Wollte gerade einen Beitrag schreiben zu einem Artikel, der eine Hörbuch-Lyrik-Sammlung bepreist, bejubelt, unverhohlen bewirbt, ohne auch nur irgendwo das Wörtchen „Anzeige“ in Schriftgröße 2 zu verbergen. Wollte schreiben, dass mich das ärgert und über dieses Projekt, das von den Autoren selbst gelesene Gedichte gesammelt hat, herziehen, wollte schreiben, wie schlecht die Autoren oft ihre eigenen Gedichte lesen, wie sie wunderbare Texte zu leblosem Halskratzen verarbeiten, wie sie liebliche Klänge lieblos krächzen und wogende Wellentäler tonlos herausleiern, wollte Kurt Schwitters gegen Otto Sander aufrechnen.
Und dann ist mir eingefallen, wie schwer diese Arbeit gewesen sein muss, wie viele Stunden die Verlagsmitarbeiter gewühlt, gefragt, telefoniert und geschrieben haben müssen, wieviele Briefe sie getippt, wie viele Bitten an fremde Menschen gerichtet haben, wie viel Juristendeutsch sie ertragen mussten und wie viele Nackenschläge ihnen heute Haltungsstörungen verursachen.
Das sollte man nicht schlechtreden, das ist verdienstvolle Arbeit. Aber schlecht kaschierte Werbung von sogenannten Journalisten sollte man anprangern. Jeden Tag. Ich wünsche mir ein Netzwerk „MeinJourni.de“. Da könnte man dann Journalisten bewerten (und mit großem Interesse abwarten, wie sie darüber in ihren Zeitungen schreiben!).
Trotzdem empfehle ich die WDR-Produktion „Lieblingsgedichte der Deutschen„, gelesen von hervorragenden professionellen Sprechern und einem Otto Sander, auf dessen Schuleinsatz von „An Anna Blume“ ich mich jetzt schon freue.
Unfollow monday
Apropos Netzwerke: Aktuell erfasst mich wieder die Twitter-Müdigkeit. Ja, es ist ja nützlich. So nützlich. So total nützlich. So wahnsinnig nützlich. So unendlich nützlich. Weil bestimmt wieder jemand einen guten Link hinwirft. Man lernt ja so wahnsinnig viel dabei und man diskutiert so unglaublich tiefsinnig.
Dabei ist Twitter die organisierte Ignoranz: Wer nicht schnell und permanent schluckt, wird auf der Strecke liegengelassen mit den letzten Info-Bröckchen, ist nicht mehr up to date, muss sich durch einen Haufen Fallengelassenes der vergangenen Nacht wühlen. Dabei immer wieder Links auf eigene Blogbeiträge, Werbung in eigener Sache. Werbung in fremder Sache für Gewinnspielchen und dergleichen Firlefanz. Nur ab und zu, das nimmt schon keiner krumm, wir sind doch alle Freunde.
Twitter ist ein großartiges Manipulationswerkzeug mit eingebauter Hintenrum-Funktion, ein strategisches Mittel für Informations-Feldherren und ihre Soldaten. Geregelter Sturm von Diskussionen ist schnell organisiert, optische Meinungsführerschaft schnell hergestellt, der Mob fix organisiert.
Es ist vielleicht unklug, Twitter zu meiden; man könnte etwas verpassen, man könnte den Anschluss verlieren, man könnte strategisch auf verlorenem Posten stehen. Den Mut habe ich, ich verlassen den geweihten Zirkel, begebe mich auf den Pfad der Fortschrittslosen, der Ausgestoßenen, der Abgehängten.
Bleibt unter euch, ihr Kommunikationsrambos, tragt eure Kommunikationsschlachten ohne mich aus. Ich habe fast fertig mit Twitter. Adios Tweetdeck und Co. Heute ist großer „unfollow“-Monday.
Welcome back „Kreide fressen“!
(Keine weiteren Kommentare meinerseits.)
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