Danke Frau Behler,

dass Sie mir, trotz hinreichender finanzieller Zukunftssicherheit, einen potentiellen Arbeitsplatz wegnehmen wollen:

SPIEGEL: Frau Behler, Sie wollen einem Bielefelder Gymnasium, an dem Lehrermangel herrscht, helfen und dort unentgeltlich Deutsch unterrichten. Warum dürfen Sie das nicht?

Behler: Weil ich auf keinen Fall für meine Arbeit bezahlt werden möcht. Mit der Schulleiterin, die mich gefragt hatte, ob ich einspringen kann, war schon alles klar.

(Quelle: Spiegel Online)

Es gibt und gab ja auch überhaupt keine Deutsch-Referendare in Bielefeld, nur zwei ganze Fachseminare aktuell. Ich will am liebsten gar nicht wissen, welche Schulleiterin das war, die kostenlos Ex-Ministerinnen beschäftigen möchte. Anstatt Mängel bei der finanziellen Situation von Schulen (und nichts anderes kann ein Lehrermangel in Deutsch bedeuten) bei Frau Behlers Kollegin Sommer anzuprangern, bindet man lieber das politische System gleich mit ein. Ist ja dann auch dolle PR für die Schule! Und für Frau Behler, der barmherzigen Samariterin, der Sankt Martina von Bielefeld.

Aber es wird noch besser:

SPIEGEL: Haben Sie Hinweise, dass die NRW-Schulministerin Barbara Sommer, CDU, nun an einer Art Lex Behler arbeitet?

Behler (lacht): Ich habe den Eindruck, dass das Schulministerium sich jetzt bemüht, das Problem kreativ zu lösen. Eine Spezialregelung nur für mich wäre aber zu wenig. Ich bin sicher nicht die einzige Fachkraft, die ein paar Stunden pro Woche ehrenamtlich arbeiten würde. Diese Leute müssen ermutigt und nicht ausgebremst werden.

Na bestens! „Kreativ lösen“ klingt wirklich gut. Ehrenamtliche Deutsch- und Geschichtslehrer (man beachte die Fächerkombination Behlers). Große Klasse, wofür mache ich den ganzen Murks hier eigentlich mit? Damit ein paar Rentner mir dann den Arbeitsplatz wegnehmen? Warum schreibe ich hier eigentlich haufenweise didaktisch-methodische Kommentare, begründe jeden Furz mit fachwissenschaftlichen Artikeln und verfasse eine zweite Staatsexamensarbeit? Wieso muss ich das Studienseminar besuchen, reihenweise Unterrichtsbesuche über mich ergehen lassen und mich Prüfungsverfahren stellen, denen man auf zehn Kilometer ansehen kann, dass sie nicht pädagogische, sondern rein juristische Gewächse sind? Damit ausrangierte Fachkräfte mich für null Euro in Nicht-Mangelfächern ersetzen können?

Ich frage mich, Frau Behler, wer oder was hier ausgebremst werden soll. Mein Tipp: Verlagert doch einfach alle Schulen nach Rumänien, dann wird’s bestimmt noch billiger.

13 Gedanken zu „Danke Frau Behler,

  1. Ich fasse es nicht. Die Frage wofür das ganze stellt sich da ja echt automatisch. Ich hoffe übrigens immer noch, dass ich nach den unbezahlten Ferien wieder einen befristeten Lehrvertrag bekomme und irgendwann in diesem Leben auch mal mein Referendariat antreten darf.

  2. Prima Beitrag!
    Da kann man sich nur Fragen, welche Message man mit solchen Aktionen an die Lehrerkollegien und Junglehrer senden will.
    Bei uns in Hessen bin ich derzeit in der Situation jeden Morgen auf dem Weg zur schule an Plakaten vorbeizulaufen, mit denen man versucht, Lehrer (auch aus anderen Bundesländern) abzuwerben. Zurück am Rechner muss ich dann Pressemeldungen lesen, in denen man sich brüstet, wieder hunderte von landesfremden Lehrern nach Hessen gelockt zu haben.
    Hey, wenn man keine Lust mehr hat, Energie und Engagement in die eigenen Referendare und die eigene Lehrerausbildung zu stecken, dann kann man mir das auch direkt sagen. Dann gehe ich halt woanders hin und lasse mich dort ausbilden.
    Manchmal fragt man sich wirklich, ob es es heutzutage nur noch darum geht, schicke und wohlklingende Pressemitteilungen zu generieren.
    Sehr schade, wie wenig seitens der Ministerien an die eigenen Leute und die Wirkung solcher Aktionen auf die Mitarbeitermotivation bedacht wird. Ich würde mich über Pressemitteilungen à la „Hessen schafft drei neue Lehrerseminare und bildet 1500 neue Referendare zur Bewältigung des Lehrermangels aus. Auf Wunsch und bei entsprechendem Nachweis von U+-Tätigkeit kann das Referendariat auch um ein halbes Jahr verkürzt werden“ freuen.
    Mal schauen, wie das weiter geht…

  3. @Christian
    Du bekommst (mehrfach?) Lehrverträge ohne Referendariat? Oder bringe ich da etwas durcheinander?

    @Scheppler
    Landesfremd wäre mir noch wurscht. Pensionierte Kollegen, die für Gehalt arbeiten, auch, solange sie nicht, wie Frau Behler, zum reinen Zeitvertreib kostenlos Fächer belegen, deren Marktwert sowieso schon im Keller ist.

    Die Pressemitteilungen scheinen oftmals wichtiger zu sein als die Sache dahinter, was man an solchen Ideen erkennen kann. Hauptsache, man kann was Nettes vermelden…

  4. Schnapsidee. Ehrenamt ist eine gute Sache und sollte es in Deutschland vielleicht häufiger geben. Aber darum geht es hier nicht. Solange qualifizierte Leute ausgebildet werden, da sind, und auf eine Arbeitsstelle warten… ach, was soll’s. Schnapsidee.

  5. @Scheppler: „Mitarbeitermotivation“ – das ist ein schönes Wort. In den Ohren der Ministerien wird es sogar exotisch klingen. Und das Ministerium in seiner multiplen Ausprägung spricht:
    So nen Quatsch braucht ein Lehrer nicht. Der motiviert sich selbst!

  6. @Hokey: Ja so ist es. Dabei verfinstert sich meine Miene so wie der Mond gerade. Ich werde sogar bezahlt als wenn ich ein zweites Staatsexamen hätte, nehme mir also quasi selbst meinen Referendariatsplatz bzw. die Stelle in der Schule weg. Kommt wohl billiger als fertig auszubilden. Geht jetzt seit ungefähr einem Jahr so…

    Jetzt geh‘ ich aber wirklich den Mond angucken.

  7. @Hokey: Zwecks Anerkennung für’s Referendariat. Sollte ich es im gleichen Bundesland machen können, dann wird was anerkannt/ kann Referendariat um 1/2 Jahr verkürzt werden. Bin mir noch nicht sicher, Ob das wirklich so vorteilhaft ist.

    Habe übrigens heute gerade eine Mail bekommen (auf meine Nachfrage hin), dass das mit der Verlängerung an meine alte Stelle nun doch nicht klappt. Glücklicherweise hab ich noch einen anderen kleinen Job, wüsste sonst nicht so recht wie ich mich finanzieren soll… Jetzt aber genug gejammert…

  8. Pingback: Vertretungslehrkräfte dringend gesucht | gblog

  9. Toller Beitrag! Ja, das ist ja wohl das Letzte! Und dabei schreit alles nach Professionalisierung auch der schon „studierten“ Lehrerschaft.
    @Christian: Übrigens wird es von manchen Seminarleitern in der Referendarsausbildung gar nicht gerne gesehen, wenn Referendare schon viel eigene schulpraktische Erfahrung durch Lehrverträge haben. Sie gelten dann als schon durch die Praxis „versaut“ sozusagen, weil sie sich dann angeblich nicht mehr in den Referendariatsbetrieb mit seinen Lehrproben einordnen wollen/können. (Aber zum Glück bestimmen nicht die Seminarleiter, wer ein Referendariat bekommt.) Ich drücke Dir jedenfalls die Daumen! Und Hokey natürlich auch für eine ordentliche Stelle an einer tollen Schule!

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