Das ach so technikfeindlichen „Facebook-Verbot“

Da ist schon Platz für eine ordentliche Portion kognitive Dissonanz in den weiten Welten des Web2.0. Da brodelt es wochenlang in meiner Twittertimeline und in den diversen Blogs, da kochte die Empörung wegen Prism, Tempora und der laschen Haltung der Bundesregierung täglich aufs Neue hoch und dann reicht nur eine kurze Meldung, um die Stimmung wieder umschlagen zu lassen. Welche Meldung? Diese: „Baden-Württemberg untersagt Lehrern Facebook-Nutzung“. Warum tut man das? Darum:

Der Grund dafür ist, dass die dortigen Datenschutzstandards nicht mit deutschen und europäischen Datenschutzstandards in Einklang stehen. (Quelle)

Aber großes Geschrei auf Twitter: Typisch deutsch! Technikfeindlich! Die doofe Schule hängt  mal wieder hinterher. Nicht nur die technikdummen Lehrer, sondern auch noch behördlich abgesegnet! Wo bleibt denn da die Medienkompetenz!

Und da frage ich mich schon, was da bei all den Krakeelern schiefläuft, wenn die geschlossene Aufregung über die unkontrollierte Vollüberwachung (auch mithilfe von Facebook & anderer amerikanischer Dienste) plötzlich ins Gegenteil umschlägt und der heilige Datenschutz im Schulkontext plötzlich keinen Pfifferling mehr wert ist.

Aber ich brauche dazu hier nichts mehr zu schreiben, denn das hat Carsten Dobschat schon gemacht. Bitte dringend da weiterlesen, auch zum Thema, welche Chancen ein Verzicht auf Fertigdienste haben kann.

6 Gedanken zu „Das ach so technikfeindlichen „Facebook-Verbot“

  1. Hm.
    Ich sehe es anders. Einem Schüler via FB mitzuteilen, er solle am nächsten Tag Schwimmsachen mitbringen ist einfach und unkompliziert.

    Ein Großteil derer, die sich über uns fb-nutzenden Lehrer aufregen schimpfen nur, ohne echte Alternativen anzubieten. Mein Job ist aber nicht, Alternativen zu programmieren oder Foren zu verwalten. Sondern manchmal nur Krankmeldungen entgegen zu nehmen oder Fragen zu beantworten. Das geht prima über fb oder whatsapp.

    • Es geht hier nicht darum, über FB-nutztende Lehrer zu schimpfen. Da mag jeder nach seiner Fasson selig werden. Ich wundere mich lediglich darüber, dass überall ein großes Bohei um Prism&Co. gemacht wird, beim einfachen Beharren auf der Wahrung des personenbezogenen Datenschutzes durch das Kultusministerium Ba-Wü dann aber die große Protestwelle losrollt. Dabei verweist das Schreiben des Ministeriums ausdrücklich darauf, dass z.B. Schul-Fanseiten gestattet sind oder schon bestehende Schüleraccounts zur Thematisierung von Sozialen Netzwerken mit Erlaubnis der Schüler verwendet werden dürfen, aber personenbezogene Daten dort nicht eingefordert werden sollen. Klingt in meinen Ohren vernünftig, scheint aber nicht die Mehrheitsmeinung zu sein.

      Eine E-Mail wäre eine simple Alternative. Oder auch das Telefon.

    • Nein, da bin ich voll mit dir auf einer Linie. Die Frage ist ja immer, was eine ‚dienstliche Kommunikation‘ ist.
      Die Kollegen in BaWü sind da imho auch weiter, als die in Bayern, wo iirc eben jene Fan-Seiten und jegliche Nutzung verboten ist.

  2. Es kommt leider viel zu häufig vor, daẞ LehrerInnen im Unterricht Programme, Dienste und Geräte besinnungslos einsetzen, weil sie angeblich attraktiv oder einfach zu bedienen seien. Das gilt z.B. für die gesamte i-Linie. Fragen des Datenschutzes, der Zensur, der Urheberrechte werden dabei ignoriert. Für mich ist das unaufgeklärte Medienkompetenzt, also Mittelalter. Werden im Unterricht Themen wie Netzneutralität, faire Hardware, Freie Software, offene Standards, Open Access angesprochen? Wenn ja wäre aufgeklärte Medienkompetenz vorhanden.

    • Bei den iGeräten sehe ich da eher Schwierigkeiten ethischer Natur bzgl. Rohstoffe und Produktionsbedingungen; Datenschutz, Urheberrechte und Zensur sehe ich da eher nicht als Problem der Schule. Das müssen sich die Käufer der Geräte überlegen. Und im schulischen Einsatz über den Account eines Schul-Admins sehe ich da keine Schwierigkeiten.

      Der andere Punkt ist viel wesentlicher: Programme müssen einfach zu bedienen sein. Das ist das Wichtigste. Die meisten Anwender interessiert es nicht, ob sie OpenSource, freie Software oder offene Formate unterstützen; die wollen einfach schnell und unkompliziert arbeiten, spielen und surfen. Und da sind die kommerziellen Anbieter den anderen um Meilen voraus. Habe lange genug mit Linux gewurschtelt, bin mit meinem Mac nun absolut zufrieden und werde den Teufel tun und mir das Paketgemurkse und Herumkompilieren noch einmal antun.

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