Der Klassenrat – hat da jemand Erfahrungen?

Als Klassenlehrer sieht man sich dann doch neuen Herausforderungen gegenüber, gerade dann, wenn man eine fünfte Klasse leitet, die aus lauter kleinen Leuten besteht, denen vieles an der neuen Schule unbekannt und ungewohnt ist, und denen darüber hinaus auch in puncto Sozialverhalten vieles vermittelt werden muss.

Mit Kleinigkeiten wie dem Siezen von Lehrer fängt es an, zieht sich über Gruppenfindungsprozesse bis hin zu alten zwischenmenschlichen Ungereimtheiten aus der Grundschulzeit. All das kulminiert im Klassenzimmer und um der vielen Baustellen gerecht werden zu können, überlege ich gerade, ob ich die Institution „Klassenrat“ in meiner doch noch jungen Klasse einführen soll.

Der Klassenrat wird von den Schülern organisiert, bekommt eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellt und nimmt sich in dieser der Probleme der Klasse an und sucht nach Lösungen, mit denen alle Betroffenen einverstanden sind. Dazu wird entweder ein Plakat oder ein Buch geführt, wo gesondert Lobenswertes, Wünschenswertes und Probleme festgehalten werden, was dann Anlass für Gespräche im Klassenrat bietet. Dieser findet bevorzugt im Sitzkreis statt, wobei der Lehrer möglichst keine Sonderrolle einnehmen sollte, was zunächst einmal als Nahziel betrachtet werden sollte, denn ohne Hinführung wird keine Klasse einen Klassenrat eigenständig führen können. (Mehr dazu auf Wikipedia, bzw. den dort befindlichen Links; siehe auch „Praxisbuch Klassenrat„)

Nun gehe ich schwanger mit diesem Gedanken und bin kurz davor, den Klassenrat aus der Taufe zu heben, aber ich wollte dennoch die Gelegenheit nutzen, euch einmal zu fragen, welche Erfahrungen ihr mit dem Klassenrat gemacht habt. Ist er Zeitverschwendung? Ein Abwälzen der Probleme auf die Schüler? Überforderung der Schüler? Erziehung zur Demokratie? Werden Probleme wirklich gelöst oder nur durchgekaut?

14 Gedanken zu „Der Klassenrat – hat da jemand Erfahrungen?

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  2. Hier gibt es aus dem BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“ einen Baustein „Klassenrat“: http://blk-demokratie.de/materialien/demokratiebausteine/programmthemen/klassenrat.html

    In Hamburg ist der Klassenrat schon weit verbreitet und es gibt viele Erfahrungen damit. Er kann der Anfang einer demokratischen Schulkultur sein – wie das Beispiel Süderelbeschule zeigt: http://blk-demokratie.de/fileadmin/public/praxisbausteine/suederelbe_hamburg/suederelbe_hamburg.pdf

  3. An meiner Schule ist der Klassenrat neben dem Montagmorgenkreis ein fester Bestandteil. Wir machen den klassenrat immer freitags, um alles vor dem Wochenende geklärt zu haben. Es gibt Ämter im Klassenrat (Diskussionsleitung, Protokollant, Regelwächter, Rednerlistenführer).

    Ich habe sehr gut Erfahrungen damit. Schau mal bei http://www.drop.io/klassenlehrer5 rein (ich meine, da was eingestellt zu haben. Ansonsten melde Dich bitte, was Du konkret brauchst, wissen willst. ich helfe gerne weiter, müsste halt nur stundenlang schreiben, wenn ich alles genau erklären wollte 😉

  4. Ich habe den Klassenrat zwei Jahre lang in meiner Klasse (7./8. RS) praktiziert, bevor ich in Elternzeit gegangen bin. Die Ss müssen sich natürlich erst in ihre Rolle einfinden, aber ich habe diese Institution immer als Bereicherung empfunden. Alleine schon, weil er einen Platz für die vielen kleinen Problemchen des Alltags bietet, die so in einer Klasse anfallen. Es hat mir immer gut getan, Schülern, die mit so einem Problem zu mir kamen (der X stört immer!, Der Lehrer Y hat …., Wir wollen gerne….) an die im Klassenzimmer aushängenden TOP-Liste zu erinnern und sie zu bitten, ihr Anliegen dort einzutragen. So konnte ich mich ernsthaft um diese Dinge kümmern, ohne ständig zwischendurch damit kofrontiert zu sein und die Ss lernten auch, sich zu überlegen, ob ihr Anliegen wirklich so wichtig ist, um im KLR behandelt zu werden oder nicht. Aber: Probieren geht über Studieren! Ich würd sagen: Einfach drauflos, es ist auf jeden Fall einen Versuch wert! 🙂

  5. noch ergänzend, da ich Deine fragen überlesen hatte:
    Die Schüler sind sehr gut in der Lage, sich selber zu strukturieren und disziplinieren. Im Stuhlkreis sitzen die genannten Ämter nebeneinander, um sich zu helfen. Ich sitze daneben und greife – möglichst selten – unterstützend ein, indem ich der Diskussionsleitung Tipps zuflüstere. Es ist kein Abwälzen sondern ein Erziehen zur Selbstständigkeit. Schüler nehmen selbstgefundene Lösungen deutlich ernster als von mir diktierte. Die Schüler sammeln die Themen die Woche über via einer Wandzeitung und können sich auf die Themen einstellen, die freitags zur Sprache kommen. Sie werden damit nicht überfordert.

    Bitte frage nach, da diese Erklärungen schon ziemlich arg verknappt sind.

  6. Ich finde mich in einer ähnlichen Situation, dass ich sowohl in der SV wie auch in der Klasse nach Impulsen suche, die die Kommunikation strukturieren.

    Zeitverschwendung ist das sicher nicht, da die Kommunikationsfähigkeit geschult wird.

    Meine Bedenken liegen eher bei der Einführung des Klassenrates. Man hat in der eigenen Klasse nur eine Chance – und die darf man nicht versauen. Sicherlich ungünstig ist, wenn man den Klassenrat gerade dann gründen möchte, wenn es brennt. Dann ist er mit einem schlechten Ruf behaftet.

    Leider sind genau das die Situationen, wo man ihn am dringendsten brauchen könnte (wie aktuell).

    Ich werde mich in den Herbstferien einlesen und dann mit der Klassen sprechen.

    Gruß,

    Felix

  7. Erstmal ‚tschuldigung, aber manche Kommentare landen hier dummerweise in der Spam-Schleife – weiß der Geier, warum! Leider gibt es auch keine Whitelist – oder kennt jemand eine solche oder ähnliche Lösung für false Spam?

  8. Wir haben den Klassenrat in unserem Schulprogramm fest verankert und er klappt in vielen Klassen auch recht gut. In meiner Klasse jedoch geht der Klassenrat regelmäßig schief, weil die Kinder so auf sich selbst gerichtet sind, dass sie die anderen kaum wahrnehmen (wollen). Ich habe den Klassenrat in eine Positivrunde umgewandelt, nachdem er nur noch dazu genutzt wurde, sich systematisch über immer die gleichen Kinder zu beschweren – so eine Art Meckerrunde. Die Lösungsvorschläge waren auch immer die gleichen und wurden von den entsprechenden Kindern zwar angenommen, jedoch nicht eingehalten und umgesetzt.
    Jetzt machen wir freitags immer eine Runde, in der alle sagen, was diese Woche gut lief und schön war und halten dies im Klassentagebuch fest. Ein Ereignis wird dann noch gesondert ausgesucht, dazu wird ein Bild gemalt und ein kleiner Text geschrieben. Was nicht so gut lief, wird nur kurz angesprochen und gegebenenfalls über den Klassenbriefkasten oder mit dem Klassensprechern in einer kleineren Runde gelöst. Ich bin bei den Streitklärungen nur dabei, wenn es nicht anders geht. Das funktioniert viel besser als der Klassenrat.

  9. 5. Klasse.

    @Felix hat absolut Recht: Es kommt auf einen guten Start an. Versuche, durch Störung oder Lächerlichmachung sind zu unterbinden. Ich denke, eine absolut klare und verbindliche Struktur ist notwendig, um nicht in eine Laberstunde abzugleiten.

    Und ja, der Klassenrat muss unbedingt positiv besetzt bleiben. Auch wenn dort Probleme behandelt werden. Ich achte immer etwas drauf, dass wir mindestens 1-2 positive/angenehme Themen haben.

  10. Nicht nur die Schüler müssen sich in ihre Partizipations-Rolle im Klassenrat einfinden – auch die Lehrer! Sie sind NICHT das Subjekt des Klassenrats, und der Klassenrat ist kein Disziplinierungsinstrument. Im Klassenrat sollen die Schüler lernen, ihre eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln.

  11. Wenn Klassen mit dem Klassenrat aufgewachsen sind, dann leiten sie spätestens ab der 7./8. Klasse den Klassenrat selbst und der Klassenlehrer nimmt nur noch teil, wenn er ausdrücklich darum gebeten wird. Für den Aufbau und das Funktionieren einer solchen Selbststeuerungsinstitution sollten sowohl die Klassenlehrer als auch die Schülersprecher/Klassensprecher eine Schulung/Fortbildung machen.

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