingehen – Didaktik spielt bisweilen nicht einmal bei den universitären Fachdidaktikern eine Rolle. Nichtsdestotrotz bekommt man auf der Universität mehr oder weniger vermittelt, dass Frontalunterricht Mist ist. Großer Mist. Geradezu lernbehindernd, ineffektiv, kinderfeindlich, schlecht. Offener Unterricht wird gepredigt (und „predigen“ passt ziemlich gut: von oben herab hinabgepredigt hat man ihn), Stationenlernen angeregt, Portfolioarbeit beschworen, Gruppenarbeit stark gemacht, Lernen in Teams beworben, sodass man irgendwann voller guter Vorsätze ins Referendariat startete…
…und es jedesmal mit dem schlechten Gewissen zu tun bekam, wenn man frontale Phasen einbauen musste. Der Lehrervortrag – ein didaktisches No-Go, obwohl sogar von Fachleitern für gut befunden. Viel zu frontal, Schülerquälerei. Stundenlanges Überlegen, wie Schüler Dinge, die ihnen fern liegen, erdacht von Professoren in hohen Elfenbeintürmen, schnell selber „entdecken“ können. Kopfzerbrechen. Schlechtes Gewissen. Kopfzerbrechen. Schlechtes Gewissen. Etc.
Heute in einer Klasse zwei frontal ausgerichtete Stunden gehalten. Eine „aus der Not heraus“, weil mehrere Schüler einen Schulbuchtext nicht verstanden hatten. Ich musste mein Programm umwerfen und wir haben den Text dann kleingehackt. Absatz für Absatz. Zeile für Zeile. Wort für Wort. Meine Herren – ich habe selten so eine hohe Schülerbeteiligung gehabt! Mit Diskussion unter den Schülern, die sich gegenseitig am Text be- und widerlegt haben, ohne mein Zutun. Als Ergebnis haben einige meiner schwächsten Schüler Dinge von sich gegeben, die stolz ihren Weg an die Tafel fanden. Desgleichen in Deutsch – die SuS haben Ergebnisse der Vorstunde zehn Minuten an die Tafel geschrieben, danach Unterrichtsgespräch zum deduktives Erarbeiten dramentheoretischer Begriffe. Wiederum: Eine Beteiligung, dass ich bald vom Pult gepurzelt bin.
Aus solchen Stunden kann ich einfach nicht mit einem schlechten Gewissen gehen. Und wenn mir eine wiederholungsgefährdete Siebtklässlerin ausgehend von einem Text von Pico della Mirandola in eigenen Worten(!) erklärt, dass die Humanisten zur Zeit der Renaissance wollten, dass der „Mensch sich selber modelliert“, dann bin ich überzeugt, dass nicht nur die Starken etwas aus dem Frontalunterricht mitgenommen haben. Klar, Monokultur und so, aber wir sollten uns als Lehrende nie Dogmen unterwerfen. Weder in die eine, noch in die andere Richtung. Und wer mir mit solchen um die Ecke kommt, den kann ich nicht ernst nehmen.