Blogparade: Bloß kein Stress – persönliche Strategien

Herr Mess ruft zu einer Blogparade mit dem Titel „Nur kein Stress“ und fragt, welche Situationen wir Lehrerblogger als stressig empfinden und was wir dagegen unternehmen. Hier sind meine 2 Cent zum Thema.

Fühle mich aktuell dem Stress gegenüber gut gewappnet, wobei aber folgende Eckpunkte zu beachten sind: Ich mache eine volle Stelle (25,5h), bin gerade aber mit nur wenigen Korrekturgruppen gesegnet und konnte mich bis vor Kurzem nahezu vollständig auf die Arbeit konzentrieren, da meine Frau sich vollständig um die häuslichen Belange gekümmert hat. Das ändert sich gerade. Vielleicht ist in drei Monaten, wenn das neue Schuljahr gestartet ist, schon wieder alles ganz anders.

Es ist überhaupt immer wieder erstaunlich, wie unterschiedlich „Stress“ wahrgenommen wird. Ich bin oft bass erstaunt, wenn ich sehe, was Kollege X wieder an diversen Arbeiten weggewuppt hat, als wäre das nichts, während ich schon wieder über eine Vertretungsstunde maule. Auch die Gründe für Stress können grob unterschiedlich sein und bedürfen einer unterschiedlichen Herangehensweise: einer stressige Elternschaft muss man anders begegnen als stressigen Klassen, Kollegen oder Herausforderungen, die oft urplötzlich von diversen Behörden angeleiert auf Schule herabregnen. Systemische Ansätze könnte man diskutieren und über Strategien der Teamarbeit, gemeinsamer Unterrichtsvorbereitung oder sich über innerschulische Entlastungsmöglichkeiten austauschen. Ich möchte aber gerne zunächst meine persönlichen Strategien zu Vermeidung von Stress beschreiben.

Gute Organisation hilft zu entspannen

Was mir besonders zu Beginn am meisten Stress verursacht hat, war schlechte Organisation. Wenn man Termine aus den Augen verliert, auf den letzten Drücker Vorbereitungen treffen muss, Aufgaben vergessen hat – das führt zu Stress in Reinform. Bestes Beispiel wäre meine ersten beiden Unterrichtsbesuche, die ich mir – aus Versehen und unorganisierterweise – beide auf denselben Tag gelegt hatte.

Ich musste im Laufe der Zeit folgende Dinge lernen:

  • einen Kalender zu führen
  • eine To-Do-Liste zu führen
  • eigene Arbeitszeiten festzulegen

Endlich ein Kalender

Ohne die Erfindung des iPhones wäre ich wahrscheinlich noch heute aufgeschmissen, denn es gab immer ein Problem mit all meinen Lehrerplanern: Ich hatte sie immer am falschen Ort! Entweder waren es riesige A4-Kladden, schwer, unhandlich und immer in irgendeiner Tasche oder auf irgendeinem Schreibtisch, aber nie an dem Ort, wo ich mich gerade aufhielt. Auch das Wechseln auf einen kleinen A6-Kalender half nicht, diese blöden Dinger waren nie bei mir – und alle Eintragungen letztlich oft nutzlos.

Dank des iPhones habe ich aber nun seit 2009 meinen Kalender immer dabei. Immer, immer, immer! Und ich trage alles ein und gleiche den Schulkalender automatisiert mit der Homepage ab. Zwar ist die Übersicht weniger gut, als bei einem Papierkalender, aber ich habe ihn immer dabei und es steht vom Stundenplan und Schulkonferenzen bis hin zu Ferienterminen alles drin!

Den Fokus bewahren – To-Do-Listen führen

Es mag Menschen geben, die ohne To-Do-Liste auskommen können; ich gehöre nicht dazu. Ich würde lediglich alles vergessen, selbst wichtige Dinge. Und auch hier gilt: Dank sei Apple! Papierene To-Do-Listen sind mir ein Graus! Ich bin eh‘ kein Listenmensch und alle Versuche herkömmlicher To-Do-Listen scheiterten kläglich. Beginnt man seine erste To-Do-Liste noch recht entspannt und voller Zuversicht, so endet das Ganze in einer ellenlange Liste, auf der alles Mögliche kunterbunt durcheinander steht, leider aber null Prioritäten zu erkennen sind und irgendwo oben noch etwas offen ist, während zwischendrin schon fünfzehn Punkte durchgestrichen sind. Ein befriedigendes „Jetzt ist alles abgearbeitet“ will sich so nicht einstellen. Und wie schon bei den Kalendern: Listen sind grundsätzlich nie da, wo ich gerade bin, was schlechterdings dazu führte, dass ich bisweilen zwei oder drei doofer Listen hatte, was die Sache nicht einfacher machte, aber auch dafür gibt es ja Smartphones…

OmniFocus

Vorausschau

Komplex, aber dennoch erleichternd.

Meine Rettung heißt „OmniFocus“ und kostet für iOS und Mac OS X bestimmt um die 80€ für die Mac und die iOS-Version, aber diese 80 Euro würde ich jederzeit wieder bezahlen. Ich nutze gewiss nur 10% der Möglichkeiten des Programms, aber folgende Punkte liebe ich:

  • To-Dos bekommen ein Datum+Uhrzeit und ich werde an sie erinnert. Dabei trägt OF die Aufgaben auf Wunsch in meinen iPhone-Kalender ein und synchronisiert zwischen Mac und iPhone.
  • Aufgaben kann man einen Kontext zuweisen, wie z. B. „Arbeitszimmer“, „Kopierer“ oder „Schulgebäude“. Wenn ich also in einer Freistunde Luft habe, schaue ich im Kontext „Schulgebäude“ nach, welche Aufgaben noch offen sich und erledigt werden können.
  • Aufgaben können zusätzlich einem Projekt zugewiesen werden. Z. B. „Klassenlehrer“, „Lehrerrat“ oder „Privat“. Alle Aufgaben die diese Projekte betreffen, werden denen zugeordnet. Wenn ich also zuhause sitze und mir Zeit für meine Klasse nehme, schaue ich im Projekt „Klassenlehrer“, was erledigt werden muss.
  • Ich habe immer den Fokus auf das Wichtige! Keine unübersichtlich vollgestopfte Liste, sondern nur die Aufgaben, die in dem Moment wichtig sind, wenn ich auf die Liste schaue.

Das Programm kostet zugegebenermaßen ein wenig Einarbeitungszeit, aber wenn es einmal läuft, dann entstresst es, weil ich immer weiß, dass ich nahezu nichts vergessen kann.

Arbeitszeiten einhalten

Mal ehrlich: Es gibt immer etwas zu tun. Mein OmniFocus platzt aus allen Nähten und Routineaufgaben wie Korrekturen trage ich da gar nicht erst ein. Da ist es wichtig, den Schlusspunkt zu finden. Ich orientiere mich dafür, auch wenn mir das nicht immer gelingt, an den Tipps von Carl Newport (via):

  1. To-do lists are evil. Schedule everything.
  2. Assume you’re going home at 5:30, then plan your day backwards.
  3. Make a plan for the entire week.
  4. Do very few things, but be awesome at them.
  5. Do less shallow work — focus on the deep stuff.

Besonders wichtig finde ich: Ein Ende festlegen, danach ist Schluss. Zum ersten Mal vor einigen Jahren bei Herrn Rau davon gelesen, der beschrieb, immer zur Tagesschau aufzuhören. Den Samstag halte ich mir grundsätzlich vollständig von Arbeit frei, wenn es nicht gerade lichterloh brennt.

Um auch nicht zu schnell den Verlockungen des Internets zu verfallen und die Zeit gut zu nutzen, hilft mir bisweilen die Pomodoro-Technik, für die es natürlich auch diverse Apps gibt. Besonders bei langweiligen Aufgaben wie Korrekturen hilft das sehr. Aber natürlich nicht immer… 🙄

Arbeit und Privates trennen

Es war ein sehr schöner Samstag gewesen, abends nur noch schnell die Mails checken – und plötzlich war die Laune im Keller. Ein Mail, geschickt zur Unzeit, ungeschickt formuliert: Kopfkino, Stress, der Abend war gelaufen. Seitdem rufe ich private und dienstliche Mails immer auf getrennten Clients ab und dienstliche Mails werden samstags und an Ferien- oder Feiertagen gar nicht mehr abgerufen. Dienstliche Anrufe schicke ich sowieso schon immer auf ein eigenes Telefon ohne Anrufbeantworter, die Mobilnummer gebe ich nur an Kollegen heraus. Auch kommunikativ „frei“ zu haben, ist wichtig – und nicht bei jedem Mailabruf böse Überraschungen befürchten zu müssen, hilft Stress zu vermeiden.

Last but not least: Hobbys nicht vergessen

Wenn es einem gelingt, den Tag zu einem bestimmten Zeitpunkt zu beenden, dann kann man auch Sport und andere Hobbys einplanen. In meinem Plan steht einmal pro Woche irgendwann „Bouldern“ auf dem Programm, und nach einem Schultag befreit nichts mehr den Kopf, als joggen zu gehen. Ich bin auch nicht bereit, meine Gitarren zu verfeuern, nur weil anderer Leut’s Kinder ihre Klassenarbeiten nach einem Wochenende korrigiert zurück haben wollen und manche Kollegen das schon nach einem Tag schaffen. Ist mir wumpe. Da müssen sie halt warten. Im Gegenzug bin ich dafür auch in der Regel entspannt und ausgeglichen – auch meinen Schülerinnen und Schülern gegenüber.

(Und, ja, ich weiß: Es gibt in jedem Kollegium diesen einen Kollegen, der es schafft, nach einem Tag zurückzugeben und entspannt zu sein! 😉 )

8 Gedanken zu „Blogparade: Bloß kein Stress – persönliche Strategien

  1. Pingback: Kaizen für Lehrpersonen – HerrSpitau.de

  2. Pingback: Blogparade: Nur kein Stress! | Herr Mess

  3. Wenn ich mir deine Tipps so durchlese, kann ich nur zustimmen, wir gehen da in einigen Dingen sehr ähnlich vor 😊

    Vor allem bei der To-Do-Liste und der Pomodoro-Technik kann ich dir zustimmen! Ich nutze einfach Wunderlist für meine ToDos, das ist kostenlos, gibt’s als App und Desktopversion und wird dementsprechend synchronisiert.

    Zuletzt greife ich einen neuen Slogan aus deinem Beitrag auf: „Do very few things, but be awesome at them.“ Thx! 👍🏻

    • *hust*

      An dem Awesome-Sein muss ich noch lange arbeiten… (bei dir steckt’s ja schon im Namen) 😉

      Wunderlist gefiel mir damals aus irgendeinem Grund nicht so gut, aber vielleicht haben sie es mittlerweile verbessert. Wichtig war mir die Kalender-Integration.

      Bin gerade erst so richtig auf dein Blog gestoßen. Mann, du hast ja einen Output! Kommentare folgen. 😉

  4. Du sprichst mir so aus der Seele! Insbesondere beim Korrigieren hab ich mich oft sehr unter Druck gesetzt gefühlt, weil eine Kollegen sich mal „eben am Wochenende“ hingesetzt hat und fertig war, während ich nicht mal ¼ geschafft hatte.

    Pomodore nutze ich auch beim Korrigieren-  das hilft ungemein und hat meine Korrekturen auf ein völlig neues, entspannteres Level gehoben!
    In Punkto Planung komme ich noch sehr gut mit der iCal und Erinnerungenliste von Apple aus. Zumal man den digitalen Schulkalender sehr schön mit iCal online synchronisieren kann.

    Privates und berufliches trennen: So ist es! Werde komisch angeschaut, weil ich meinen Schulmailaccount nicht auf dem Handy, sondern nur auf dem Arbeits-PC hab. Ich empfinde es zunehmend als entspannend, wenn ich mich einfach mal ausklinken darf und nicht erreichbar sein muss.

    Toller Blogartikel, der sehr viel auf den Punkt bringt! *verneig*

    • Ich bin Berufsanfängerin und freue mich, dass ich einige Ratschläge, die hier genannt werden, bereits umsetze und hier Bestätigung finde, dass dies auch gut ist.

      Hinzufügen möchte ich noch den Tipp, Schülern klare Fristen zu setzen, bspw. für Einsendungen von Thesenpapieren für Referate, o.ä.

      Das hilft mir, meinen Arbeitsaufwand für die einzelnen Tage in Häppchen zu packen und gibt den Schülern eine wichtige Verbindlichkeit, wann ihre Anfragen, Produkte, etc. auch wirklich Beachtung finden werden.

      Meine Schüler wissen zudem, dass ich meine dienstlichen E-Mails in der Regel nicht umgehend, am Wochenende meist gar nicht beantworte und Klausuren ihre Zeit brauchen (Sek I ca. 2 Wochen, Sek II ca. 3-4 Wochen). Und: Sie haben Verständnis. Für mich eine entspanntere Arbeit, für die Schüler die Gewissheit, dass ich mich nicht zwischen Tür und Angel, sondern in Ruhe um sie und ihre Angelegenheiten kümmere (individuelle Sonderfälle sind selbstredend anders zu handhaben!).

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