Von einem Sklaven und Heldenreisen

Am Dienstag „Django unchained“ gesehen. Intensiv, blutig und mit einem großartigen Christoph Waltz, der in „Django unchained“ so ganz anders wirkt als in „Inglourious Basterds“. Und wie es der Zufall will, kann man sich aktuell das Drehbuch von „Django unchained“ für einige Zeit  herunterladen, nebst 29 weiteren Drehbüchern. Angeblich legal, im Kontext der Academy-Awards. Wann hat man schon einmal Gelegenheit, Drehbuchautoren in die Karten ihres Geschichtenerzählens zu schauen?

Erzählen im SchulbuchApropos „Geschichtenerzählen“: Ich erlaube mir einen kurzen Verweis auf eine schöne Podcastserie von Bayern 2, in der es vor einigen Tagen um das Erzählmuster der „Heldenreise“ ging. Gerade das kreative Schreiben betreffend finde ich Deutschunterricht oft unglaublich schlecht und die Schulbücher unzureichend. Schüler glauben nicht selten, eine gute Geschichte bestehe aus „treffenden Adjektiven“ oder man müsse einen geheimnisvollen „Spannungsbogen“ einweben. Aber wie Spannung erzeugt wird, das beschreibt kein Schulbuch, da muss dann das gottgegebene schriftstellerische Talent herhalten. Erzählmuster wie die „Heldenreise“ dagegen können helfen, zielorientiert stringentere und spannendere Geschichten zu verfassen. Ganz nebenbei kann man auch umgekehrt versuchen, das Muster der Heldenreise in verschiedenen anderen Filmen oder Geschichten zu entdecken. Zum Beispiel in „Django unchained“. Dann aber besser ohne Schüler. 😉

Vorlesewettbewerb und der kleine Hobbit

Habe letzte Woche pünktlich zum anstehenden Vorlesewettbewerb einer sechsten Klasse aus „Der kleine Hobbit“ vorlesen lassen. Dass ich darauf nicht schon früher mal gekommen bin; auch die Jungs schienen einigermaßen begeistert (zumal auch alle schon von dem Film gehört haben) und Szenen, in denen Zwerge und ein Hobbit von Orks verfolgt werden, um dann von einem mächtigen Zauberer gerettet zu werden, während ganz nebenbei der Oberork von einem magischen Schwert durchschlagen wird, ja, solche Szenen kommen auch bei Jungs gut an.

Ich hatte ihn ganz vergessen, den kleinen Hobbit…

Murphy am Morgen

Ja, nee, is‘ klar! Da begleitet mich die Referendarin eine ziemlich langweilige (gleichwohl produktive) Doppelstunde lang, deren Auswertung wir wegen einer überraschenden dritten Vertretungsstunde in eben diese verschoben haben, und dann hauen die Schüler, dann natürlich in Abwesenheit der Referendarin, Beiträge heraus, dass die Schwarte nur so kracht. War ja klar…

Ohne magischen Spiegel

[captionpix imgsrc=“http://www.kreidefressen.de/wp-content/uploads/2012/02/iPad-150×150.jpg“ alt=““ width=“150″ height=“150″]Der magische Spiegel. Haptischer Fingerzauber. Oh heilsbringende, unerklärliche Technologie. It’s a kind of magic.

Meine Feststellung im heutigen Unterricht war, dass in besonderen Fällen auch aller Zauber nicht hilft. Wir hatten es heute  eher haptisch: Die Schüler haben aus einzelnen, unverbundenen Worten, die sie als Papierschnipsel vorliegen hatten, einen sinnvollen Satz zusammengestellt und durch die unterschiedlichen Ergebnisse und das eigene Verschieben zusammenhängenden Einheiten das Satzglied und die Umstellprobe kennengelernt. Ist ein bekanntes Verfahren im Deutschunterricht und funktioniert in der Regel gut. Die Schüler legen wirklich mit Eifer ihre Sätze (Was kommt wohl dabei heraus?), vergleichen auf Folie ihre Ergebnisse und kommen zum Ergebnis, dass alle Sätze den gleichen Inhalt transportieren, aber trotzdem unterschiedlich gebaut sind. Offensichtlich gehören gewisse Wörter eines Satzes zusammen und bilden ein – den Begriff kennen manche Schüler schon aus der Grundschule – Satzglied. Und das Verschieben und Erkennen von Satzgliedern üben wir dann. (Sorry vorab, kein inverted classroom, kein LdL und nicht mal Internet irgendwie dabei… ich habe mich sogar beim Sprechen erwischt…)

Während der anschließenden Übung meldete sich dann ein verzweifelt dreinblickender junger Mann. Er hätte das alles nicht verstanden. Ein Blick ins Heft zeigte, dass alles gut aussah. Ich hockte mich dann neben ihn und führte die Übung gemeinsam mit ihm durch. Schritt für Schritt, ihm bei jedem seiner vielen unsicheren und hektischen „Ähhh… nein, doch nicht…“ klarmachend, dass er doch! ja! genauso! weitermachen soll. Keine magische Zauberkiste hätte ihm spiegeln können, dass er von vornherein schon alles verstanden hatte und nur sich selbst unsicher war. Ich werde jetzt vermehrt ein Auge auf ihn haben, um ihm Sicherheit bieten zu können.

Hätte ihm eine automatisierte Rückmeldung (Meldung „Prima!“, Farbe: grün) des magischen Spiegels auch geholfen?

Kreatives Schreiben in Vertretungsstunden

Sonntagabends an einem Ferientag, dem letzten vor Schulstart. Das Telefon klingelt. Am anderen Ende eine mir unbekannte weibliche Stimme, die mich um einen Tipp für eine Vertretungsstunde bittet. Eine neue Kollegin also. Sie müsste mich gleich am ersten Schultag in Klasse 9 vertreten und da sie das noch nie gemacht hätte. „Unterrichten Sie denn Deutsch?“ „Nein, [etwas Naturwissenschaftlich-Mathematisches].“

Ich riet ihr dann das, was ich in überraschenden Vertretungsstunden auch manchmal mache: Kreatives Schreiben. Es gibt da ein Reclam-Bändchen mit Anregungen zum kreativen Schreiben, aus dem ich die Idee entnommen habe, drei Satzanfänge an die Tafel zu schreiben, die die Schüler dann in eine vollständige Geschichte ausarbeiten müssen. Das Reclam-Bändchen liefert dafür Beispiele, die ich der Kollegin diktierte, aber wenn es gerade nicht anders geht, kann man sich auch selber drei Satzanfänge ausdenken oder gemeinsam mit den Schülern überlegen. So richtig sicher, ob das eine gute Idee für eine Vertretungsstunde mit einer unbekannten Kollegin war, war ich mir nicht – schließlich hassen Schüler das handschriftliche Schreiben –  aber als ich die Kollegin später auf die Stunde ansprach, erzählte sie, dass die Schüler mit Feuereifer und in absoluter Ruhe geschrieben hätten, die Ergebnisse lägen nun auf meinem Platz. Und tatsächlich lagen da teilweise wahre Epen…

Dass Schüler dieser Altersgruppe sehr positiv auf kreatives Schreiben reagieren, bestätigte sich dann in meiner zweiten neunten Klasse, wo ich gleich eine Kurzreihe dazu durchgeführt habe. Schüler, die ansonsten den Füller meiden als verbreite er die Pest, schrieben auf einmal wie die Teufel. Keine Spur von Vermeidungsstrategien und drei mühsamen Zeilen in zehn Minuten.

Kreatives Schreiben also! Leider hat man nicht immer seine Reclam-Bibliothek parat, aber wie es der Zufall will, gibt es auch für kreative Schreibanlässe mittlerweile eine App! Fürs iPhone heißt sie einfach „writing prompts“. Mit „writing prompts“  lassen sich durch Schütteln des iPhones verschiedene Schreibanlässe per Zufallsgenerator generieren, so auch Satzanfänge, aber es lassen sich auch Orte, Charaktere, Gegenstände und Sinneseindrücke vorgeben, die in den Geschichten vorkommen müssen. Witzig auch die Idee, Bilder vorzugeben, was man in einer Schulklasse durch die Tafel und die eigenen Zeichenkünste kompensieren müsste. 😉

Die App ist auf Englisch, sodass man zunächst übersetzen müsste und ich habe sie noch nicht „life“ ausprobiert, aber großartig schiefgehen kann da eigentlich nichts. Auf jeden Fall hat man immer eine gute Vertretungsstunde in der Tasche.

Verdrießlich

„Das ist aber äußerst verdrießlich!“, sagte zuletzt ein Kollege. Ich schaute ihn erstaunt an und dachte mir: Das merkst du dir am besten gleich und schenkst dem fast ausgestorbenem Adjektiv ein wenig Raum in deinem Blog. Viele schöne Wörter vergisst man so schnell, dabei erweitern sie doch nichts weniger als unseren täglichen Handlungsspielraum. Letzteres im wörtlichen und im übertragenen Sinn.

Appetit bekommen

Die letzten Wochen sind wie ein Schleier an mir vorbeigezogen. Im Netz bin ich gar nicht mehr so aktiv, Twitter lese ich vielleicht ein- bis zweimal am Tag, Blogs sehr sporadisch auf dem Mobiltelefon, vor dem Computer sitze ich eigentlich nur noch  zum Arbeiten. Oft ärgere mich über „verpasste“ Blog-Artikel – werde dem heute mit einem neuen Feed-Reader-Konzept entgegenzutreten versuchen, denn nach wie vor sind Blogs für mich die wahren Perlen des Internets, was auf Twitter an mir vorbeirauscht, interessiert mich nicht.

Habe in dieser Zeit viel mit Referendaren und Praktikanten gearbeitet und bin sehr froh über manche neue Impulse. Erst letzte Woche hat eine Referendarin ein einfaches Konzept zur Binnendifferenzierung eingesetzt. Paradoxerweise hatte ich es ihr vorgeschlagen, aber selber noch nicht in dieser einfachen Form eingesetzt: Zur Erschließung eines literarischen Textes haben wir ganz simpel zwei Arbeitsblätter entworfen, eines mit der Schwierigkeitsstufe „normal“ und eines „anspruchsvoll“. Der Effekt war, dass die meisten Schüler sich auf das anspruchsvollere Material stürzten (was so nicht gedacht war), einige aber durchaus und realistischerweise das einfachere Material nahmen. Nichtsdestotrotz war erstaunlich, wie motiviert auch ansonsten weniger fleißige Schüler waren, das anspruchsvolle Material zu bewältigten.

Warum mache ich das eingentlich nicht öfter und warum nicht schon seit einer halben Ewigkeit? Einfach: Ich verbringe meine Nachmittage mit dem Korrigieren von Klassenarbeiten und dem Vorbereiten von Unterricht im Groben (und eher selten im Detail). Das Erstellen von guten binnendifferenzierten Arbeitsaufgaben ist einfach so zeitaufwändig, dass ich immer wieder froh bin, wenn motivierte Referendare dabei sind, die sich Zeit dafür nehmen können und wollen. Gelobe aber Besserung und werde meine Unterrichtsreihen nun insgesamt stärker auf Differenzierung ausrichten. Wie so oft kommt der Appetit beim Essen und man kocht bekanntlich immer besser, je öfter.

Ich lach‘ mich schneckig!

Wirklich! Wie alle Menschen wissen, sind die einzige Freude eines korrigierenden Lehrers in den gefühlt sonnigsten Osterferien aller Zeiten…

…Stilblüten! Und gerade ist mir ein besonders kostbares Exemplar in die Hände gefallen, denn ich habe gelernt, dass es  furchtbare Konsequenzen haben muss, wenn man „zur Schnecke gebracht“ wird. Ich meinerseits hoffe, dass ich jetzt nicht im eigenen Blog zur Schnecke gemacht werde, aber das war so lustig, das wollte einfach ‚raus.

Was macht ihr eigentlich mit Stilblüten? Sammelt ihr die?

Literaturcomics und Lesestoff für die Ferien

Okay, mit diesem Beitrag beende ich offiziell die „Rau-Wochen“, aber jetzt muss es noch einmal kurz sein: Nicht nur unterrichtsmethodisch, sondern auch den Lesestoff betreffend habe ich mich von Herrn Rau inspirieren lassen und mir vorgestern „Tschick“ bestellt, das sich jetzt schon sehr schön hat anlesen lassen. Perfekte Frühlingswetterlektüre, da freue ich mich auf den sonnigen Balkon!

Und als ich gerade bei Amazon stöberte und darüber nachdachte, wie man schwere Kost wie Buddenbrooks leichter verdaulich servieren könnte, fiel mir ein, dass es auch Literaturcomics gibt, nach denen ich mal gucken könnte. Und bei dieser Suche bin ich auf die „100 Meisterwerke der Weltliteratur“ gestoßen, einem Band, dessen Clou es ist, dass eben 100 Meisterwerke der Literatur von unterschiedlichen Comiczeichnern auf je einer Comicseite á 8 Bildern dargestellt werden.

Das führt zu unterschiedlich guten Ergebnissen, Buddenbrooks kann man trotz seiner Länge gut wiederfinden, die Blechtrommel bleibt sehr symbolhaft und die Bibel wird mir in Comicform ein ewiges Rätsel bleiben. Einige Comics sind wirklich toll gelungen (z.B. der Comic zu „Jugend ohne Gott“), andere wirken eher bescheiden. Didaktisch kann man diese Comics vielleicht für Einstiege nutzen, um das Textverständnis zu erfragen oder auch, um Reflexionsphasen anzuregen, indem man diskutiert, ob der Comic überhaupt das Wesentliche darstellt, oder ob man alternative Comics zeichnen könnte.

Und damit auch alle etwas davon haben, habe ich eine Box aus einem Comic eingebunden, um ein (wieder einmal leichtes) Rätsel zu stellen: Um welches Meisterwerk der Weltliteratur handelt es sich?

Was wäre ich ohne Herrn Rau?

Und schon wieder habe ich mich heute schamlos aus der reichhaltigen Ideensammlung von Herrn Rau bedient! Das war aber auch… also.. man muss sich vorstellen, dass ich gerade einiges um die Ohren habe und meinen Fokus auf den „fremden“ LK lege, der ja mit Buddenbrooks gefüttert werden möchte. Ich betrete heute also gut auf meinen Leistungskurs vorbereitet Raum 250, präge mir feste ein, dass ich die Schüler duzen muss, um dem verwetteten Kuchenbacken zu entgehen, und schaue verdutzt in die Gesichter meines Grundkurses!

Tjoa. In solchen Situationen heißt es schnell und gewitzt handeln! Sofort alles zugeben, dann aber schnell die Buddenbrooks auf den Tisch gewuchtet, das schindet Eindruck und man erntet ehrfürchtige Blicke, was von der eigenen Fehlplanung ablenkt, und man kann den Schülern zeigen, was ihnen entgangen ist. Autorität wieder hergestellt, aber was nun? Okay, der obligatorische Hausaufgabenvergleich, literarischer Salon, Schleiermacher…. und nun? Material hatte ich nicht mit, keine Kopiervorlagen, kein Unterrichtsmodell. Das war guter Rat teuer, aber kein Unterrichtsmodell der Welt hätte mir jetzt geholfen – da blieb nur Trick 17, der Rückgriff auf das Lehrerzimmer von Herrn Rau.

Dieser hatte vor knapp zwei Wochen einen Beitrag über eine Unterrichtsstunde mit gefälschten expressionistischen Gedichten verfasst, in welcher die Schüler selber expressionistische Gedichte schreiben sollten, welche dann mit echten expressionistischen Gedichten vermischt und vorgelesen wurden. Die Schüler sollten dann erraten, welche Gedichte gefälscht und welche echt waren. Was für ein Ansporn, ein Gedicht zu schreiben!

Und was mit expressionistischen Gedichten gut ist, kann für romantische Liebeslyrik nicht schlecht sein! Gedacht, getan. Selten habe ich Schüler so akribisch überm Metrum brüten sehen oder Liedstrophen erjamben hören. Romantische Motive wurden in Partnerarbeit gegeneinander abgewogen und alle formalen Herausforderungen angenommen, bis wir am Ende ca. 13 Gedichte vorstellen konnten. Und zwei Gedichte waren am Ende der doch recht kurzen Zeit so gut, dass über die Hälfte des Kurses drauf „hineingefallen“ ist. (Auch barocke und expressionistische Gedichte fanden sich darunter…) Und Spaß gemacht hat es auch noch!

Danke, Herr Rau! Sie haben mir heute wirklich die Stunde gerettet!