Szenisches Interpretieren

Der erste Referendar hat das Handtuch geworfen. Das ist schon ein bisschen komisch, wenn Mitreferendare erzählen, dass sie Klassen oder Kurse wechseln mussten oder gar ganz abbrechen.

Im Deutsch-Seminar haben wir gestern das sechste Bild aus Brechts „Leben des Galilei“ szenisch interpretiert. Szenische Interpretation an sich kannte ich schon als Methode, um Schülern dramatische Texte leichter erschließbar zu machen, aber die Mitreferendarin, die das Ganze leitete, hatte eine (für mich zumindest) Neuerung eingebaut: Die Stopp-Phase. Wie funktioniert das?

Man stelle sich vor, Hokey interpretiert wegen einer Erkältung wütend-gebrechlich den alten Kardinal, stößt eine unverhohlene Todesdrohung gegen Galilei aus und will sich gerade zum finalen Zusammenbruch hinspielen, als es trocken aus der Ecke der Moderatorin „Stopp!“ heißt. Und dann: „Galilei, was denkst Du gerade?“ Und dann musste der verblüffte Galilei, gleichwohl er kein Wort gesprochen hatte, seine Position in diesem Moment überdenken und offenlegen.

Es ist also szenisches Interpretieren mit, wenn man es so nennen möchte, Figureninterviews, in denen der Gefragte mehr über die Figur preisgeben muss, als es der reine Text hergibt. Die Schüler leisten in diesem Moment also eine Interpretation, die ihnen durch die Zuhilfenahme des Spielens, der Mimik, Gestik und der Prosodie um ein Vielfaches erleichtert wird. Das dürfte besonders denen helfen, die Schwierigkeiten damit haben, den puren Text mit Leben zu füllen. Mich hat diese Methode gestern begeistert und ich werde sie bei der nächsten Gelegenheit gleich einmal ausprobieren.

In diesem Zusammenhang haben wir auch zwei Literaturtipps bekommen. Einmal „Szenische Interpretation“ von Ingo Scheller und weiterhin „Produktiver Umgang mit dem Drama“ von Günter Waldmann, das erfahreneren Kollegen bekannt sein solle, wie unser Fachleiter meinte.