Bielefeld Verschwörung?

Ich sitze kaffeetrinkend am Küchentisch, das Radioprogramm kündigt mit einem Jingle die Nachrichten an. Bush tapert durch Pakistan, Bomben explodieren, Vogelgrippe, Fußballversager – und dann eine Meldung die mich aufhorchen lässt. Die vermutlich dunkelhaarige Nachrichtensprecherin mit der erotisch tiefen Stimme verkündet, dass eine Kommission morgen neue bahnbrechende Ergebnisse in der Schulforschung verkünden wolle: Englischlehrer redeten zu viel im Unterricht, wodurch sie den Schülern die Chance nähmen, selber Beiträge zu liefern. Überhaupt ließen sie den Schülern nicht genügend Zeit, um eine Antwort zu formulieren. Das saß.

Überhastet stürzte ich den lauen Kaffee meine Kehle hinunter, um sofort frisches Koffeinfluidum nachzuschütten. Konnte das wahr sein? Warum, fragte ich mich, wieso? Wieso schlafen in diesem Land eigentlich alle? Oder steckte mehr dahinter? Wollten sie unser Bildungssystem mit Absicht vor die Wand fahren?

Ich erinnerte mich an meine ersten Pädagogikseminare an der Bielefelder Uni. Hatte uns nicht schon damals der Dozent zum Seminar mit Themenschwerpunkt "Fragen" darauf hingewiesen, dass Lehrer ihren Schülern meist nicht genügend Zeit zum Antworten geben? Hatte er nicht gesagt, dass sie oft nur eine Sekunde(!) ihrer kostbaren Zeit verschenken. Und dass zehn Sekunden eine schier unüberwindliche Hürde für einen Lehrer sind, der im 45-Minuten-Takt seinen Stoff durchrattern muss, geschweige denn die empfohlene Minute? So ein Schülergedanke, meinte der Dozent, erst recht, wenn man die Lösung nicht kenne, müsse ja erst einmal sorgfältig überdacht werden.

Wie konnte das sein? Warum wusste ich etwas, warum wusste der Dozent etwas, warum wussten alle Seminarteilnehmer etwas, das der Rest Deutschlands erst morgen, also Jahre später, präsentiert bekommen sollte?  Wieso hatte die Welt da draußen nichts mitbekommen von den Erkenntnissen, die uns unser Prof mitgeteilt hatte? Und während ich über diese Frage meinen Kopf in meinen Händen vergrub, fiel mir die Lösung wie Schuppen von den Augen. Es gab sie tatsächlich – die Bielefeld-Verschwörung.

Plötzlich war alles sonnenklar: Es lag gar nicht an der blinden Ignoranz der Politik oder der Bildungsapparate! Bielefeld existierte gar nicht! Nicht die Uni, nicht mein Seminar, nicht mein Prof – nicht einmal mein Kaffee… 

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