Förderung

Je länger und öfter man den Diskussionen im Studienseminar folgt, umso deutlicher kann man gewisse – ich nenne es mal Lager – erkennen. Diese scheinen von etablierten politischen Grundhaltungen, Werten und Weltbildern gespeist zu sein und führen leider Gottes dazu, dass man bei einigen Diskutanten den Eindruck gewinnt, dass ihnen eine gewisse Lagerzugehörigkeit wichtiger ist als die jungen Menschen, die sie unterrichten sollen bzw. dass sie am liebsten nur Menschen unterrichten wollen, die den Vorstellungen dieses Lagers entsprechen. Besonders deutlich wird das bei hitzigen Debatten zum Thema Förderung.

Da gibt es die einen, die bei jeder Diskussion und zu jedem(!) Thema auf die Förderung von Einwandererkindern verweisen. Völlig egal, ob es gerade um Mono- oder Koedukation, Leistungsmessung, Gruppenarbeit oder weiß der Himmel was geht: Das Thema kommt garantiert. Ich finde es auch sehr wichtig, Schwache zu fördern, hinderliche Strukturen aufzubrechen und nach Kräften Chancengleichheit herzustellen, aber ich muss das nicht jedem bei jeder unpassenden Gelegenheit kontraproduktiv aufs Butterbrot schmieren. Alleine dabei bleibt es allerdings nicht…

…denn es gibt auch die anderen. Sobald der Begriff „Förderung“ fällt, rattern bei denen die Rollos runter und einzig eine Phrase ist ihnen zu entlocken: „Wir müssen auch die Hochbegabten fördern! Hochbegabte werden viel weniger gefördert.“

Und dann könnte ich schreien! Dieses elende gegeneinander Aufwiegen! Als ob das eine dem anderen die Luft zum Atmen nehmen würde! Als ob man nicht beides gleichermaßen anvisieren könnte, sowohl im Unterricht als auch in der Schulentwicklung. Aber nein, die Damen und Herren haben Ideologien zu verfechten und Egos zu füttern und wollen entweder als Rächer der Enterbten in die Annalen der ewigen Lehrer des Jahres eingehen oder sich mit den Lorbeeren der zukünftigen Elite zu schmücken. Macht ja auch mehr her, wenn man die „Tollen“ unterrichtet, die zukünftigen nobelpreistragenden, bachmannbeehrten und karlspreisgeschmückten Superschüler. Dann ist man ja auch irgendwie ein… Elitelehrer!?

Was das soll, frage ich mich? Ich habe ja auch meine politischen Präferenzen, aber ich bin immer noch Lehrer für alle meine Schüler und nicht nur für leistungsschwache oder die, für deren gute Leistung ich kaum einen Finger krumm zu machen bräuchte.

9 Gedanken zu „Förderung

  1. I’m totally with you!
    Ich sitze auch manchmal in meinen Seminaren und frage mich, in welchen Film ich da geraten bin. Was ich aber so erstaunlich finde, ist, dass so viele so genau wissen, was „richtig“ (und was „falsch“) ist. ich meine: Wir stehen doch am Anfang unseres Lehrerdaseins. wenn mir ein erfahrener Kollege erklärt, wie Unterricht funktioniert, habe ich Respekt und Achtung. Aber wenn jemand, der gerade ein halbes Jahr eigener Lehrerfahrung mitbringt, plötzlich weiß, wie das alles funktioniert, staune ich manchmal nicht schlecht.
    Viele Blinde reden über die Farbe…
    es ist schade, dass manchmal das Potential, Dinge zu hinterfragen oder auch einfach mal die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen, so selten möglich ist. Da bin ich von der Uni und aus Praktika irgendwie ein anderes Arbeiten gewöhnt.
    Scheppler by http://www.blog.initiatived21.de

  2. Das ist doch auch schon ein wichtiger Lernerfolg, wenn man erkennt, dass es den meisten Lehrpersonen (und Politikern) in erster Linie um die Förderung des eigenen Egos geht. Das hilft, mit solchen ideologisch verbohrten Ansichten umzugehen und selbst nicht die Suche nach pragmatischen Lösungen aus den Augen zu verlieren.

  3. Lehrer haben was nachzuholen – das habe ich kürzlich in meinem Blog geschrieben. Aber auch die Schüler, noch Jahre danach 🙂
    Man könnte fast an Wiedergeburt glauben, wie sich die Themen immer neu selbst auflegen. Recht gebe ich dir auch, wenn ich an meine eigene Refi-Zeit zurückdenke: Nach einem halben Jahr haben sich Lager gebildet. Letztlich hats alle genervt, aber was tun, wenn die Charaktere so verschieden sind und man unter Strom steht.

  4. Deine Schilderungen machen mir Angst. Das war doch schon an der Uni so! Ich hätte gedacht im Referendariat würde diese Verfechterei von Standpunkten zumindest weniger werden…

    „ich bin immer noch Lehrer für alle meine Schüler“

    genau das sollte man sich auf die Fahne schreiben und in Diskussionen immer mit bedenken, dann kann man sich viele Diskutiererei einfach sparen…

  5. Ich sehe, erlebe, ertrage, erschreie (bisher nur innerlich) es ganz genau so.

    Dazu kommt bei uns noch die
    Lehrerbelastung/Lehrerbeurteilung – die völlig in Lagern und total
    unsachlich debattiert wird (mein Beitrag vom 6. Juni).

    Im Moment würde ich noch gerne weiterkommen in den Debatten, aber ich denke es dauert nicht mehr lange, da hat es mich hineingezogen ins Hamsterrad.

    Von wegen Haustieren: Herzliche Gratulation zum Underdog!

  6. @Tanja
    Danke schön. 😉
    Lagerdenken ist Gift, denn so bewegt sich leider niemand vom angestammten Platz – Dein Hamsterrad trifft es wohl. Ich hoffe, ich lasse mich nicht hineinziehen…

  7. Ja, das habe ich auch gelesen, aber ich kann mir kein objektives Urteil bilden. Vorstellbar ist ja beides, dass die Lehrerin mit guten Noten um sich wirft (schlecht für die Kinder) oder dass sie eine Lehrerin ist, die alle Kinder gleichermaßen erstklassig erreicht (sehr gut für die Kinder).

    Alleine auf Zeitungsberichte würde ich mich da nicht verlassen.

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