Mit Abstand

Die frohe Botschaft vorab: Es ist vollbracht! Ich habe eine Stelle an einem Bielefelder Gymnasium angenommen und brauche im Untertitel des Blogs nicht das Prädikat „arbeitsloser Lehrer auf Jobsuche“ zu führen! Die Zusage war eine große Erleichterung, denn es hätte die festliche Vorweihnachtsstimmung doch um einiges getrübt, wenn die Unsicherheit der Arbeitslosigkeit fürs Jahr 2009 gedräut hätte. Zumal man nach der Hochstimmung aufgrund des erfolgreichen Prüfungstages ungerne in Depressionen verfallen möchte.

Der Prüfungstag
Der Prüfungstag… zu dem wollte ich sowieso noch etwas schreiben – ein langer Text ist dazu schon entstanden – aber mit ein wenig Abstand bloggt es sich doch besser. Doch meine ursprüngliche Einschätzung bleibt: Diese Institution ist unsäglich. Im schlimmsten Fall, welcher bei einem mir sehr gut bekannten Referendar eingetreten ist, hat man anderthalb Jahre lang ordentlichen Unterricht gemacht und steht letztlich dennoch wie ein begossener Pudel da, denn durchfallen kann man am Prüfungstag immer, selbst wenn alle Vornoten „Sehr gut“ sein sollten. Man ist also auf Verderb und Gedeih der Prüfungskommission ausgeliefert – ausgerechnet den Menschen, die, mit Ausnahme des Fachleiters, am wenigsten Unterricht überhaupt gesehen haben.

Was ein Durchfallen dann bedeutet, brauche ich hier wohl nicht noch einmal auszuführen. Verlust an Selbstvertrauen, Zweifel am eigenen Unterrichtsstil, Verständnislosigkeit bei überraschendem Nichtbestehen, 15% weniger Gehalt und nur noch eine letzte Chance, bevor man vor dem Nichts steht, obwohl man jahrelang dafür geschuftet hat. Nichts gegen harte Prüfungsbedingungen, aber wenn so vieles von 90 Minuten abhängt, dann kann man nicht mehr von Objektivität sprechen.

Blick nach vorne
Doch egal. Das Thema ist jetzt durch. Ich kann nach vorne blicken und will auch gar nicht meckern. Immerhin habe ich an meinem Prüfungstag meine neue Chefin kennengelernt, ohne allerdings zu wissen, dass ausgerechnet meine Prüfungsvorsitzende meine neue Chefin werden würde.

Ich freue mich auf meine neue Aufgabe, doch frage ich mich, wie ich ab dem neuen Halbjahr mit dem Fulltime-Job an meiner neuen Schule zurechtkommen werde. Immerhin werde ich dann mehr als das Doppelte an Stunde zu bewältigen haben als das, was ich im eigenständigen Unterricht kennengelernt habe. Ich gehe mal davon aus, dass das harte Monate (Jahre?) werden, bis man das effizient hinbekommt. Neue Schulbücher, neue Kollegen, neue interne Curricula, neue Schüler, ein neues Gebäude, neue Eltern, neue Chefs – das wird aufregend.

Vielleicht habe ich an meiner neuen Schule Gelegenheit, einen Israel-Austausch zu machen, was mich als Geschichtslehrer natürlich brennend interessieren würde (Schaffe ich es wohl, nebenbei Hebräisch zu lernen?). Da ich an einer Ganztagsschule arbeiten werde, überlege ich aktuell, wie ich mich ins AG-Angebot einbringen kann. Eine AG „Experimentelle Archäologie“ fände ich ja mal spannend, aber das lasse ich mir noch einmal in Ruhe durch den Kopf gehen. Immerhin braucht man dafür eine Menge praktische Erfahrung und eine Menge handfestes Material – und an beidem mangelt es mir. Aber toll wäre das… ich denk‘ lieber noch mal drüber nach…

Demnächst steht ein Besuch an meiner alten Uni ins Haus, bei der Lehramtsanwärter mir und einer Mitreferendarin Fragen zum Referendariat stellen können, worauf ich ebenfalls sehr gespannt bin. Ich überlege noch, ob eine kleine Präsentation nützlich sein könnte, denn anderhalb Stunden Frage-Antwort ist ja für beide Seiten sehr ermüdend. Das gilt auch für Studenten. Da ich mein Referendariat insgesamt positiv erlebt habe, kann ich den Studenten doch Mut machen und ihnen Raten, den Panikstuss auf einschlägigen Referendarseiten in den Wind zu schlagen.

Wie auch immer, dieses stressbeladene Jahr neigt sich einem entspannten Ende zu und ich wünsche Euch allen frohe und erholsame Weihnachtsfeiertage!

15 Gedanken zu „Mit Abstand

  1. Herzlichen Glückwunsch! Kann Deinen Bericht von der Prüfung aus eigener Erfahrung gut verstehen… Alles Gute für die neue Stelle – auch wenn der Stress etwas anders wird – das wird schon! Nur mit dem Hebräisch nebenbei? Ich würd’s Dir wünschen…

  2. Hey Hokey,

    herzlichen Glückwunsch zur ersten „richtigen“ Stelle! Ich verfolge schon etwas länger dein Dasein als Referendar und bin sehr dankbar für die internen und immer ehrlichen Einsichten.
    Leider hab ich nun kurz vor Weihnachten trotz einer 1 vorm Komma im 1. Staatsexamen und mit zwei Hauptfächern eine Absage fürs Referendariat bekommen. Toll. Jetzt heißt es aufs Nachrückverfahren warten…. Ziemlich frustrierend. Meiner Ansicht nach steht das System in Hessen sowieso kurz vorm Kollabieren. Bildungspolitik for the win ;o)

    Grüße, Kady

  3. Das versteh mal wer will… Ich dachte, auch Hessen sei vom Lehrermangel betroffen, und eine kurze Google-Suche ergab, dass dem auch so ist.

    @ Kady: Welche Schulart hast Du denn studiert?

    Allen frohe Weihnachten!

  4. Hallo.

    Alles Gute.

    Ich bin seit einiger Zeit stiller Leser deines Blogs.

    Ein kleiner Tipp, den ich vor 4 Jahren auch nicht hören wollte: Nicht so viel auf einmal. Der Rest kommt durch den Spass an der Sache 🙂

    Und das tolle ist doch, dass man sehr viel ausprobieren, ändern, verbessern, lernen kann, während man seine ersten Jahre macht. Ich hoffe, das bleibt bei mir noch einige Jahre so …

    Ivo

  5. @Kady
    Oh Mann, das ist echt schade! Dabei seid doch gerade ihr Hessen dafür berüchtigt, in anderen Bundesländern Lehrer abzuwerben. Deine Fächer würden mich auch mal interessieren? Christian hat ja ein ähnliches Problem, obwohl er sogar Französisch als Fach hat. Hier in NRW bräuchte er sich damit so gut wie keine Gedanken machen…

    @Herr Rau
    Danke! 🙂

    @Ivo
    Ah, ein Fan des „Foucaultschen Pendel“? 😉
    Du hast wohl recht, lieber wohldosiert anfangen als sich sofort auszupowern.

  6. Gratuliere, und wünsche auch viel Spaß beim Eingewöhnen an das viele bunte Neue 🙂
    Hab keine Sorge, dass du das nicht auf die Reihe bekommst … nicht nur die Leber wächst mit ihren Aufgaben. Aber ich bin auch wie Ivo der Meinung, dass du dir zum normalen (umfangreichen) Pflichtprogramm nicht auch noch ein riesiges Kürprogramm auferlegen solltest. Schon nach einem halben Jahr kannst du es besser einschätzen, was du dir noch zumuten kannst.
    Eine schöne Weihnachtszeit und fürs neue Jahr alles Gute!

  7. Herzlichen Glückwunsch 🙂
    Zum Blick nach vorn gehört neben allen Stressfaktoren auch die Freude auf die Kids, die du unterrrichten darfst. Es ist klasse, wenn die ersten ‚eigenen‘ Fünfer irgendwann Große sind und mit Abi rausmarschieren.

  8. Gestaltung und Gewicht des Prüfungstages sind leider vom Schulministerium so gewollt. Ich halte das weiterhin für falsch. Angesichts der krass unterschiedlichen Ausbildungsbedingungen und des Inhalts der Prüfung muss man meiner Meinung als PrüferIn möglichst viel vom Prüfling und seiner Ausbildung wissen, um seiner Leistung halbwegs gerecht werden zu können – was auch ein Durchfallen bedeuten kann. Im Bild: Ich darf nicht nur schauen, wie hoch ein Gewicht gehoben wurde, ich muss wissen, wie schwer das Gewicht war, wenn ich die Leistung ricchtig einschätzen will.

    Es wäre gut, wenn diese Erfahrung mal direkt dem Ministerium mitgeteilt würde, vielleicht hat das noch Auswirkungen bei aktuellen Umgestaltung der Ausbildung.

    Noch einmal herzlichen Glückwunsch und einen guten Start.

  9. Dass Hessen anderen Bundesländern die Lehrer abwirbt, lese ich auch überall. Verstehen kann ich es ehrlich gesagt nicht.
    Ich habe Deutsch und Englisch studiert (ok, Deutsch sieht wirklich schlecht aus, weil es ein typisches Lückenfüller-Fach ist…) und obwohl Englisch als Mangelfach geführt wird, komme ich nicht rein. Alles wegen Deutsch. Ich finde es einfach unglaublich frustrierend, im Moment nicht die Möglichkeit zu haben, meine Ausbildung zu beenden. Wieso kann in D jeder Depp Lehramt studieren? Wieso leisten wir uns nicht, dass nur die besten, motiviertesten und kompetentesten Bewerber auch einen Studienplatz bekommen, wie das zB in den skandinavischen Ländern der Fall ist? Jaja, ist klar, zu viel Aufwand das alles… Und dass diesen Bewerbern dann auch ausreichend Ref-Stellen zur Verfügung stehen? Im Moment wird in den Geisteswissenschaften ein tierischer Überschuss „produziert“, der es aber auf dem freien Markt, wenn es darum geht, sich auf Stellen zu bewerben, auf die sich auch Magister, Diplomanten etc bewerben, echt schwer hat.
    Ich finde es sehr frustrierend, dass das Einstellungsverfahren für’s Ref nur über die Note läuft, und dass höchstwahrscheinlich irgendwelche sozial unkompetenten Absolventen, die Lehramt nur aus Verlegenheit studiert haben, jetzt womöglich einen Platz nur auf Grund der vermeintlich besseren Note bekommen haben, aber viele hochmotivierte Absolventen, deren erklärtes Ziel es ist, Lehrer zu werden, in die Röhre gucken. Schon komisch das alles…

  10. Wahnsinn wie unterschiedlich das von Land zu Land ist: Bei uns stand Deutsch aktuell gar nicht übel im Kurs und dann noch kombiniert mit Englisch… vielleicht kannst Du es auch in einem anderen Bundesland versuchen?

    Die Notenkritik würde ich teilen, allerdings würde ich noch viel lauter meckern, würde man versuchen, meine „soziale Kompetenz“ objektiv zu bewerten und als Maßstab für meine Berufsfähigkeit zu benutzen. Stell‘ Dir vor, Du bist fachlich hervorragend und dann kommt irgendeine Kommission daher und befindet Dich für sozial inkompetent. Na schönen Dank auch… 😉

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