Kurzer Einwurf zur „Jungen vs. Mädchen“-Debatte

Mein alter Herr, der in den sechzigern die Schule besuchte, als noch Rohrstöcke geschwungen wurden unter einer großteils männlichen Lehrerschaft, prägte mein Männer- und Frauenbild nachhaltig, indem er mir im Grundschulalter immer wieder erzählte, dass die Mädchen zu seiner Zeit in der Schule tendenziell strebsamer und fleißiger gewesen seien als Jungen.

Machen wir uns da vielleicht heute nur wieder selber die Pferde scheu?

6 Gedanken zu „Kurzer Einwurf zur „Jungen vs. Mädchen“-Debatte

  1. So holzschnittartig denke ich ja nicht. Ich sehe täglich intelligente, strebsame Jungs und Mädchen, aber im Gros beobachte ich ebenfalls die in den Studien herausgestellte Tendenz. An meinen Schüler kann ich kaum etwas ändern; ich finde sie so vor, wie sie sind – unabhängig davon, ob genetisch-anlagebedingt, gesellschaftlich geprägt oder von beidem etwas.

    Aber das ist gar nicht die Frage: Mir geht es im Obigen darum, in Frage zu stellen, ob es eine Rolle spielt, ob männliche oder weibliche Lehrkräfte die Schüler unterrichten. Glaubt man der Studie, spielt das keine Rolle. Und das deckt sich mit der Beobachtung meines Vaters unter männlichen Lehrern, die man mit der heutigen Entwicklung zu einem eher frauenbestimmten Lehrerberuf vergleichen kann: Bei beiden schneiden die Mädchen besser ab. (Zugegeben, mein Vater ist kein Empiriker. Aber ich verbreite hier auch keine Wissenschaft, sondern überlege nur hin und her und her und hin.)

  2. Ja und äh nein …

    Die Ergebnisse sprechen ja für sich. Und sie belegen genau dieses. Aber: Sind Mädchen von Natur aus strebsamer, fleißiger ja gar intelligenter? Wollen wir wirklich nach Genen oder sonstigen Dispositionen suchen?

    Oder ist es die Gesellschaft, also wir, die die Mädchen und auch die Jungen so geprägt haben?

    Denn, ich denke es macht einen Unterschied, ob ich als Französischlehrer in die Klasse gehe und mir denke: Die Mädchen können das sowieso besser als die Jungen, die machen auch besser mit und Mädchen können einfach besser Sprachen (In einer englischen Studie formulierte ein Junge so nett „Boys don’t do languages“). Gleiches ließe sich in etwas anderer Konstellation für den Matheunterricht sagen, in der anderen Thematik bin ich nur gerade drin. Denn dann behandele ich Jungen und Mädchen wahrscheinlich auch unbewusst unterschiedlich.

  3. Mir selbst hat es wohl nicht geschadet, dass ich in der Grundschule 4 Jahre lang von Frauen (und das in fast allen Fächern, außer Sport) unterricht wurde. Habe mich gut entwickelt und am Gymnasium war es dann – was die Gesamtzusammensetzung angeht – ausgeglichener, wobei ich als Klassenlehrer 8 Jahre lang Männer und 1 Jahr lang eine Frau hatte. Insofern haben mir also auch viele männliche Klassenlehrer nicht geschadet.

  4. Schule ist für mich zunehmend ein Ort geworden, der eher klischeehaft weibliche Tugenden belohnt und eher klischeehaft männliche bestraft.

    Wenn meine Jungs aus der 5. Klasse sich auf dem Schulhof auf die Schnauze hauen, dann heult die gesame Pädagogenschaar auf: „Das ist Gewalt, das ist böse, das wollen wir hier nicht!“ Aber das Alphatier ist bestimmt und der Streit ist am nächsten Tag vergessen.

    Wenn die Mädels sich so lange dissen, bis einige ernsthafte psychische Defizite davontragen, dann gibt es „Beratungsgespräche“, „Streitschlichtungen“, „Verträge“. Der Konflikt ist immer noch da, bloß unter stundenlanger pädagogischer Harmoniesoße versteckt.

    Ich könnte unzählige weitere und weit weniger holzschnittartige Beispiele bringen. Für die weibliche Identität wurde sehr viel getan. Die männliche läuft im besten Fall brüllend über das Fußballfeld oder versauert im schlimmsten bei Chips und Cola vor dem Ego-Shooter.

    Es geht dabei weniger darum, ob Frauen oder Männer unterrichten, sondern vielmehr um die Bilder von Mann und Frau, die dabei vermittelt werden. Und das Pferd wird in meinen Augen nicht scheu gemacht, sondern es rennt bereits.

  5. Ich lese immer wieder gern in diesem Blog mit.
    Was mich missmutig stimmt an diesen Tendenzen und Diskussionen? Immerzu geht es nicht um die Frage in wie weit die Schul(bildung) Einfluss auf die Gesellschaft nimmt, sondern es geht viel mehr darum in der Schule die Wurzel allen Übels zu identifizieren und dann im Sinne der Gesellschaft zu beheben und als Problemlöser zu fungieren für Gesamtgesellschaftliche Probleme.

    Konkret in diesem Fall, stellt sich mir die Frage, ob das Denken in Stereotypen maßgeblich durch die Schule geprägt wird, bzw. sich hier erst manifestiert.

    Wohl kaum. Es gibt Studien, die eindeutig belegen, das identische Babyfotos unterschiedlich interpretiert werden, abhängig davon ob den Probanden gesagt wird, es handle sich um einen Jungen oder ein Mädchen. Wir alle erziehen unsere Kinder jeden Tag in einem bestimmtes Rollenverhalten. Sogar die Eltern, die besonders darauf achten, kein typisches Verhalten zu fördern.

    Jedes Lebewesen tut instinktiv das, worin es gut ist. Hirnforscher fanden heraus, dass sich die Gehirne von Mädchen und Jungen bei der Einschulung unterscheiden. So ist das Sprachzentrum von Mädchen tendenziell weiter entwickelt ist…

    Das Mädchen und Jungen verschieden mit Konflikten umgehen, sich in der Schule unterschiedlich verhalten und in der Konsequenz unterschiedlich lernen erscheint mir eine natürliche Gegebenheit, geschaffen durch die vorschulische Erziehung und eben die von Haus aus bedingten Vor- und Nachteile, die das jeweilige Geschlecht mit sich bringt. Körperlich eher unterlegene Lebewesen müssen andere Wege finden ihre Interessen und im ursprünglichen Sinne ihren Fortbestand zu sichern. Mir persönlich erscheint es da durchaus logisch, dass Frauen versuchen Konflikte verbal zu lösen und daher auch früher diese Fähigkeiten entwickeln (müssen, bzw. mussten).

    Jedes Kind ist geprägt durch die individuellen (sozialen) Einflussfaktoren. Diese sind vielfältig. Und müssten eigentlich dazu führen, dass jedes Kind spezifisch betrachtet, gefördert und gefordert wird. Was bei diesen Klassengrößen äußerst schwierig ist. Ein Kriterium und die sich dadurch ergebenen „Folgen“ ist allen Kindern gleich. Es gibt es in zwei Ausprägungen „männlich“ und „weiblich“. Und was auf uns zutrifft prägt uns. Ob wir uns das eingestehn wollen, ob wir das mögen oder uns dagegen auflehnen… es bleibt ja doch wie es ist. 😉 Und Stereotype erleichtern uns unser Leben insofern als das sie potentiell relevante Informationen vorfiltern. Die Frage ist nur, wie festgefahren wir in ihnen denken. Ob Menschen sich aus Schubladen befreien können. Letzteres ist wichtig. Auch für die Schule.

    Wenn wir Stereotype auf’s Korn nehmen, dann müssen wir schon viel früher damit beginnen als in der Schule. Diese „Die Schule muss alles Richten“- Mentalität kann ich persönlich einfach nicht mehr hören. Die Schule ist dafür da, die Kinder auf ihr Arbeitsleben vorzubereiten. Das sie das Sozialverhalten insofern mit gestalten und prägen soll, als das die Kinder (leider) einen immer größeren Teil ihres Lebens in diesen Gemäuern verbringen ist sicherlich richtig. Aber zu fordern, die Schule und somit die Lehrer, die dafür weder geschult sind, noch wie im Elternhaus lediglich eine kleine Kinderschar zu betreuen haben, soll „alle richten“ ist schlicht absurd und Augenwischerei für all diejenigen, die merken, dass Dinge schief laufen und sehen wollen, dass irgendwas dagegen getan wird, ohne zu hinterfragen was ihnen vorgegaukelt wird.

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