Volle Dröhnung Steinzeit

Heute ist ein schöner Steinzeit-Tag. Zunächst konnte ich mich durch drei wunderbare Artikel der tollen aktuellen „Spektrum Spezial“-Ausgabe lesen, und nun finde ich auf Spiegel-Online diesen interessanten Artikel über namibische Fährtenleser, die unseren Steinzeitexperten auf die Spur helfen sollen.

Ich hatte schon öfter den Verdacht, dass sich die Steinzeitforschung gerne auf „Kult“ und „Ritus“ zurückzieht, wenn sie Funde nicht so recht einzuordnen weiß. (Bisweilen muss man fast den Eindruck gewinnen, die Menschen der Steinzeit wären ohne Unterlass durch die Gegend getanzt und hätten permanent Götterstatuetten aus Ton geknetet oder sie an Wände gepinselt.) Umso schöner, dass die namibischen Fährtenleser einigen zuvor rituell interpretierten Fußspuren ihre eigene Theorie dagegenstellen: Die Spuren wiesen auf den banalen Abbau von Lehm hin.

Bumerangs und Löwenzahn

Heute mit der Steinzeit-AG Bumerangs getestet. Und sie flogen wirklich und (ja!) auch im Kreis. Der Schüler stolz wie Bolle. Ich auch. Auf dem Rückweg wollten mir dann die Mädels aus der Schulgarten-AG ein Kränzchen aus Löwenzahn aufsetzen. Ich habe das, wie ich finde, geschickt abwenden können: „Ja, Herr S., stimmt! Löwenzahn passt wirklich besser zu blond…“ Die Kollegin von der Schulgarten-AG wird sich gefreut haben. 😉

Hehe.

Problemorientierung – blättert das Gold?

(Vor einigen Wochen ging die Meldung durch die Medien, dass ein Angestellter seinen eigenen Job outgesourct hatte. Der hat einfach Chinesen dafür bezahlt, dass sie seine Arbeit machen und hat sich währenddessen einen netten Lenz gemacht. Und manchmal, wenn ich mir die Klassenarbeitsberge anschaue, wünschte ich mir das auch… das ist wirklich der nervigste Teil dieses Berufes. Eigentlich sollte ich jetzt korrigieren, anstatt zu schreiben. Und warum schreibe ich diesen sinnlosen Vorspann? Auf zum Thema!)

Problemorientierung – Segen oder Fluch?
Christoph Pallaske hat vor einiger Zeit eine interessante Frage aufgeworfen: Sollte jede Geschichtsstunde problemorientiert ausgerichtet sein? Ich hatte im Referendariat genau zu diesem Thema einmal hier im Blog die Frage formuliert: „Problemorientierung – in goldenen Lettern an die Wand über den Schreibtisch?“ und dort genau die Position gespiegelt, die Christoph in seinem Artikel in Frage stellt:

Besonders die konkreten Formulierungen für mögliche Unterrichtsplanungen fallen (…) oft schwer. (…) Und die Unzufriedenheit wird dadurch, dass die meisten Schulbücher selbst nur Inhaltsformulierungen vorgeben, nicht kleiner. Gelegentlich spotten Lehramtsstudierende, jedem Inhalt einfach die Formulierung „Fluch oder Segen“ anzuhängen.

Nach wie vor finde ich die Problemorientierung sehr wichtig, um Geschichte nicht einfach als Reihe eine Aneinanderreihung von Fakten zu unterrichten und um zu verdeutlichen, dass Geschichte keine einseitigen Wahrheiten verkündet. Darüber hinaus hilft mir als Lehrer die Problemorientierung dabei, den roten Faden aufrecht zu erhalten und in guten Stunden von einem geeigneten Einstieg über eine Erarbeitungsphase hin zu einer Auswertung und einem Transfer des Erarbeiteten bzgl. des Problems zu kommen und nicht irgendwie im luftleeren (Fakten-)Raum zu agieren.

Schwierig wird es nur an einer Stelle: Wie macht man den Schülern klar, dass da ein „Problem“ besteht, denn warum sollte es Schüler interessieren, ob nun klein- oder großdeutsch, ob der Gang nach Canossa nun demütigender Kniefall oder geschickter Schachzug oder ob die Demokratie der Athener eher Demokratie oder doch  nur eine Ausgrenzung vieler war? Sind doch alle tot, ist doch alles gegessen. „Aber“, wird da der Fachleiter einwerfen, „mit einem guten Einstieg packen Sie die Schüler sofort!“ „Nein“, entgegnet dann z.B. Lisa in den Kommentaren, „der Schüler muss seine eigenen Fragen und Probleme finden!“ – und irgendwo dazwischen stehe ich als Lehrer und habe auf Christophs Fragen und Lisas mehr als nachvollziehbare Forderung am Ende nur dürre Antworten, aber vielleicht hat ja hier noch jemand ein paar gute Ideen? Christophs Blog ist für Geschichtsinteressierte nämlich sowieso immer lesenswert.

 

Kein richtiger Geschichtsunterricht im falschen?

„Das können Sie gerne machen, aber verraten Sie mir davon nichts!“, waren ungefähr die Worte meines Geschichtsfachleiters auf die Frage, was er denn von der Methode des Rollenspiels im Geschichtsunterricht halten würde. Es wäre absurd, aus dem Kontext der heutigen Zeit heraus eine historische Perspektive einnehmen zu können.

Mit dieser Haltung passte meine Fachleiter vielleicht nicht in den geschichtsdidaktischen Mainstream, wohl aber zu Hans-Jürgen Pandels Nachwort im Band „Geschichtsdidaktik“, mit dem sich Christoph Pallaske auszugsweise in einem Beitrag beschäftigt. Pandel nennt diese Form des Unterrichts sogar „falschen Unterricht“. Pallaske relativiert in seiner Randnotiz diese Haltung und verweist darauf, dass eine reine „Abbilddidaktik“ im realen Unterricht an ihre Grenzen stoße und komplexe Inhalte oft altersgemäß unterrichtet werden müssten. Das Absolutsetzen des historischen Verstehens funktioniere nicht im Geschichtsunterricht.

Und genau da trifft Pallaske den Punkt. Denn die Frage, was „falscher Unterricht“ ist, beantwortet sich nicht durch den verengten Blick auf die historische Erkenntnis, sondern durch den Blick auf die Schüler und den historischen Gegenstand. Geschichtsunterricht wird immer dann falsch sein, wenn er die Schüler zugunsten des historischen Gegenstandes übergeht. Da viele curricular vorgegebenen historische Themen die Schüler aber überfordern, bleibt uns nichts anderes übrig als historische Verkürzung und didaktische Formung.

Man sehe sich aktuelle Schulbücher der Sek I zur griechischen Antike an: Unter der großspurig formulierten Fragestellung „Was hat das alte Griechenland mit uns zu tun“ finden sich Themen wie die antike Olympiade, die Spartaner oder das Alltagsleben der antiken Griechen. Kaum ein Wort von der attischen Demokratie, den vorangegangenen Reformen, sozialen Umbrüchen oder den zahlreichen griechischen Philosophen und Wissenschaftlern, was der vorgegebenen Fragestellung viel gerechter würde als das Angeführte. Und das zu Recht, weil elfjährige Kinder mit solch komplexen Themen heillos überfordert wären (Randnotiz: Zur Komplexität historischer Texte für Kinder weiterlesen bei Daniel Bernsen).

Dass Rollenbiografien helfen können, z.B. diffuse Vorstellungen von „Bürgertum“ zu klären; dass gesellschaftliche Hierarchien im Rollenspiel oder durch Standbilder anders erfahren werden können; dass strukturelle Machtverteilung in einer Simulation eingängiger dargeboten wird, wenn Schüler selber handeln; all das kann man vielleicht nur dann von der Hand weisen, wenn die eigene Unterrichtspraxis schon Jahrzehnte zurück liegt. Und wenn man davon ausgeht, dass es immer nur ein „Entweder-oder“ und kein „Sowohl-als-auch“ geben kann.

Minecraft im Geschichtsunterricht?

Blick über ein planiertes Minecraft-Gebiet

Das Computerspiel „Minecraft“ ist zur Zeit der absolute Renner bei Jungs in der fünften Klasse. Im Prinzip ist Minecraft nichts anderes als ein Lego-Spiel mit Klötzchengrafik anno ’98. Der Spieler hat im Kreativ-Modus die Möglichkeit, die zufällig generierte Welt nach seinen Vorstellungen zu gestalten und ist dabei nur durch Fantasie und die vorhandenen „Legosteine“ begrenzt. Dabei schränkt ihn jedoch nur die Art der „Legosteine“ (Wasser, Stein, Erde, Baum, Sand, Glas, Eis etc.), nicht die Anzahl ein, denn Bausteine gibt es in unbegrenzter Anzahl. Trotz der altbackenen Grafik haben Spieler auf der ganzen Welt schon irrwitzige Projekte mit dem kleinen Programm umgesetzt – man beachte z.B. diesen Bau einer Kathedrale im Zeitraffer. Der Clou an Minecraft ist: Man kann kooperativ an Projekten arbeiten. Und hier wird Minecraft vielleicht für den Geschichtsunterricht interessant.

Warum nicht architektonisch eher „einfache“ historische Bauwerke nachbauen und dann Führungen durch die jeweiligen Bauten organisieren? Mir schweben da spontan eine ägyptische Tempelanlage oder ein römischer Tempel vor. Aktuell gestalten wir in der Steinzeit-AG Höhlen- und Zeltlagermodelle, wieso nicht auch per Minecraft? Auch komplexere Bauwerke, wie eine mittelalterliche Burg könnte man eventuell in Grundzügen nachbauen. Wenn man mit dreißig SuS an einem Bauwerk arbeitet, dürfte das – wenn gut geplant – schon ziemlich schnell vonstatten gehen und eine große Klassenstärke hätte endlich mal einen handfesten Vorteil.

Ganz neu ist diese Idee nicht, wie ich gerade merke, in Japan hat das Randy Fujimoto versucht und schildert seine Erfahrungen in seinem Blog. Natürlich fehlt es den Klötzchen an Authentizität, was man bei Fujimotos Lager schnell bemerkt – eigentlich sieht es in den Holzbaracken ja ganz gemütlich aus.

Schwierigkeiten könnte es auch beim Zeitaufwand geben, denn die Größe von Projekten könnte schnell unterschätzt werden. Schüler, die Minecraft nicht kennen, müssten erst einmal eingewiesen werden, allerdings ist Minecraft sehr schnell erlernbar, meine Tochter war nach wenigen Minuten schon sehr fleißig dabei. Eventuell könnte man Minecraft-begeisterte Schüler auch neben dem Unterricht für ein Minecraft-Projekt gewinnen, z.B. für eine Präsentation. Hm. So ganz schlüssig bin ich mir noch nicht – aber ich halte die Idee trotzdem mal hier fest!

(Wer Minecraft einmal ausprobieren möchte, kann sich eine ältere Version des Spiels kostenlos herunterladen. Ob man eine aktuelle Version nach dem riesigen Erfolg noch kostenlos beim Hersteller bekommt, erfährt man wohl erst nach der Registrierung…)

Bildarchiv Westfalen

Ein schneller Linktipp für die (westfälischen) Geschichtslehrer unter uns: www.bildarchiv-westfalen.lwl.org

Habe ich heute während einer Fachgruppensitzung erfahren und da stößt man wirklich auf schöne Bilderschätzchen. Man kann eine Suchmaschine bemühen oder sich thematisch durch die Bilder klicken und z.B. nach „Arbeit und Beruf“ suchen, „Alltagsgegenstand“, „Architektur“ usw. Das ist toll, wenn man sich überlegt, wie teuer ein Bild aus einem normalen Archiv ist, da bezahlt man schon stolze Sümmchen. Betrachtet man die Konditionen des Archivs, so sind diese nicht minder teuer, aber zumindest die Verwendung im Unterricht ist gestattet:

Kostenloser Download

Für Unterricht und Bildungsveranstaltungen gestatten wir den Gratis-Download als JPG-Datei in 72 dpi mit integriertem Wasserzeichen „© LWL-Medienzentrum für Westfalen“. Dieser Bildquellennachweis ist bei jeder Bildnutzung mitzuführen. Ein Genehmigungsantrag oder Nutzungsbeleg (Pkt. 2, 6) ist für obigen Nutzungszweck nicht erforderlich. Ein Anspruch auf den kostenfreien Bezug höherwertiger Bildreproduktionen besteht nicht.

Tolle Ideen verschütt gehen lassen?

Es gibt wirklich so viele tolle Ideen, wie man den Unterricht abwechslungsreicher und interessanter gestalten könnte. Meistens haben diese Ideen jedoch den „Pferdefuß“, dass man sie im Rahmen normaler (d.h. ministerial vorgesehener) Unterrichtszeit kaum einsetzen kann. So bin ich schon öfter auf die Idee gestoßen, dass man im Geschichtsunterricht doch bestimmte Themen von den Schülern im Rahmen des Fernsehformats Tagesschau oder Ähnlichem umsetzen lassen könnte. Eine Redaktion erarbeitet dann ein fest umgrenztes Thema und gestaltet dazu eine vollständige Moderation mit Kartenmaterial, erklärenden Grafiken und selbstverständlich sollte alles sachlich geprüft und nichts erfunden sein. Um das Ganze spannender und multiperspektivischer zu machen, könnte man sogar das gleiche Thema von verschiedenen „Tagesschauen“ (z.B. den Ausbruch des Ersten Weltkrieges aus österreichischer und russischer Sicht)  erklären und einordnen lassen. Klar ist das anachronistisch, aber vor meinen Schülern bin ich eben nicht nur Historiker, sondern als Erstes(!) Pädagoge und Didaktiker. Wenn ich also die sonst bei politischen Themen wegschnarchenden drei-viertel der Desinteressierten mit einem solchen Konzept motivieren kann, ist es mir den Anachronismus wert.

Bleibt – besonders in der SekII –  der verdammte Pferdefuß! Ich habe schlicht keine Zeit für solche Sperenzchen! Das Abitur drückt, die Vorgaben scheinen endlos und die Klausurtermine sind immer viel zu knapp gelegt. Wie in drei Teufels Namen soll ich so abwechslungsreichere Methoden als das übliche Karikaturen-Auflegen oder das Textquellen-Analysieren einsetzen? Am Ende des Schuljahres, wenn noch Zeit sein sollte, quasi als „Zugabe“, als „Bonbon“ – wenn schon der letzte Rest an Motivation hinwegunterrichtet wurde? Das Einzige, was mir heute dazu einfällt, ist, dass man solche Projekte eventuell aus dem Unterricht hinausverlagern und die Schüler solches in ihrer Freizeit umsetzen lassen muss. Das hätte dann den Charakter von Referaten oder Facharbeiten, die ja auch zu Hause erarbeitet werden. Oder hat jemand von euch eine andere Idee, wie man kreativere, zeitaufwändigere Unterrichtsvorhaben im Unterricht umsetzen kann?

Oder muss man tolle Ideen einfach zwangsläufig verschütt gehen lassen?

Soldaten – ein erster Eindruck

432 Seiten. Sachtext. Ohne Literaturangaben. Und ich pflüge förmlich hindurch, denn Sönke Neitzel und Harald Welzer haben sich redlich und erfolgreich Mühe gegeben, ihren umfangreichen Band „Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben“ lesenswert zu gestalten. Das liegt zum einen am Stoff selbst, zum anderen aber auch an der lebendigen und immer sehr anschaulichen und klaren Art des Schreibens. Die Autoren verzichten auf umständliches Wissenschaftsgeschwurbel und kommen direkt zum Punkt, verzichten auf Fremdwortkaskaden und  erläutern immer dann, wenn es angebracht ist.

Der Stoff aus dem die Quellen sind – Abhörprotokolle
Zum Stoff. In der Monographie beschäftigen sich der Historiker Neitzel und der Sozialpsychologe Welzer mit britischen Abhörprotokollen deutscher Kriegsgefangener seit September 1943. Das Besondere an diesen Abhörprotokollen ist, dass die Kriegsgefangenen bei ihren Gesprächen nicht wussten, dass sie abgehört wurden, sodass im Ergebnis Geschichtsquellen entstanden sind, die in ihrer Unverfälschtheit ihresgleichen suchen dürften. Wie normal war also Gewalt für die deutschen Soldaten, wie sprachen sie untereinander über Gräueltaten, wie gerierte man sich selbst, sah man sich gar zu Rechtfertigungen gezwungen? Diesen Fragen gehen Neitzel und Welzer nach und versuchen mithilfe der bis dahin unbekannten Dokumente einzuordnen, ob die deutsche Wehrmacht durch die Erfahrungen des Nationalsozialismus besonders brutalisiert war.

Der Referenzrahmen – Die Welt der Soldaten
Zuvor definieren sie allerdings den „Referenzrahmen“ innerhalb dessen die Wehrmachtssoldaten gehandelt haben (müssten), sprich: Sie versuchen die Frage zu beantworten, wie es dazu kommen konnte, dass gutmütige Männer zu mordenden Männern wurden; versuchen zu ergründen, innerhalb welcher „Welt“ die Soldaten gedacht und gehandelt haben, welche Maßstäbe in dieser Welt galten, welche Grenzen diese Welt den Soldaten auferlegte – und was das spezifisch Nationalsozialistische an dieser Welt war.

Dieses Vorgehen bietet den Vorteil, nicht mit einem normativ und moralisch verstellten Blick an die Quellen heranzugehen, denn man versucht zunächst, die Sichtweise der Täter zu rekonstruieren und zu verstehen, warum sie in bestimmten Situationen so grausam handelten. Beispielsweise wird anhand mehrerer Aussagen von Jagdfliegern gezeigt, dass diese eher sportlichen Ehrgeiz entwickelten, ideologische Aspekte hingegen keine Rolle zu spielen schienen. Es ging also nicht darum, „Untermenschen“ zu vernichten und dem Endsieg zu dienen, sondern simpel Abschüsse zu sammeln – ähnlich wie bei „Frags“ in modernen Computerspielen. Der Referenzrahmen war hier also weniger ideologisch bzw. nazistisch definiert, als vielmehr bestimmt vom Alltag, von der „Arbeit“ im Kleinen, dem „Spaß“, soweit der im Rahmen des kriegerischen Umfelds einer Gruppe hierarchisch organisierter Soldaten möglich war.

So sinnvoll das Rekonstruieren des Referenzrahmens der Soldaten ist, so erfordert eine wissenschaftliche Ausblendung des Normativen dennoch den Balanceakt zwischen einer Relativierung auch massiver Gewalttaten, denn jeder Täter hat irgendeinen „guten“ Grund, Gewalt auszuüben, und einer moralisch-normativen Bewertung. Der Referenzrahmen wird sonst schnell zum Legitimationsrahmen, zur Entschuldigung des Einzelnen, der dann ja kaum anders konnte, als innerhalb seines Referenzrahmens zu handeln. Eingeholt wird das Moralisch-Normative dann immer wieder durch die Aussagen der Soldaten selbst, z.B. wenn ein Soldat, selber Vater zweier Säuglinge, davon berichtet, dass er mit ruhiger Hand wagenweise Frauen und Säuglinge erschossen hat oder wenn ein Soldat von dreijährigen Kindern berichtet, die, am Schopf hochgehalten, mit der Pistole erschossen und anschließend in Massengräber geworfen wurden.

Neitzel und Welzer bleiben jedoch nicht allein bei der Wehrmacht stehen, sondern vergleichen mit späteren Kriegen und auch z. B. mit der Episode um die amerikanische Hubschrauber-Crew, die eine Gruppe Zivilpersonen und den Reuters-Fotografen Namir Noor-Eldeen erschossen hat und untersuchen auf ihre Methode das Gesprächsprotokoll dieses Angriffs. Mit welchem Ergebnis, das lasse ich hier offen, denn die 4,50€ bei der Bundeszentrale für politische Bildung sind wirklich gut angelegt. Ich werde auf jeden Fall weiterlesen.

Holocaust im Comic

Oha! Geschichtslehrer und Comicinteressierte aufgemerkt: Die Süddeutsche berichtet über eine Ausstellung zum Thema „Holocaust im Comic“, die aktuell in München besucht werden kann. Das ist prima, weil nun alle Münchener hingehen und sich die Ausstellung einfach ansehen können. Da München für mich allerdings eine 700-Kilometer-Reise bedeutet, behalte ich es mir vor, einfach alle in der Klickstrecke genannten Comics herauszuschreiben und mir diese bei Gelegenheit zuzulegen. Diese Geschichtsarbeit im Comic fasziniert mich immer mehr, weil Comics einfach eine so völlig andere Art der Auseinandersetzung und Bewertung mit historischen Gegenständen ermöglichen als die „typischen“ Geschichtsquellen – und -texte. Gleichzeitig fordern sie durch die grafische Darstellung fast automatisch zur Bewertung auf: Ist das Thema angemessen umgesetzt oder zu provokant oder zurückgenommen? Zu realistisch oder zu abstrakt? Während Schrifttexte gerne als „Wahrheit“ gesehen werden, bieten Comics viel leicht nachvollziehbare Angriffsfläche, um über die Auseinandersetzung mit Geschichte nachzudenken und sind damit eigentlich perfekt geeignet für den Geschichtsunterricht!

Hier nun die Liste:

  • Äch bin wieder da! Text/Zeichnung: Walter Moers. Frankfurt a.M.: Eichborn Verlag, 1998.
  • Der Schrei nach Leben Band 2: Das Ghetto, Text: Patrick Cothias, Zeichnung: Paul Gillon, comicplus+ Verlag Sackmann und Hörndl, Hamburg 1988.
  • Der Weg des Königs Band 1: Vom Tod zum Leben, Text: Jean Annestay, Zeichnung: Jacques Armand. Hamburg: Carlsen Comics, 1992.
  • Auschwitz. Text/Zeichnung: Pascal Croci. Köln: Ehapa Verlag, 2005
  •  Zwischen den Fronten, Text/Zeichnung: Osamu Tezuka, Carlsen, Hamburg 2006.
  • Braun, Text/Zeichnung: Emmanuel Guibert. Sonneberg: Alpha Verlag, 1995

Einen Sammelband zur Ausstellung gibt es auch (für happige 36€):

Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics; Ralf Palandt (Hrsg.); Sammelband; Archiv der Jugendkulturen Verlag; Berlin 2011; 36,- Euro; ISBN 978-3-940213-62-4

Wehler für sieben Euro

Was ein Glück, dass es Referendare gibt, die immer auf der Suche nach Material sind. Da erzählte mir gestern, ganz nebenbei, eine Referendarin, dass sie zwei Bände von Wehlers Gesellschaftsgeschichte für „so um die 6 Euro pro Band“ gekauft hätte, worauf ich ihr spontan und unwillkürlich innerlich einen Vogel gezeigt habe, da ich alleine für meinen Band knapp 50 Euro bezahlen durfte. Ja, meinte sie, wenn man bei der Bundeszentrale für politische Bildung bestelle… Was ein Ärger, denn da habe ich ja schon ewig nicht mehr vorbeigeschaut!

Und tatsächlich gibt es dort „meinen“ Band mal eben 43 Euro günstiger. Da habe ich mir den Nachfolger gleich für 7 Euro bestellt und schwöre, dass ich jetzt wieder öfter bei der bpb vorbeisurfe.