Von der Vermessung der Lehrer und selbstbestimmten Klassenarbeitsterminen

Lisa zwitscherte gerade einen Link zum NYRBLOG mit dem Titel „No student left untested“, in dem die Bloggerin von einer Vereinbarung zwischen dem NY State Education Department und Lehrerverbänden berichtet, dass man in Zukunft die Testergebnisse der Schüler verwenden will, um die Lehrer zu bewerten und deren berufliches Schicksal direkt und auch zeitlich unmittelbar mit diesen Ergebnissen zu verknüpfen. Ich muss leider stark kürzen:

But one sentence in the agreement shows what matters most: “Teachers rated ineffective on student performance based on objective assessments must be rated ineffective overall.” What this means is that a teacher who does not raise test scores will be found ineffective overall, no matter how well he or she does with the remaining sixty percent. In other words, the 40 percent allocated to student performance actually counts for 100 percent. Two years of ineffective ratings and the teacher is fired. (Hervorhebung von mir)

Im Weiteren erläutert die Autorin, warum dieses Vorgehen aus ihrer Sicht zwangsläufig zu schlechtem Unterricht und schlechteren Lehrern führen wird, und sie schreibt dabei einen sehr lesenswerten Artikel, den sich mancher Bildungsvermesser ins Stammbuch schreiben sollte.

Ich bin ja nun noch nicht so lange dabei, dass ich Langzeitbeobachtungen aufstellen könnte, aber ich finde es durchaus frappierend, wie unterschiedlich Lerngruppen und ihre Ergebnisse sein können. Mit manchen kann man nahezu permanent „unter Volldampf“ arbeiten und die tollen Leistungen entstehen von selbst, mit anderen muss man fast ringen, damit Ähnliches dabei herauskommt. Habe da gerade eine Grammatik-Arbeit vor Augen, die im letzten Jahrgang desolat ausfiel, im aktuellen Jahrgang dagegen bestens. Dass mein Unterricht sich so drastisch verbessert haben soll, glaube ich kaum. Solche Schwankungen als Basis für die Entscheidung zu nehmen, ob jemand als Lehrer arbeiten darf oder nicht, ist nicht wissenschaftlich, sondern fahrlässig.

Am AEG: Zeitpunkt für Klassenarbeiten selbst bestimmen
Umso schöner, dass es tatsächlich Schulen gibt, die inmitten all dieser heillosen Vermesserei auch andere Wege zu gehen versuchen. Im Albrecht-Ernst-Gymnasium in Oettingen, das ich schon einmal besuchen durfte, verzichtet man mittlerweile auf herkömmliche Klassenarbeiten in Drucksituationen:

Auch die zahlreichen Studien, die belegen, dass Schüler unter Angst und Druck schlechter lernen als ohne diese Stressfaktoren, hat das Team in Oettingen ernst genommen. Das gefürchtete Abfragen zu Beginn jeder Stunde und die vielen unangekündigten Exen wurden kurzerhand abgeschafft. „Die Kinder kommen zum Lehrer, wenn sie sicher sind, ein Themengebiet zu beherrschen, und sagen, dass sie einen Test schreiben wollen“, sagt Schmalisch. Es sei wie bei der Führerscheinprüfung: Ob jemand sich nach zwölf oder nach 30 Fahrstunden anmeldet, ist unwichtig – Hauptsache, er kann fahren. (Süddeutsche)

5 Gedanken zu „Von der Vermessung der Lehrer und selbstbestimmten Klassenarbeitsterminen

  1. Der New Yorker Weg ist natürlich Blödsinn!
    Der selbstgewählte Zeitpunkt für Test/Klassenarbeit in Oettingen klingt sehr nett – stellt den Lehrer aber sicher vor ein organisatorisches Problem: für den Fall, dass sich jeder Schüler zu einem anderen Zeitpunkt für prüfungsfähig hält, muss er ja 30 (oder 100 im vorliegenden Fall der geöffneten Unterstufe) verschiedene Arbeiten in der Schublade haben…
    Und was passiert mit den Schülern, die sich partout nicht selbst dazu entschließen wollen?

    • Ich habe die Kollegen in Oettingen ja schon einmal besuchen dürfen und da war dieses Konzept (inclusive beträchtlicher Umbauarbeiten) schon in Planung. Es ist kaum vorstellbar, dass man solch logistische Aspekte nicht mitbedacht hat, zumal man ja auch die Kollegen überzeugen muss. Gestellt habe ich mir diese Fragen allerdings auch. Vielleicht hilft eine Mail an die Kollegen in Oettingen?

  2. Klingt sehr interessant, also nicht das aus New York natürlich, sondern das mit dem Prüfungstermin. Wenn sich alle 30 Schpler auf einen Termin einigen müssten, wäre das natürlich witzlos – aber wie macht man das, wenn jeder zu einem anderen Termin kommt? Mit großem Aufgabenpool?

    • Und wie sorgt man ggf. für eine ruhige Atmosphäre, wenn viel Freiarbeit gemacht wird? Gibt es wohl Räume dafür? Oder ist die Art der Tests eine andere? Und wie verträgt sich das mit den ministeriellen Vorgaben für Klassenarbeiten? Fragen über Fragen…

  3. Die New Yorker Idee ist wahrscheinlich mal wieder ein schlecht überlegter Schnellschuss. Was das für Konsequenzen hätte!
    Die Idee des Oettinger Gymnasiums finde ich – aus Schülersicht – äußerst attraktiv. Da bleibt nur zu hoffen, dass bald Erfahrungsberichte vorliegen und alle organisatorischen Fragen geklärt werden.

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