Handfester Unterricht

LucyDa ich gerade dabei bin, mich vor dem Ertrinken zu retten, hat sich mir heute überraschend eine kleine, feine Insel am Horizont gezeigt, die es mir erlaubt, Geschichtsunterricht einmal anders zu gestalten. Dabei half mir das Glück, dass ein Wahplflicht-AG-Projekt, das wir im Team bestreiten wollten, leider nicht angenommen werden konnte, sodass ich nun in der trotzdem glücklichen Lage bin, ab nächstem Schuljahr eine AG „Experimentelle Archäologie“ durchzuführen!

Yeeeha! Das wird wirklich Lernen mit Kopf, (hoffentlich viel) Herz und (das steht fest!) wahnsinnig viel Hand! Auch die Füße werden nicht zu kurz kommen und Geschichte wird von diesen Schülern einmal nicht als Erstes durch langweilige Texte erlebt. Wir werden ausprobieren wie Geschichte sich anfühlt, riecht, schmeckt, klingt – Mann, das ist so viel mehr, als dieser ganze, oft fernliegende Textkram, wenn auch nicht ganz ohne Aufwand.

Das ist vielleicht ein ganz guter und handfester Ausgleich zu dem virtuellen Leben hier vor dieser Mattscheibe. Statt Geschichte zu ergooglen werden wir sie ausprobieren, statt Sekundärerfahrung zu konsumieren werden wir uns die Finger selber grün und blau hauen, und das gemeinsame Zubereiten und Verzehren eines steinzeitlichen oder mittelalterlichen Gerichts erlaubt uns mindestens so gut direkte Kommunikation, wie hier gefordert.

Das erste Mal: Protokoll in der Mündlichen

Zum ersten Mal Protokoll für mündliche Abi-Prüfungen geschrieben. Das war gar nicht soo anstrengend, wie gedacht und gleich heute wurde auch eines meiner Protokolle gebraucht. Nicht jeder war mit seiner Zensur zufrieden. Es war ganz gut, noch einmal Prüflinge in action zu sehen, bevor ich nächstes Jahr meinen eigenen Kurs ins Abi schicke – jetzt weiß ich, was ich denen noch einmal besonders einschärfen muss: Knallt den Prüfern nicht nur Faktenwissen vor den Latz, sondern verknüpft diese Fakten miteinander und kommt zu einem Sach- und Werturteil! Anforderungsbereich 3 ist bei manchen wirklich kaum oder gar nicht erreicht worden – was vielleicht auch am falschen Bild von Geschichte liegen mag. Tränen hat es auch gegeben und ich war dankbar, dass eine der erfahrensten Kolleginnen anwesend war, um die Sache wieder hinzubiegen…

Man lebt sich ein, an der „neuen“ Schule. Ich überlege aktuell, wie ich den Raum für meine neuen Fünfer gestalten kann, wie man ihn „fünferfreundlich“ macht und wie ich meine zurückhaltend-trockene Art, mit der ich in Mittel- und Oberstufenklassen recht gut klarkomme, bei den grundschulgewohnten Zwergen ablegen kann. Ein wenig mehr Herzlichkeit wünschte ich mir manchmal schon, aber da liegt irgendwo ein großer Schatten, über den ich nicht so leicht springen kann…

Die letztwöchige  Klassenfahrt war übrigens spitze. Besonders ein „Problemschüler“ haut jetzt richtig rein und muss nicht immer den Kasper mimen. Bei den Aktionen während der Klassenfahrt konnte er richtig zeigen, was ihm Spaß macht und wo er seine Stärken hat, mit denen er auch ohne Clownsgehabe bei anderen ankommt – das merkt man jetzt. Bilde ich mir zumindest gerade ein.

Weiterhin werde ich ein wenig Web2.0-müde. Neben dem ganzen Alltagsgedöns auch noch den Feedreader checken, die 100 neuesten Tweets lesen, ins Moodle reinschauen, Links folgen, Diskussionen durchdenken und eigene Blogbeiträge schreiben – das ist zu viel für mich. Ich strecke die Waffen und nehme mir von einigen Web-Diensten eine Auszeit. Bloggen werde ich aber weiterhin, zwar wenig fleißig, aber dafür immer wieder mal ein bisschen.

Klassenleitung

Habe heute die Nachricht bekommen, dass ich ab dem kommenden Schuljahr die Leitung einer fünften Klasse übernehmen werde. Spannuuuuung… das wird wohl noch ein Haufen Arbeit werden, wenn ich mir die klassenleitenden Kollegen so anschaue, aber auf jeden Fall auch eine neue Herausforderung. Jetzt muss ich mich erst einmal schlau machen, was man als Klassenleitung alles beachten muss, welche Verpflichtungen man hat, welche Termine man anberaumen und im Auge behalten muss, wie man eine sinnvolle Telefonkette organisiert (die auch bei Ausfällen funktioniert), wie man mit Problemen innerhalb von Klassen umgeht, wie man den Kleinen einen angenehmen Übergang von der Grundschule ins Gymnasium ermöglicht, und so weiter und so fort…

Premiere

Habe gerade meinen ersten Rotstift „durch“. Greife nun auf den Ersatzstift zurück. Demnächst werde ich auf eine andere Farbe umsteigen.

Ein bescheidenes Poesiealbum

Da liegt es nun hier mitten auf meinem Schreibtisch vor der Tastatur und wartet darauf, dass ich etwas hineinschreibe. Es ist ganz klein, DinA-6, und sein Umschlag aus Pappe ist in den Regenbogenfarben gehalten. Es besteht einfach aus weißen, linierten Seiten, und verzichtet auf besonderen Poesiealbentand wie Schnörkelverzierungen oder gar Vorgaben, was man an welche Stelle hinschreiben darf. Es liegt hier nicht zufällig, eine junge Dame aus meiner Fünften hat es mir nach der Stunde mitgegeben und wartet nun gespannt darauf, dass eine weitere Seite gefüllt wird. Von mir. Und das macht mich ein kleines bisschen stolz, obwohl Poesiealben doch eigentlich schon fast zum Schulalltag gehören. Was ist so besonders an diesem bescheidenen Poesiealbum?

Blättert man die erste Seite um, so sieht man, dass ein jemand seinen Namen hineingeschrieben hat, der offensichtlich gerade erst schreiben gelernt hat. Und damit meine ich nicht: In der Schule schreiben gelernt hat, denn der zweite Eintrag datiert auf einen späten Monat im Jahr 2001. Dieses Poesiealbum ist also das einer Poesiealbumfrühstarterin. Viele Leute haben da hineingeschrieben über all die Jahre, doch noch lange nicht jeder: Nur engste Familienangehörige, beste Freundinnen und Freunde und auch Lehrer. Von denen aber nur ganz wenige: Der Grundschullehrer (mit traumhafter Schrift!), die Klavierlehrerin und der jetzige Klassenlehrer. Und nun ich, obwohl ich doch gerade erst als Lehrer eingestiegen bin. Und dass ich das jetzt schon darf, das macht mich ein kleines bisschen stolz.

So. Jetzt muss ich mir die Vorschusslorbeeren nur noch realiter erarbeiten und vor allem etwas Besonderes hineinschreiben. In das bescheidene Poesiealbum.

Eindrücke

Das Lehrerleben treibt wilde Blüten. Heute haben sich neue Referendare an meiner Schule vorgestellt – mit dem einen habe ich vom ersten Semester an beide Fächer gemeinsam studiert, nun kann ich sein Ausbildungslehrer sein. Schon ein wenig sonderbar, denn so weit fühle ich mich ehrlich gesagt noch lange nicht. Ich bin immer jemand, der gerne „auf Nummer Sicher“ geht, der viel ausprobiert, Erfahrungen sammelt, sich rote Nasen und Bestätigung holt, bevor er sich solcherlei zutraut. In diesem Fall hieße das: Mindestens alle Unterrichtsinhalte, die ich mit einem Referendaren gemeinsam machen würde, selber wenigstens einmal unterrichtet zu haben. Naja, Training on the job nennt man das in der freien Wirtschaft, wieso nicht auch in der Schule? Ich werde Stunden mit Referendarsbegleitung jedenfalls extra gründlich vorbereiten, das steht fest.

Ansonsten tut es gut, querbeet eigenständig in nahezu allen Klassenstufen zu unterrichten. Ich lerne die Schüler besser kennen, weil die jetzt ihrerseits auch wissen, dass ich nicht nur auf Durchgangsstation bin, und kann gleichzeitig testen, ob ich überall in der Lage ist, die Klassen zu „führen“. Mein Eindruck nach einer Woche ist positiv, vor allem bei den Klassen, in denen ich fünf Stunden pro Woche bin. Da kenne ich auch schon fast alle Namen, in den zweistündigen Kursen wird es wohl noch ein wenig dauern…

Erste Pausenaufsichten gehabt. Easy going. Von hinten nach vorne den Flur aufrollen, alle Klassen überprüfen, abschließen, Quälgeister auf den Hof verbannen. That’s it. Ob der Schüler von der angeblichen Energiespar-AG mich veralbern wollte, war mir erst nicht klar, aber im Zweifel für den Angeklagten. Es stellte sich heraus, dass es tatsächlich eine Energiespar-AG gibt. Immerhin.

Am nächsten Donnerstag werde ich um diese Zeit nicht bloggen, sondern in der Schule sein und einen Förderkurs bestreiten. Wir werden das ganz gemütlich bei Keksen machen, denn es wird nur eine Hand voll (arrr… man schreibt es wirklich so!) Schüler kommen, was mir gut gefällt, denn nur dann kann Förderung wirklich effektiv sein.

Das erste Mal: Echter Lehrer sein.

Uiuiuiui – Mittwoch geht es los, gestern war mein letzter Tag an „meiner“ Ausbildungsschule. Natürlich habe ich vergessen den Schlüssel abzugeben, aber da ich zur Verabschiedung sowieso nächste Woche noch einmal hin muss, ist das nicht so wild. Wild ist höchstens die Vorstellung, ab Mittwoch voll zu unterrichten. Gott sei dank erst Mittwoch, muss ich sagen, denn der Montag ist ein beweglicher Ferientag und der Dienstag ein pädagogischer Tag, an dem kein Unterricht stattfindet. Den Montag hat mir der Stundenplaner gleich mit sieben Stunden vollgestopft, den Dienstag mit sechs Stunden am Stück – da bin ich über die kleine Eingewöhnungsfrist doch ganz froh. Dafür habe ich am Ende der Woche ein wenig mehr Luft, was mir auch lieber ist.

Fast die ganze Jahrgangsstufe Sieben wird mich als Geschichtslehrer kennenlernen, ansonsten dominiert Deutsch: In der Fünf, in der Sieben, in der Acht und in einem Grundkurs Zwölf werde ich die Gelegenheit haben, einmal quer durch alle Altersstufen hindurch Deutsch zu unterrichten. Im Grundkurs Zwölf unterrichte ich parallel mit meiner Schulleiterin, sodass sich für sie die Möglichkeit ergibt, dem neuen Kollegen ein wenig auf die Finger zu schauen (halte ich aus Schulleitersicht nur für vernünftig) und für mich die Chance, gleich einen begründet guten Eindruck zu hinterlassen. Die wenigen Kollegen, die ich bisher kennengelernt habe, waren alle sehr nett; das Lehrerzimmer macht einen geräumigeren Eindruck als mein altes. Eine Kaffeeküche gibt es auch – das ist neu für mich. Dagegen scheint die Cafeteria nicht so gut zu sein wie die altbekannte, zumindest die Öffnungszeiten beschränken sich nur auf die (Schüler-)Pausen. Aber eine tolle Bäckerei befindet sich in der Nachbarschaft, welche als externe Anlaufstelle herhalten kann, wenn Bedarf besteht.

Das Leben als echter Lehrer kann beginnen! Den Referendar-Untertitel werde ich aber vorerst noch beibehalten müssen, denn offiziell bin ich immer noch ein Referendar. Nämlich einer, der seinen Ausbildungsunterricht für die letzte Januarwoche an einer anderen Schule fortsetzt. Die Bürokratie will es so, weil ich erst für den 1.Februar eingestellt bin, aber das Halbjahr schon am 26. beginnt. Damit ich nicht eine Woche nach Halbjahrsbeginn komme, führe ich also mein Referendariat nun an meiner neuen Schule fort. Bekloppt, aber wahr. Man gewöhnt sich dran. Hoffe ich. 😉

Elternabend

Hui – gestern war zum ersten Mal in meinem Leben Elternabend. Mit nur wenigen Eltern, lauter Wunderkindern und einem Outing. Und man muss sich tatsächlich auf Stühle für Erstklässler quetschen, aber das ist nichts gegen die Härten, die ein Erstklässler unter Umständen ertragen muss.

Manche Kinder, nämlich die, denen das Lernen nicht so leicht fällt, haben teilweise schon in der ersten Klasse fünf und sogar sechs Stunden. Meine Tochter ist bislang nach vier Stunden schon fertig wie ein Brötchen und die Lehrerin schilderte, dass es in der Regel schon nach der zweiten Stunde spürbar schwerer wird, die Klasse zu unterrichten und die vierte Stunde dann mit viel Bewegung gestaltet werden müsse. Und dann packt man den Schwächsten noch Zusatzstunden obenauf. Mein Gott! Man lässt Menschen nach einem Herzinfarkt doch auch keinen Marathon laufen, damit sie wieder fit werden, oder? Bislang steht meine Tochter auf keiner dieser Förderlisten, Gott sei dank, denn ich weiß nicht, wie ich reagieren würde. Sechs Stunden!

Aber eigentlich haben ja alle Kinder keine Probleme. Denn als es zur Vorstellungsrund kam und wir Eltern kurz uns und die ersten Eindrücke unserer Kinder vorstellen sollten, war ich als Zweiter an der Reihe und erläuterte wahrheitsgemäß, dass meine Tochter nicht allzu begeistert und nachmittags ziemlich schlapp ist, besonders, wenn sie das Nachmittagsangebot mitgemacht hat. Die folgenden Eltern dagegen erzählten von begeisterten kleinen Engeln, die nach noch mehr Hausaufgaben fragten, schneller als der Wind diese erledigten und bis zum späten Abend null Müdigkeit verspürten. Lauter kleine Wunderkinder, wobei beim wunderlichsten Kind (ein frühes Lese- und Rechengenie) jedoch aufgeflogen war, dass die Mutter dessen Bilder ausgemalt hatte… Ich musste an meinen ersten Elternsprechtag denken, als ebenfalls manche Eltern mir suggerieren wollten, wie superduper ihr Kind doch trotz der mäßigen Leistung wäre. Viel Wirkung hatte das nicht.

Methodisch ist Grundschule natürlich ganz anders als das, was ich kenne. Stundenpläne können die kleinen Stöpsel ja noch nicht lesen, also werden die Pausen und Stunden mit Symbolen an die Tafel gemalt. Statt Süßigkeiten sollen die Kinder an Geburtstagen lieber alte Spiele und Bücher für die Klassenbibliothek mitbringen, das sei sinnvoller. Eine gute Idee, die ich mir merken werde. Übrigens dürfen sich Grundschullehrer bei der Einführung einer verbundenen Schrift für eine von dreien entscheiden, was ich auch noch nicht wusste. Schon ab der vierten Klasse sollen die Kleinen dann eine eigene Schrift entwickeln und müssen sich nicht mehr an die Vorgabe halten. Das gefällt mir.

Sport findet meine Tochter bisher doof, was mich zunächst verwunderte, seit gestern dann aber doch nicht mehr. Teilweise bleiben von den Stunden nur zehn Minuten, weil viele Kinder sich nicht an- und ausziehen können, oder von ihren Eltern mit komplexen Gürtelschnallen ausstaffiert werden, sodass ab und an auch mal Socken oder Unterhosen aufgefunden werden. Zehn Minuten Sport mit einer halstündigen Ankleide- und Schuhzubindephase fänd‘ ich auch doof.

Mit der Wahl zur Klassenpflegschaft und der Bekanntgabe des Prozedere durch die Lehrerin kam es dann zum Outing: „Ich kenne die Vorschriften nicht 100%ig, hoffentlich mach ich nichts falsch, aber Sie sind ja auch Lehrer, oder? Da können Sie mich ja unterstützen!“ Toll! Meine Tochter ist und bleibt ein kleines Plappermaul.

Krank ungleich Erholung

Das fällt einem erst auf, wenn es so weit ist: Auch wenn man krankgemeldet ist und mit Halsschmerzen und dickem Kopf besser zu Hause bleibt, kann man im Lehrerjob nicht einfach das Bett hüten: Der Unterricht für den morgigen Tag bereitet sich nicht von selber vor.

Geplatzter Knoten

Peter (Name geändert) ist eher ein zurückhaltender Schüler. Einer, der nicht viel sagt. Einer, der sich nur vorsichtig in das Unterrichtsgeschehen einbringt. Einer, der eher vorliest, als den Unterricht durch Beiträge voranzutreiben.

Bis ich versuche, Figurenträume psychoanalytisch zu betrachten. Schon bei der Einführung der Theorie der Psychoanalyse fällt Peter durch eine ungewohnt häufige Beteiligung auf, hat die Theorie sofort verstanden, erklärt sie bereitwillig seinen Mitschülern, schwimmt wie ein Fisch im Wasser.

Die Stunde darauf, die Interpretation der Träume ist gefragt, präsentiert Peter mit seiner Gruppe ein hervorragendes Ergebnis, widerlegt im Alleingang mit sicherer Leichtigkeit die kritischen Einwände der durchaus selbstbewussten Restgruppe und stellt dabei mein Bild seiner selbst völlig auf den Kopf.

Welcher Knoten ist denn da geplatzt? Hoffentlich bleibt das so!? Hoffentlich kann ich sein Interesse halten…