„Mischwald ist besser als Monokultur“

So lautet These 1.1 in Hilbert Meyers „Was ist guter Unterricht“, nachdem Meyer zugibt, auf der Grundlage empirischer Studien seine Vorurteile Offenen und direkten Unterricht betreffend fallenlassen zu müssen. Ich bin erstaunt.

Folgt man Meyer und geht noch ein kleines Stück weiter als Meyer selbst, dann kann man zu dem Schluss kommen, dass die Frage nach dem „richtigen Konzept“ möglicherweise nicht die entscheidende für guten Unterricht ist. Doch dabei bleibt es nicht. Weitere erstaunliche Befunde listet Meyer auf:

Geringen Einfluss auf die Qualität des Unterrichts haben, laut Meyer, die Klassengröße(!), das Unterrichtsmaterial und der Gebäudezustand, und auch eine hohe Schülerbeteiligung sei nicht automatisch Maßstab für Lernerfolge.

Die Chimäre „geschlossener“ Unterricht
Das stimmt nachdenklich, denn hat man uns an der Uni nicht den Offenen Unterricht als das Ende aller Sorgen angepriesen? Als einzige architektonische Maßnahme wider den schiefen Turm? Als alleine gangbaren Weg in die Freiheit? Doch ist das Schreckgespenst des „geschlossenen“ Unterrichts nicht immer schon eine Chimäre gewesen? Ein akademischer Punchingball, an dem sich Studenten und Professoren gleichermaßen abreagieren, ihre intellektuelle Fitness trainieren und gleichzeitig im Kampf für die gute Sache einen liebgewordenen Gegner niederstrecken konnten?

Und wie sah die Praxis aus? Ich erinnere mich an meinen Deutsch-/Geschichtslehrer, der mit uns knallharten Frontalunterricht abgezogen hat. Der aber uns Unterstüflern einen Theaterauftritt im damals funkelnagelneuen Globetheater in Neuss organisiert hat, mit Presse und allem Pipapo, fächerübergreifend mit Kunst, wegen der Nashornmasken, die wir für Ionescos Nashörner brauchten. Der mit uns zum 2000-jährigen Jubiläum von Novaesium eine eigene antike Zeitung erstellte, die heute noch bei mir im Regal steht. Und der zwischendurch immer wieder Frontalunterricht machte, wie all die anderen Lehrer auch.

Ich erinnere mich an hauptsächlich frontalen Politikunterricht, der zwischenzeitlich von Planspielen aufgeklockert wurde. An Deutschunterricht, bei dem es per Preisausschreiben etwas zu gewinnen gab, an Biounterricht, in dem wir durch Gewässer gewatet sind; ich habe von Matheunterricht gehört, in dem mit mathematischen Mitteln Kriminalfälle gelöst werden und gewiss sind mir viele Bemühungen meiner Lehrer, den Unterricht zu öffnen, gar nicht aufgefallen.

Der Mischwald existiert schon viel länger als manche Pädagogen es wahr haben möchten. Doch immer wieder steht die implizite Forderung im Raum, „offen“ sein zu sollen – frei nach dem Motto: Wer nicht total und in Gänze „offen“ ist, ist „geschlossen“ – was dann viele Lehrer dazu nötigt, sich vor Referendaren zu rechtfertigen: „Aber erwarten Sie nix Besonderes von mir.“ Da mag es ganz hilfreich sein, wenn jemand wie Hilbert Meyer zur neuen Besonnenheit aufruft.

2 Gedanken zu „„Mischwald ist besser als Monokultur“

  1. ja ja, der gute alte frontalunterricht ist scheinbar stark im zurückkommen.
    an unserem seminar ist die standardlektüre, die wir alle brav gekauft haben „gudjons: frontalunterricht – neu entdeckt“.
    wie ich das finde? weiß ich noch nicht genau.

  2. Der wird bei uns im Seminar nicht ausdrücklich empfohlen. Ich kenne bisher nur sein Handbuch zur Pädagogik, welches ich gar nicht schlecht finde.

    Ich glaube nur – und es wird sich zeigen, ob ich bei dieser Einstellung bleiben werde – dass eine allein ideologisch begründete Festlegung auf eine Unterrichtsform kontraproduktiv ist. Aus politischen oder weltanschaulichen Gründen das eine oder das andere zu bevorzugen, halte ich für kurzsichtig. Dass Meyer angibt, sich aufgrund empirischer Befunde von seiner alten Haltung zumindest etwas zu distanzieren, rechne ich ihm daher hoch an.

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