Platt, platter, pädagogische Studie.

Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Akribie wir in unserer Gesellschaft Schulversagen nachspüren. Keine Studie, mit der wir nicht auch die hinterletzen Möglichkeiten für Versagen ausloten, beleuchten und vermessen, um letztlich darauf zu kommen, dass an allem nur…

… der falsche Vorname schuld ist. Ich sehe sie schon vor mir, die Horden von erbosten und empörten Eltern, ich höre sie lauthals: „Mein Justin, mein Kevin, meine Angelina! Ihre Ungerechtigkeit, Ihre Vorurteile haben ihnen die Zukunft verbaut!“ Während um uns herum verletzte Menschen in unserer durchgestylten Welt mit Molotow-Cocktails schmeißen, halten wir uns die Ohren zu, verlieren uns im Detailgefiedel, und versuchen auch noch die letzte Schraube zu finden, mit deren Hilfe wir am Ende noch ein wenig mehr aus unseren Kindern herauspressen können.

Dabei ist das Problem schon lange bekannt, Halo-Effekt genannt, und wird uns nun in neuen Schläuchen angeboten. Optimierungswillige Eltern werden den sauren Wein literweise saufen, bis man ihnen eine neue empirisch bestätigte Droge einschenkt, und sie ihren Kindern vorurteilsfreie Pullover und Hosen kaufen, vorurteilsfreie Haarschnitte frisieren und demnächst aufs vorurteilstriefende Lehrerauge optimierte Brüste präsentieren. Platt, platter, pädagogische Studie.

Jemand, der auf eine kluge Art und Weise in seinem Buch Schulkummer den Problemen unserer Schulversager hinterherspürt, ohne dabei auch nur eines dieser blöden Klischees zu bedienen, heißt Daniel Pennac. Drüben bei Jochen hat mich Claudia Boerger auf dieses wunderbare Buch aufmerksam gemacht, dessen Lektüre seinem Leser viel Freude bereitet und das dem Lehrer in mir viele und tiefe Einblicke in das Leben, Denken und Leiden der „Cancres“, der Schulversager, geschenkt hat.

Wer von einem Schulversager höchstselbst etwas über Schulversagen erfahren will, wer herzenswarme Einblicke, statt kalter empirischer Vorwürfe in Händen halten möchte, der sollte dieses Buch lesen und die nach Empörung heischende Studie links liegen lassen.

Daniel Pennac - Schulkummer

In die Jauch-Grube

Oh Mann, da ist mir ja gestern beim Stern-TV gucken die Kinnlade heruntergekommen. Ein Günther Jauch konnte da unwidersprochen sinngemäß Sätze wie “Ein Viertel aller Lehrer ist für den Job ungeeignet” in den Äther blasen und einem Herrn Rauin vorgefertigte Fragehäppchen in den Mund schieben. Dass dessen Thesen auf einer höchst fragwürdigen Studie fußen, hat Journalist Moderator Jauch vermutlich nicht interessiert / gewusst. Der Lehrervertreter leider auch nicht, obwohl er vorgab, die Studie zu kennen. Wahrscheinlich aus dem STERN.

Bin sehr gespannt, wo die Studie als Nächstes verwurstet wird…(Vielleicht bei Aktenzeichen XY: Wer erkennt die unfähige Sau auf dem Phantombild?)