Nachkriegscomic

Auf der Suche nach einer Möglichkeit, Geschichte auch für Desinteressierte greifbar zu machen, notiere ich mir hier einmal diesen bei Spiegel-Online besprochenen Comic von Isabel Kreitz mit dem Titel „Deutschland. Ein Bilderbuch“, der sich mit der Nachkriegsgeschichte Deutschlands seit 1949 beschäftigt. Muss ich mir bei Gelegenheit mal besorgen.

Als die deutsche Mannschaft ein paar Seiten weiter in Bern die Weltmeisterschaft gewinnt, unterlegt sie dieses oft als „Zweite Gründung der Bundesrepublik“ überhöhte Erlebnis mit der ersten Strophe der Nationalhymne, die die Fußballanhänger im Siegestaumel sangen. Die Spruchbanderole, die sich über die Seite schlängelt, kräuselt sich derart niedlich, dass diese Harmlosigkeit fast auf den Liedtext abfärbt. Aber eben nur fast. Immer wieder baut Kreitz subtil und wirkungsvoll derartige visuelle Fallen ein. (Spiegel)

Comic und Geschichte? Das hatten wir hier schon einmal! Und ich freue mich immer noch aufs erste Mal.

Toscanelli-Karte auf Packpapier

Kartenarbeit mit PosteRazor

Toscanelli-Karte auf PackpapierIrgendwann muss es einmal gewesen sein, dass mich jemand auf das Mac-Werkzeug „PosteRazor“ hingewiesen hat, ein Werkzeug, um hochaufgelöste Bilder als Poster auf mehrere kleinere Blätter zu verteilen. Aus Neugier habe ich es mir dann heruntergeladen und angeschaut, um es dann ein Jahr lang auf der Festplatte verstauben zu lassen. Bis ich zuletzt das Bedürfnis hatte, meinen Schülern einen endlich einmal nicht nur ein briefmarkengroßes Bild der Iphigenie von Feuerbach zu präsentieren, sondern es einmal eine Nummer größer und in Farbe zu versuchen.

Das hat so gut geklappt, dass ich PosteRazor heute gleich noch einmal benutzt habe, um eine überarbeitete Version der Toscanelli-Karte auszudrucken. Diese wird mir morgen als Einstieg dienen und auf Packpapier geklebt hat es fast schon den Hauch einer echten Seekarte… und viel mehr Charme als eine an die nackte Wand gebeamte Karte.

Stöbere seit einigen Tagen hin und wieder durch Michael Sauers Band „Geschichte unterrichten“, der mir sehr viel Spaß macht. Dort bin ich heute auf die Methode „Geschichtszeitung“ gestoßen, die mir sehr vielversprechend und ertragreich erscheint. Man sucht sich dafür einen Zeitraum bzw. eine Phase und die Schüler gestalten dazu, in Redaktionen aufgeteilt, ein bis zwei Zeitungsseiten, sodass zusammengenommen eine vollständige Zeitung dabei herauskommt. Toll ist, dass man über die verschiedenen Ressorts verschiedene Aspekte wie Wirtschaft, Kultur oder Politik, aber auch Sport, abdecken kann, sodass die Schüler – so erhoffe ich es mir – mir möglichst viel Eigenmotivation arbeiten können, wenn sie „ihr“ Thema / Ressort abdecken können. Das Paradebeispiel im Sauer-Band macht dann auch gleich Appetit auf mehr.

Motivation

Im späten Alter von etwa 18 Jahren habe ich mir irgendwann die Gitarre meiner Tante geliehen und versucht, ein paar Akkorde darauf schrammeln zu lernen. Irgendwie ist daraus mehr geworden, ich habe mir ein Jahr darauf eine E-Gitarre gekauft, einen Verstärker dazu und autodidaktisch das Ganze vertieft, sodass ich halbwegs leidlich leichte und mittelschwere Gitarrenstücke spielen kann. (Mehr als die eher bescheidene Kompetenz am Instrument ist jedoch das Interesse an der Musik selber gewachsen: An ihren Herstellungsprozessen von der Aufnahme bis zum Endmix; von der Instrumentierung bis hin zu komplexen Spieltechniken; von einfachen Intervallen bis hin zu Techniken des Songwritings.) Dabei kommt es immer wieder zu Höhen und Tiefen: Manchmal rühre ich meine Gitarre tage- oder sogar wochenlang nicht an, fehlen mir Antrieb und Energie zum Spielen. Aber eines ist mir dabei auch klar geworden: Nichts, aber auch gar nichts, ist so inspirierend und motivierend, wie andere Gitarristen live spielen zu sehen! Ob es am „rohen“ Live-Sound liegt, an dem Live-Erlebnis, das durch den direkten Kontakt zwischen Instrument und Gitarrist erzeugt wird, oder an etwas völlig anderem – sobald ich einen Gitarristen live spielen sehe, möchte ich auch spielen, am liebsten sofort. Die Motivation ist schlagartig wieder da und oft renne ich dann förmlich zu meiner Gitarre, um meinem Verstärker auch wieder diesen Sound zu entlocken, Dinge auszuprobieren oder einfach nur mal wieder einfache Achtelnoten runterzuhauen. Nichts ist so motivierend wie das direkte Aufeinandertreffen von Instrument, Spieler und Zuhörer.

Ähnliches gestern bei einer Besprechung mit Kollegen. Der ältere Kollege J. holt seine Materialien hervor und fängt an, sein Unterrichtskonzept zu beschreiben. Total chaotisch, aber mit Feuer und Begeisterung breitet er seine Unterrichtsmaterialien auf dem ganzen Tisch aus, erklärt, wie er den Schülern trotz dieses Wusts eigenbestimmtes Lernen ermöglicht, rennt zum Historiker-Schrank, zieht daraus einen abgewetzten Ordner mit einer Zeitleistensammlung heraus, breitet auch diese aus und erklärt, wie er diese für Vertretungstunden nutzt. Ich hatte plötzlich das Bedürfnis, in den Klassenraum zu rennen, um ein wenig Unterricht zu machen…

Uff. Wir schwitzen uns den Ferien entgegen

Junge, ist das heiß! Heute einen Wandertag absolviert. Ins Freibad. Großartig. Unterrichtsverteilung ist halbwegs klar. Endlich ein Geschichtskurs in der Oberstufe, daneben eine 12 in Deutsch. Freue mich auf die Vorbereitung. Und wo ich gerade dabei bin: Hat jemand ein paar gute Literaturtipps für die Zeit von 1500 bis 1800? Renaissance, Reformation, Aufklärung etc.?

Bin in Eile. Klebe gleich am Stuhl. Wünsche ein erfrischtes Wochenende!

Standortvorteile

„Und seh’n wir uns nicht in dieser Welt, sehn wir uns in Bielefeld“ hat Udo Lindenberg allen Verschwörungsstheorien zum Trotz gereimt. Denn schlecht lebt es sich hier am Teutoburger Wald nicht, im Gegenteil – Geschichtslehrern bietet selbiger handfeste Standortvorteile!

Interessiert man sich für steinzeitliche Geschichte, insbesondere experimentelle Archäologie und im Speziellen für das Feuermachen mit Feuerstein, Pyrit und Zunder, so wohnt es sich in Bielefeld gar wunderprächtig, glaubt man dem Experten, der im Freilichtmuseum Oerlinghausen letzte Woche das steinzeitliche Feuermachen demonstriert hat. Denn sowohl Pyrit als auch Feuerstein sollen sich gut am Teutoburger Wald finden lassen, und wie man einen Zunderschwamm so seiner Zunderschicht entledigt, sodass dieser nicht abgeschnitten werden muss, sondern nachwachsen kann, das hat er mir auch gezeigt.

Anstatt also für teuer Geld bei E-Bay einzukaufen, werde ich demnächst durch unsere nahen Bielefelder Wälder strolchen und insbesondere nach Zunderpilzen Ausschau halten…

Multiperspektivität

Weil hier auch Historiker mitlesen, ein kurzer Hinweis auf einen bedenkenswerten Artikel zum Thema Multiperspektivität im Geschichtsunterricht von Andreas Körber (via Medien im Geschichtsunterricht). Körber plädiert dafür, Multiperspektivität besonders mittels der Darstellung interessensgleicher Gruppen herzustellen und nicht (wohlfeil) antagonistische Interessensvertreter einander gegenüberzustellen. Letzteres biete wenig Lernmöglichkeiten, da es jedem leicht einsichtig sei, dass einander gegenüberstehende Gruppen unterschiedliche Sichtweisen haben.

Das Pendel schwingt hin und her

Zunächst einmal wünsche ich allen Lesern ein frohes und lehrreiches neues Jahr 2010!

Aktuell scheint das Pendel zurückzuschwingen: Während mir persönlich das ganze Internetgedöns über den Kopf wächst, diskutiert man, angeregt durch das Online-Magazin Edge.org, auch verstärkt gesellschaftlich, nein, sogar inter-gesellschaftlich die Frage, wie das Internet das Denken verändert. Einer der dort befragten Wissenschaftler erfüllt sich gerade einen Vorsatz, den ich mit Neid beäuge:

Taleb wird übrigens von der Veröffentlichung seines Textes nicht viel mitbekommen haben. Taleb ist bis zum Sommer 2010 bewusst offline. Und siehe da: „Ich fühle, wie ich wieder wachse“, schreibt er. (SZ)

Er wachse, sagt er und ich fühle förmlich, wie der digitale Druck von ihm abfällt. Und dieses Phänomen einer Belastung durch Fortschritt scheint nicht neu zu sein. Gehen wir doch mal ein paar Jahrtausende zurück. Ich habe gestern eine Sendung über die Entwicklung des Menschen zur Zeit der neolithischen Revolution gesehen. Dort hat man den Fortschritt der Revolution umgedeutet: Man hat nicht den Vorteil des Ackerbaus fokussiert, sondern die neuen Probleme, die dadurch entstanden sein müssen. Sorgen um Missernten, eine beschwerliche tägliche Arbeit, schlechtere Nahrung, das Entstehen von Eigentum und ersten kriegerischen Auseinandersetzungen um Land. Das Bild der vorigen Gesellschaftsform der Jäger und Sammler hatte man übertrieben romantisch überzeichnet und überflüssigerweise auch noch eine positive, weibliche und eine negative,  männliche Komponente in die beiden Gesellschaftsformen gedichtet, aber letztlich fand ich das Fazit gar nicht so sehr daneben: Die neolithische Revolution hat den Menschen zunächst mehr Probleme bereitet, mehr Stress verursacht und mutmaßlich die Lebensqualität und Lebensdauer der Menschen gemindert. Auf lange Sicht betrachtet war dieser Schritt notwendig, denn niemals würden fast sieben Milliarden Jäger und Sammler auf dieser Welt bestehen können, doch für einige Zeit hat er die Situation verschlechtert. Ähnliches ließe sich auch für die industrielle Revolution sagen, wobei es sich hier besonders lohnte, das Stichwort „Entfremdung“ einmal auf die neue digitale Welt zu übertragen und  zu untersuchen.

Die Versuchung ist groß, das Ganze analog auf unsere digitale Revolution zu übertragen, dieser den Rücken zu kehren, deren Stress und Qualitätsminderung hinter sich zu lassen, den Konkurrenzkampf Konkurrenzkampf sein zu lassen, wieder zurück in die Vergangenheit zu reisen, nur kurz, so wie Taleb, und all das Gerummel und Getöse um E-Mails, Facebook, Twitter, StepMaps, Google und Co. zu ignorieren. Vielleicht müssen wir da aber auch gerade einmal „durch“, um für klare Verhältnisse zu sorgen.

Karten selbst erstellen

Bin gerade über Lehrerrundmail auf Stepmap gestoßen worden und habe das gleich mal ausprobiert. Gefällt mir und bietet gewiss viele Möglichkeiten für den Geschichtsunterricht, analog wie auch besonders digital.

Hokeys Arbeitsplatz
Landkarten erstellen mit StepMap

Hier ein schon fertige Beispiel, brauchbar für den Deutschunterricht:
Goethes Italienreise
Landkarten erstellen mit StepMap

StepMap

Goethes Italienreise

Handfester Unterricht

LucyDa ich gerade dabei bin, mich vor dem Ertrinken zu retten, hat sich mir heute überraschend eine kleine, feine Insel am Horizont gezeigt, die es mir erlaubt, Geschichtsunterricht einmal anders zu gestalten. Dabei half mir das Glück, dass ein Wahplflicht-AG-Projekt, das wir im Team bestreiten wollten, leider nicht angenommen werden konnte, sodass ich nun in der trotzdem glücklichen Lage bin, ab nächstem Schuljahr eine AG „Experimentelle Archäologie“ durchzuführen!

Yeeeha! Das wird wirklich Lernen mit Kopf, (hoffentlich viel) Herz und (das steht fest!) wahnsinnig viel Hand! Auch die Füße werden nicht zu kurz kommen und Geschichte wird von diesen Schülern einmal nicht als Erstes durch langweilige Texte erlebt. Wir werden ausprobieren wie Geschichte sich anfühlt, riecht, schmeckt, klingt – Mann, das ist so viel mehr, als dieser ganze, oft fernliegende Textkram, wenn auch nicht ganz ohne Aufwand.

Das ist vielleicht ein ganz guter und handfester Ausgleich zu dem virtuellen Leben hier vor dieser Mattscheibe. Statt Geschichte zu ergooglen werden wir sie ausprobieren, statt Sekundärerfahrung zu konsumieren werden wir uns die Finger selber grün und blau hauen, und das gemeinsame Zubereiten und Verzehren eines steinzeitlichen oder mittelalterlichen Gerichts erlaubt uns mindestens so gut direkte Kommunikation, wie hier gefordert.

Den Franken näher

Ausgerechnet in der Klasse, in der es in Sachen Disziplin am schwierigsten ist, habe ich einen Geschichts-Fan gefunden. Die Bio-Lehrerin steckte mir, dass eine Schülerin nach der Bio-Stunde meinte, Geschichte sei ihr Lieblingsfach. Strike! Sehr erfreulich, aber vor allem erstaunlich, weil diese Schülerin noch nicht allzu lange in Europa weilt und mich so das Interesse an europäischer Geschichte ein wenig wunderte. Doch im Gegenteil, trotz des sie persönlich nicht betreffenden Themas „Das Christentum als Säule des Mittelalters“ ist sie hochinteressiert. Denn das Nichtbetroffensein ist nur scheinbar nicht vorhanden.

„Da treffen zwei Kulturen aufeinander!“, sagte sie heute in einer Stunde, die sich mit der Missionierung des Frankenreiches beschäftigte, und ich stutzte für eine Sekunde, denn wir hatten bisher eigentlich nicht von „Kulturen“, sondern von „Heiden“ und „Christen“ gesprochen, brav, so wie es auch im Buch steht. Doch natürlich hatte sie recht und genau da lag (und liegt) auch ihr Lebensweltbezug zum Thema „Christianisierung“: Fremde Kulturen prallen aufeinander. Ein Erlebnis, das jemand, der von einem anderen Kontinent, mit anderer Religion und anderen Wertesystemen nach Deutschland gekommen ist, offensichtlich sehr gut nachvollziehen kann. Sie ist den alten Franken vermutlich näher als wir eingeborene Europäer.